Année politique Suisse 1983 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen / Finanzpolitik
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Einnahmen
Von den Vorschlägen auf der Seite der Einnahmen passierte 1983 die Neuregelung der Treibstoffzölle die Volksabstimmung. Das Parlament stimmte zwei neuen Verkehrsabgaben zu und verwarf die Bankkundensteuer. Ein weiteres Mal ausgesetzt wurden die Kommissionsberatungen über die Ausdehnung der Warenumsatzsteuer (WUST) auf sämtliche Energieträger. Auf die Treibstoffzollabstimmung und auf die Beratungen über die Verkehrsabgaben werden wir in anderem Zusammenhang näher eingehen. Im folgenden sei jedoch die finanzpolitische Bedeutung dieser Entscheide besonders hervorgehoben.
Die auf maximal zehn Jahre befristete Einführung einer Autobahn-Vignette und einer Schwerverkehrsabgabe soll der Bundeskasse jährlich Einnahmen von gegen 400 Mio Fr. zuführen. Nachdem die beiden Vorlagen im Juni vom Parlament verabschiedet worden waren, kündigten die Strassenverkehrsverbände — mit Ausnahme des umweltfreundlichen Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS) — für die auf 1984 angesetzte Volksabstimmung ihre entschlossene Opposition an. Repräsentative Umfragen verwiesen jedoch auf eine zustimmende Mehrheit in der Bevölkerung [2].
Die Neuregelung der Treibstoffzölle sichert dem Bund die bisher für den Autobahnbau reservierten Zuschläge auf dem Grundzoll. Allerdings bleiben diese weiterhin zweckgebunden, doch wird ihr Zweck auf die Subventionierung des Baus von Hauptstrassen sowie auf andere Bundesaufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr, insbesondere auf Entlastungsmassnahmen zugunsten des öffentlichen Verkehrs und des Umweltschutzes, erweitert. Zugleich wird die Zweckbindung des Grundzolls von bisher 60 auf 50% reduziert, so dass dem Bund die freie Verfügung über zusätzliche 100 Mio Fr. zusteht. Im Abstimmungskampf standen die Verteilung der Zolleinnahmen sowie deren Erhaltung für die Bundeskasse im Zentrum der Auseinandersetzungen. Die Umweltschutzorganisationen befürchteten einen Ausgabenautomatismus für den Strassenbau und verlangten die Aufhebung der Zweckbindung. Um den Anachronismus der verfassungsmässigen Verankerung einer solchen aufzuzeigen, lancierten einige Opponenten im Vorfeld der Abstimmung eine Initiative für die Zweckbindung der Tabaksteuern und -zölle. Weniger umstritten und für die Bundeskasse von Bedeutung war die Beibehaltung von 2,3 Mia Fr. an Zöllen und Zollzuschlägen auf Treibstoffen. Eine Nachanalyse der Abstimmung zeigte, dass die Sanierung der Bundesfinanzen für die Stimmbürger das wichtigste Entscheidungsmotiv war. Nach der knappen Annahme der Vorlage durch Volk und Stände erklärte Bundesrat Ritschard, dass bei der Ausführungsgesetzgebung (Treibstoffzollbeschluss) den Argumenten der Umweltschützer Rechnung getragen werden solle [3]. Vor dem Hintergrund der hängigen Initiative des TCS für eine ausgedehntere Zweckbindung der Treibstoffzölle wurde jedoch im Vorentwurf zum Treibstoffzollbeschluss dieser Absichtserklärung nur teilweise Folge gegeben. Das EDI versuchte im entsprechenden Vernehmlassungsverfahren ferner, auf die Frage der Kompensation der zusätzlichen Einnahmen der Kantone zurückzukommen, die bei der Beratung der Verfassungsgrundlage im Vorjahr vom Parlament abschlägig beantwortet worden war. Dieser Versuch, für die gegen 400 Mio Fr., welche dem kantonalen Strassenbau aus der Neuregelung der Treibstoffzölle zukommen sollen, eine Entlastung des Bundes im öffentlichen Regionalverkehr zu erwirken, stiess jedoch auf starke Opposition [4].
Die nationalrätliche Kommission, welche die Ausdehnung der WUST auf sämtliche bisher befreiten Energieträger (Gas, Elektrizität und Brennstoffe) vorberät, nahm ihre seit geraumer Zeit sistierte Arbeit wieder auf. FDP und SVP wollten die Energie-WUST, die jährlich 400 Mio Fr. einbringen würde, zur Kompensation der Taxe occulte und nicht zur Sanierung der Bundeskasse einsetzen und drängten auf eine nochmalige Aussetzung der Kommissionsarbeit, bis entsprechende Schritte zur Beseitigung der Taxe occulte gemacht worden seien. Die nationalrätliche Kommission kam darauf auf ihren Eintretensentscheid zurück und beschloss, die Vernehmlassung zur WUST-Reform (Taxe occulte) abzuwarten [5].
Mehrere Jahre lang war in den eidgenössischen Räten und deren Kommissionen über den bundesrätlichen Vorschlag einer Besteuerung der Zinsen aus Treuhandguthaben (Bankkundensteuer) diskutiert worden, welche der Bundeskasse jährlich etwa 250 Mio Fr. zukommen lassen sollte. Musste sich das Parlament schon 1978 seitens der Linksparteien den Vorwurfgefallen lassen, die Motion zur Weiterprüfung der Bankkundensteuer nur aus taktischen Gründen überwiesen zu haben, so wurde das Fehlen einer Bereitschaft der Ratsmehrheit zur Ausschöpfung dieser Finanzquelle in der Februarsession der grossen Kammer offensichtlich: Dem Vorschlag des Bundesrates, der eine Verrechnungssteuer von 5% vorsah, stellte SVP-Präsident Hofmann (BE) das Modell einer 35 %igen Verrechnungssteuer auf Zinsen der Treuhandgelder aus dem Inland und H. Feigenwinter (cvp, BL) das Modell einer Stempelabgabe von 1 bis 1,5% auf Treuhandgeldumsätzen gegenüber; beide Alternativen hätten der Bundeskasse weniger als 100 Mio Fr. zugeführt. Als Kompromiss brachte H. Oester von der EVP/LdU-Fraktion eine Modifikation des bundesrätlichen Vorschlags mit einem Verrechnungssteuersatz von nur 2,5% ein. Grundsätzlich gegen jede Besteuerung der Banken sprachen sich FDP und Liberale Partei aus; der Entwurf des Bundesrates fand nur gerade bei den Linksparteien Unterstützung. In der Abstimmung konnte kein Antrag eine Mehrheit finden, womit das Thema der Bankkundenbesteuerung ein vorläufiges Ende fand. Weit über die politische Linke hinaus zeigte sich in der Öffentlichkeit Empörung über die Art und Weise, wie die Bankkundensteuer zerredet, verschleppt und bachab geschickt worden war. Mit der Ablehnung dieser Steuer wurde nicht nur eine im Finanzplan vorgesehene Einnahmequelle fallengelassen; die entschiedene Schonung der Banken durch die Bürgerlichen signalisierte auch ein Zerbrökkeln der Konkordanzpolitik, was künftige Sanierungsbestrebungen weiter erschweren dürfte [6].
Mehr aus finanz- als aus gesundheitspolitischen Gründen erhöhte der Bundesrat die Tabaksteuer auf Zigaretten um durchschnittlich 18%, was der Bundeskasse jährlich Mehreinnahmen von 130 Mio Fr. in Aussicht stellt; der Beschluss ist auf den 1. März 1984 in Kraft getreten [7].
Das Vernehmlassungsverfahren über eine Verfassungsänderung zur Ersetzung der Fiskalzölle auf Mineralölprodukten und Automobilen durch interne Verwaltungssteuern — eine Zusicherung, welche die Schweiz den EG beim Abschluss des Freihandelsabkommens von 1972 gegeben hatte — konnte abgeschlossen werden. Da durch diese Umwandlung dem Bund weder Mehr- noch Mindereinnahmen erwachsen, war sie unbestritten [8]. Nicht im Zusammenhang mit der Sanierung der Bundesfinanzen steht auch die Vorlage des Bundesrates für ein Gesetz über die direkte Bundessteuer, auf die wir am Ende dieses Kapitels zu sprechen kommen [9].
Bei den Beratungen des bundesrätlichen Gesetzesentwurfes über den Ausgleich der kalten Progression nahm die vorberatende Kommission des Ständerates wesentliche Änderungen vor: Sie senkte den Schwellenwert auf 5% und bestimmte den Bundesrat als Instanz, welche die jeweilige Angleichung vorzunehmen habe; ferner verankerte sie den vollen Ausgleich ohne Rücksicht auf die Bundeskasse. Die Initianten der Volksinitiative für den Ausgleich der kalten Progression, welche im Mai eingereicht wurde, erklärten sich erfreut über die vorgenommenen Änderungen, die weitgehend in ihrem Sinn waren, und sie kündigten den Rückzug der Initiative an, falls die Räte dem Kommissionsvorschlag folgten. Der Ständerat erhöhte jedoch — angesichts des Zielkonflikts von Steuergerechtigkeit und Sanierung des Staatshaushaltes — den Schwellenwert, der den Ausgleichsmechanismus auslösen soll, auf 10%. Das Initiativkomitee sowie SVP und FDP zeigten sich empört über diesen ständerätlichen Beschluss, den sie als politisch kurzsichtig bewerteten, und warfen SPS und CVP vor, sie würden den Ausgleich der kalten Progression hintertreiben. Die nationalrätliche Kommission strebte einen Kompromiss zwischen Initiative und Gesetzesentwurf an und legte den Teuerungsschwellenwert auf 7% fest. In seltener Einheit folgte die grosse Kammer diesem Vorschlag. In der Differenzenbereinigung sprach sich der Ständerat für die nationalrätliche Fassung aus. Erstmals soll der Ausgleich der kalten Progression in der Steuerperiode 1985/86 erfolgen, auch wenn der Schwellenwert bis dahin nicht erreicht ist. Im weiteren überwies der Nationalrat eine von J.-F. Aubert (lp, NE) eingebrachte Motion des Ständerates als Postulat, welches den Bundesrat aufforderte, die durch den Ausgleich der kalten Progression verursachten Ausfälle für die Bundeskasse (gegen 45 Mio Fr. je ausgeglichenes Teuerungsprozent) durch indirekte Steuern (Erhöhung der WUST, Übergang vom Gewicht- zum Wertzoll) zu kompensieren [10].
Im Gegensatz zur Mehrwertsteuer, welche 1977 und 1979 abgelehnt worden war, kann bei der WUST die Belastung der Investitionsgüter nicht abgezogen werden. Dadurch werden diese zweimal erfasst, was die Produktepreise in Form der sogenannten Taxe occulte um durchschnittlich 1,7% verteuert. Eine 1981 eingesetzte Studienkommission unter dem Vorsitz von alt Ständerat Heimann (ldu, ZH) präsentierte im Frühjahr einen Schlussbericht mit Massnahmen zur Beseitigung der Taxe occulte sowie weiterer struktureller Unebenheiten der Umsatzbesteuerung. Der entstehende Steuerausfall von über 1 Mia Fr., der den Unternehmern zugute käme, sollte nach Meinung der Kornmission durch die Anwendung des normalen WUST-Satzes auf die baulichen Leistungen (425 Mio Fr.) und die Ausdehnung der Besteuerung auf alle Energieträger (400 Mio Fr.) kompensiert werden ; die Energiesteuer war jedoch vom Bundesrat seit längerem zur Sanierung der Bundeskasse vorgesehen. Ein weiterer Revisionsvorschlag der Kommission war die Unterstellung der 500 selbstkelternden Weinbauern unter die WUST. Im Vernehmlassungsverfahren erfuhr der Bericht die einhellige Zustimmung von seiten der FDP und der SVP sowie des Vorortes und des Gewerbeverbandes. Im Sinn des Bundesrates sprachen sich die CVP, die politische Linke und die Vereinigung der schweizerischen Angestelltenverbände gegen die Verwendung der Energiesteuer zur Kompensation der Taxe occulte aus; die 400 Mio Fr. sollten ihrer Meinung nach der Bundeskasse zugute kommen. Da die Unternehmer die Taxe occulte längst ins Preisgefüge integriert hätten, sei zudem ein Milliardengeschenk an diese auf Kosten der Konsumenten von Energie und baulichen Leistungen nicht mehr vertretbar. Abgelehnt wurde die vorgeschlagene WUST-Revision auch vom Schweizerischen Bauernverband und von der Walliser Kantonsregierung; letztere betrachtete die Besteuerung der Wasserkraft als kommunales und kantonales Recht, weshalb sie eine Unterstellung der Energieträger unter die WUST grundsätzlich ablehnte [11].
 
[2] Autobahn-Vignette: Amtl. Bull. NR, 1983, S. 593 f., 1054; Amtl. Bull. StR, 1983, S. 383; BBl; 1983, II, S. 708.; Schwerverkehrsabgabe: Amtl. Bull. NR, 1983, S. 585 ff., 1054; Amtl. Bull. StR, 1983, S. 250 f., 383; BBl, 1983, II, S. 706 f.; Presse vom 23.2.83; 7.6.83; 16.6.83. Strassenverkehrsverbände: Ww, 24, 15.6.83; Bund, 23.6.83; NZZ, 29.6.83. Meinungsumfragen: NZZ, 15.8.83; Institut für Fremdenverkehr und Verkehrswirtschaft an der Hochschule St. Gallen, Autobahn-Vignette oder Alpentunnel-Gebühr als Beitrag zur Sanierung der Bundesfinanzen. Was denkt die Bevölkerung darüber? Ergebnisse einer Repräsentativumfrage, St. Gallen 1983. Vgl. unten, Teil I, 6b (Gesamtverkehrskonzeption) sowie SPJ, 1981, S. 76, 102 f.; 1982, S. 70 f., 98.
[3] Darstellung der Zweckbindung: NZZ, 15.1.83; 8.2.83; TA, 29.1.83; Ww, 7, 16.2.83; vgl. auch unten, Teil I, 6b (Gesamtverkehrskonzeption) und SPJ, 1982, S. 71, 96 f. Abstimmungskampf: NZZ, 8.1.83; TA, 24.1.83; 28.1.83; SGT, 16.2.83. Initiative zur Zweckbindung der Tabaksteuern und -zölle: BBl, 1983, I, S. 1240 ff.; Presse vom 5.2.83 und 16.2.83. Meinungsumfrage: Vox, Analysen eidgenössischer Abstimmungen, 27.2.83.
[4] Vernehmlassungsverfahren: Presse vom 14.7.83; LNN, 17.9.83; Vat., 3.11.83. Kompensation der Treibstoffzölle: NZZ, 12.8.83; 20.8.83; 2.11.83.
[5] Presse vom 22.4.83; BaZ, 26.5.83; NZZ, 2.6.83; 4.6.83. Taxe occulte: vgl. unten. Vgl. ferner: SPJ, 1980, S. 77; 1981, S. 77; 1982, S. 71 f.
[6] Amtl. Bull. NR, 1983, S. 9 ff.; Bund, 31.1.83; TA, 31.1.83; Presse vom 1.-3.2.83; SGB, 4, 3.2.83. Vgl. auch unten, Teil I, 4b (Banken) und SPJ, 1978, S. 79; 1980, S. 65; 1981, S. 66, 78; 1982, S. 60, 72.
[7] BaZ, 27.9.83; NZZ, 27.9.83.
[8] Presse vom 13.7.83; NZZ, 23.12.83.
[9] Vgl. unten, Direkte Bundessteuer und Steuerharmonisierung.
[10] Parlamentsverhandlungen: Amtl. Bull. StR, 1983, S. 344 ff., 558, 585; Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1308 ff., 1556; BBl, 1983, III, S. 1072 f. (definitiver Text); Presse vom 12.4.83; 24.6.83; 27.8.83; 30.9.83. Initiative: BBl, 1983, II, S. 731 f., 1537 f.; Presse vom 17.5.83; NZZ, 24.9.83. Motion Aubert: Amtl. Bull. StR, 1983, S. 344 ff.; Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1308 ff.; NZZ, 10.10.83. Stellungnahmen zur kalten Progression: Die kalte Progression, Protokoll der Arbeitstagung für die Schweizer Presse vom 19.10.82 in Bern. Zur direkten Bundessteuer vgl. V. Spoerry, Direkte Bundessteuer — problemgeladenes Dauerprovisorium, Zürich (1983). Vgl. auch SPJ, 1982, S. 73; ferner Ww, 28, 13.7.83; SZ, 18.7.83; NZZ, 20.7.83; 15.8.83; TW, 23.7.83.
[11] Presse vom 16.4.83; NZZ, 23.4.83; 26.10.83; 4.11.83; 11.11.83; 14.11.83; 15.11.83; 23.11.83; 6.12.83; 31.12.83; Vernehmlassungsergebnisse: Presse vom 19.12.83. Positive Darstellung der Vorschläge der Studienkommission: H. Gerber, Revision der Warenumsatzsteuer — eine dringliche Notwendigkeit, Zürich (1983). Vgl. auch SPJ, 1981, S. 78 f.