Année politique Suisse 1983 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Voranschlag und Staatsrechnung des Bundes
Da sich der Voranschlag der Eidgenossenschaft für 1984 auf das erste Jahr der neuen Legislaturperiode bezog, zu welcher weder Regierungsrichtlinien noch Finanzplan vorlagen, orientierte er sich an den Haushaltperspektiven 1984-86. Die Linksparteien und die Entwicklungshilfeorganisationen zeigten sich enttäuscht darüber, dass die Steigerung der Entwicklungshilfe gegenüber dem Budget 1983 stark reduziert wurde (+7% gegenüber +15%). Die bürgerlichen «Sparpolitiker» hingegen stiessen sich daran, dass Einnahmen wie Ausgaben des Voranschlages die 20-Milliarden-Grenze überschritten, und kritisierten namentlich die Höhe der budgetierten Ausgaben, welche — stärker als die Teuerung — um 8,9% auf 21,8 Mia Fr. angestiegen waren; sie verlangten eine Kürzung des Defizits unter eine Milliarde (Voranschlag: 1,156 Mia Fr.). Der Ständerat folgte bei der Beratung des Voranschlages den Anträgen seiner Finanzkommission und senkte den Ausgabenüberschuss auf 777 Mio Fr. Diese Defizitreduktion erreichte er dadurch, dass die Inkraftsetzung der neuen Treibstoffzollregelung frühestens für 1985 vorgesehen und verschiedene Schätzungen günstiger gestaltet wurden (SBB-Defizit: -50 Mio Fr.; Bundessteuern: + 100 Mio Fr.). Die nationalrätliche Finanzkommission schlug ihrem Rat gar ein Budget mit einem Defizit von nur noch 500 Mio Fr. vor: Zusätzlich zu den «kosmetischen Veränderungen» des Ständerates bewilligte die grosse Kammer nur 212 der 455 beantragten zusätzlichen Stellen (für die Behandlung der Asylgesuche, für die Zollverwaltung und für das Bundesgericht); diese sollten zudem bis Ende 1986 wieder abgebaut sein. Ausdruck einer gewissen Perspektivelosigkeit in den Sparbemühungen des Nationalrates war die generelle Sperrung von 150 Mio Fr., verbunden mit dem Auftrag an den Bundesrat, bis zur Frühjahrssession entsprechende Kürzungsvorschläge — z.T. durch Gesetzesänderungen und in Abstimmung mit dem Anschluss-Sparprogramm — zu erarbeiten. Der Ständerat folgte im Bereinigungsverfahren den nationalrätlichen Beschlüssen. Somit konnte für 1984 ein Voranschlag mit Einnahmen von 20,77 Mia Fr. und Ausgaben von einstweilen 21,43 Mia Fr. verabschiedet werden. Um die Ausgabenbremse griffiger zu gestalten, überwies der Nationalrat eine Motion, wonach für Kreditbewilligungen, welche das verabschiedete Budget übersteigen, das absolute Mehr nunmehr zwingend erforderlich sein soll [17].
Nach zwei «Finanzwunderjahren», bei welchen das Defizit unter eine halbe Milliarde Fr. zu liegen kam, näherte sich der Ausgabenüberschuss der Staatsrechnung der Eidgenossenschaft von 1983 wiederum der Milliardengrenze. Die Ausgaben überstiegen erstmals 20 Milliarden (20,2 Mia Fr.), die Einnahmen betrugen 19,4 Mia Fr. Auf der Ausgabenseite hatten sich die Beiträge an Industrie, Gewerbe und Handel im Vergleich zur Rechnung des Vorjahres aufgrund des angelaufenen Beschäftigungsprogramms beinahe verdoppelt. Namhafte Steigerungen erfuhren auch die Aufwendungen für Landesverteidigung (+ 179 Mio Fr.), Verkehrs- und Energiewirtschaft (+175 Mio Fr.) sowie Landwirtschaft und Ernährung (+ 148 Mio Fr.). Bei den Einnahmen fällt der massive Einbruch der Verrechnungssteuer um 31,5 % auf. Dies ist jedoch vor allem auf ein gewisses Nachhinken der Rückerstattungen zurückzuführen und war im Voranschlag 1983 bereits eingeplant. Einen Anstieg um 30% erfuhren demgegenüber die Einnahmen aus Stempelabgaben, was weitgehend auf eine spektakuläre Börsenhausse zurückzuführen ist. Die direkte Bundessteuer brachte Mehreinnahmen von 450 Mio Fr. (+11,3%) [18].
 
[17] Botschaft des Bundesrates... zum Voranschlag... für das Jahr 1984; Die Volkswirtschaft, 57/1984, S. 221 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1682 ff., 1721 ff., 1743 ff., 1792; Amtl. Bull. StR, 1983, S. 602 ff., 687 ff.; Presse vom 4.10.83; 28.-30.10.83; 9.11.83; 23.11.83; 29.11.-3.12.83; 7.12.83; 13.12.83. Abschliessender Überblick über die Verhandlungen: Presse vom 15.12.83; Bund, 16.12.83; JdG, 16.12.83; NZZ, 17.12.83. Befristete Bewilligung zusätzlichen Personals : BaZ, 1.12.83; vgl. auch oben, Teil I, 1c (Verwaltung). In der gleichen Session verhielt sich der NR widersprüchlich, indem er über die Anträge des BR hinaus die Forschungsbeiträge und die Kinderzulagen in der Landwirtschaft erhöhte : AT, 14.12.83 ; JdG, 14.12.83 ; LNN, 14.12.83 ; vgl. auch unten, Teil I, 8a (Forschung) bzw. 7c (Familienzulagen). Motion der Finanzkommission betreffend eine Ausgabenbremse: Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1749 f. Vgl. auch SPJ, 1974, S. 75.
[18] Botschaft des Bundesrates... zur Staatsrechnung... für das Jahr 1983; Presse vom 26.4.84. Vgl. auch G. Prader, 50 Jahre schweizerische Stabilisierungspolitik. Lernprozesse in Theorie und Politik am Beispiel der Finanz- und Beschäftigungspolitik des Bundes, Zürich 1981 (insbesondere die Grafiken über die Entwicklung der Finanzpläne, Budgets und Staatsrechnungen auf S. 374 und 386). Zum Voranschlag von 1983 vgl. SPJ, 1982, S.75f.