Année politique Suisse 1983 : Sozialpolitik / Sozialversicherungen
 
Mutterschaftsversicherung
Im Bereich der Mutterschaftsversicherung hatte sich das Parlament mit der 1980 eingereichten Mutterschutzinitiative sowie mit einer entsprechenden, aber noch etwas weiter gefassten parlamentarischen Initiative Nanchen (sp, VS) von 1977 zu befassen. Entsprechend dem Antrag des Bundesrates und gegen die einhellige Opposition der linken Abgeordneten wurde dabei das Volksbegehren unter Verzicht auf einen formellen Gegenvorschlag dem Souverän zur Ablehnung empfohlen. Die Mehrheit hielt insbesondere die Einführung eines bezahlten Elternurlaubes von 9 Monaten (für Mutter oder Vater) für finanziell untragbar und die Initiative wegen der bereits seit 1945 in der BV verankerten umfassenden Bundeskompetenz (Art. 34quinquies, Abs. 4) überhaupt für unnötig. Dagegen sollten die unter dem Druck des Volksbegehrens zustande gekommenen Verbesserungsvorschläge des Bundesrates im Rahmen der Teilrevision der Krankenversicherung, die von der zuständigen Kommission des Nationalrates in erster Lesung ohne Abstriche verabschiedet worden waren, als indirekter Gegenvorschlag dienen. Dass diese Vorschläge dereinst auch tatsächlich ungeschmälert vom Parlament angenommen würden, mochten aber die Anhänger der Initiative wie auch Nationalrätin Füeg (fdp, SO) nicht so ganz glauben. Die Arbeitgeber meldeten denn auch schon ihre Bedenken gegen eine Ausdehnung des Mutterschaftsurlaubes von 10 auf 16 Wochen sowie des Kündigungsschutzes von 16 Wochen auf die ganze Dauer der Schwangerschaft und des Mutterschaftsurlaubes an. Die Linke, die Frauenorganisationen und die Gewerkschaften wollen zudem an ihrer Forderung nach einer eigenständigen, obligatorischen Mutterschaftsversicherung einschliesslich Elternurlaub festhalten, da auch hierzulande sein könne, was in allen Nachbarländern irgendwie möglich sei. Im Gegensatz zur Initiative würde der materielle Gegenvorschlag auch keine vollständige Deckung der mit der Mutterschaft verbundenen Kosten (Erwerbsausfall bloss zu 80%, keine obligatorische Pflegeversicherung) und keine Finanzierung nach dem Modell der AHV bringen [14].
Die familienpolitische Initiative Nanchen wurde vom Nationalrat entgegen dem Antrag seiner vorberatenden Kommission nur zum Teil, d.h. nur bezüglich ihrer Anregungen zum Mutterschutz abgeschrieben. Von diesem Entscheid wurde auch ein Vorschlag betroffen, den die Volksinitiative nicht übernommen hatte und der ein Taggeld für erwerbstätige Mütter bzw. Väter für den Fall vorsah, dass diese zur Pflege eines kranken Kindes zu Hause bleiben müssten. Zur Berichterstattung an die Kommission wurden dagegen jene beiden Punkte überwiesen, welche die Errichtung einer eidgenössischen Familienzulagenordnung sowie die Förderung der beruflichen Wiedereingliederung und Umschulung von Frauen, die aus familiären Gründen ihre Erwerbstätigkeit unterbrochen haben, verlangen. Dieser Erfolg ging auf einen Antrag Lang (sp, ZH)/Kaufmann (cv p, SG) zurück und sollte vor allem auch den guten Willen des Rates demonstrieren [15].
 
[14] Initiativen und Reaktionen : Amtl. Bull. NR, 1983, S. 439 ff., 457 ff., 469 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1983, S. 463 ff. und 548; Presse vom 22.2.83 (NR-Kommission); 17.3.83 (NR); NZZ, 23.8.83 und 24 Heures, 23.8.83 (StRKommission); Presse vom 27.9.83 (StR). Zur Geschichte der Volksinitiative vgl. BaZ, 2.3.83 sowie SPJ, 1980, S. 132. Teilrevision der Krankenversicherung: BaZ, 29.1.83; Suisse, 29.1.83; TLM, 29.1.83; vgl. auch oben, Krankenversicherung. Haltung der Arbeitgeber: SAZ, 3, 20.1.83.
[15] Presse vom 22.2.83 (NR-Kommission) und Amtl. Bull. NR, 1983, S. 439 ff., 457 ff., 469 ff.