Année politique Suisse 1983 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
 
Medienpolitische Grundfragen
Von dem im Vorjahr vorgelegten Bericht zur Medien-Gesamtkonzeption (Gesamtkosten 1,7 Mio Fr.) war kaum noch die Rede, vielmehr wurden ohne dessen Berücksichtigung in verschiedenen Bereichen ziemlich schnell Beschlüsse gefasst und bereits präjudizierte Regelungen weiter festgeschrieben, die in entscheidenden Punkten in Richtung Privatisierung und Kommerzialisierung tendieren. Eine Gefahr liegt dabei unter anderem auch in der multimedialen Konzentration, die von der Schweizerischen Kartellkommission untersucht wurde. Dabei kam diese zum Schluss, dass die durch das Aufkommen neuer Medien bedingte Umverteilung des Werbevolumens viele Verleger zwingt, sich an den neuen Kommunikationsformen zu beteiligen. Die Folgen seien weniger wegen der wirtschaftlichen Konzentration als wegen der einseitig beeinflussten öffentlichen Meinungsbildung beunruhigend, dies insbesondere im lokalen und regionalen Bereich. Die Chancen der neuen Medien sollten genutzt werden, um zu versuchen, die gegenwärtig dominierenden Positionen zu reduzieren [1].
Die Einführung eines Gegendarstellungsrechts in periodischen Medien mittels einer Teilrevision von Zivilgesetzbuch und Obligationenrecht wurde von beiden Räten angenommen. Dabei stand auch das Gleichgewicht zwischen Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit zur Diskussion. Der Verband der Schweizer Journalisten (VSJ) sieht letztere gefährdet, wenn kritischer Journalismus schadenersatzpflichtig gesprochen wird oder entsprechende Artikel bereits durch richterliche Verfügung gar nicht erst erscheinen dürfen. Getragen vom VSJ, dem Schweizerischen Verband der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger (SZV) und der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) wurde eine Stiftung für ein Medienausbildungszentrum (MAZ) mit Sitz in Luzern gegründet, das in erster Linie die Ausbildung von deutschschweizerischen Journalisten zur Qualitätsförderung der einheimischen Medienpublizistik bezweckt [2].
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Information durch die Behörden
Für die Qualität journalistischer Arbeit ist aber auch eine umfassende Information durch die Behörden Voraussetzung. Deren Geheimhaltungspraxis war in den vergangenen Jahren schon öfters kritisiert worden und führte 1983 zu verschiedenen neuen Indiskretionen, so dass die Bundesanwaltschaft in insgesamt sechs Fällen ermittelte. Insbesondere das Bekanntwerden des Amtsberichts der Bundesanwaltschaft über die Aktivitäten der sowjetischen Presseagentur Nowosti erregte einiges Aufsehen und führte zu einer Interpellation, welche den Umstand kritisierte, dass einmal mehr Amtsgeheimnisverletzer straffrei ausgingen, während gegen Journalisten, die aus den publik gewordenen Nowosti-Papieren bloss zitierten, ein Verfahren eingeleitet wurde. Der Bundesrat unterstrich jedoch den selbständigen Straftatbestand der beiden Vergehen und versicherte, dass der zur Diskussion stehende Artikel des Strafgesetzbuchs vom Dienst der Medien-Gesamtkonzeption geprüft und dass zur Beurteilung der Geheimhaltungsvorschriften eine interdepartementale Arbeitsgruppe eingesetzt werde [3].
Wie vielfältig die Ansprüche an eine allseitig befriedigende Informationspolitik sind, bewies die nationalrätliche Militärkommission, welche die Informationspraxis des EMD anprangerte und sich dabei namentlich auf Fälle berief, wo die Medien früher als die Kommission informiert worden waren. Aufsehen erregen aber auch eigentliche Fehlleistungen.. Der Baselbieter Regierungsrat sah sich unter dem Druck einer staatsrechtlichen Beschwerde beim Bundesgericht veranlasst, eine Vorlage wegen dürftiger und offensichtlich unkorrekter Erläuterungen kurzfristig von der Abstimmung abzusetzen [4].
Um die in verschiedenen Erlassen enthaltenen Publikationsvorschriften des Bundes einheitlich und knapper zu regeln, verabschiedete der Bundesrat eine Botschaft zu einem neuen Bundesgesetz über die Gesetzessammlung und das Bundesblatt (Publikationsgesetz). Die materiellen Neuerungen halten sich gegenüber dem geltenden Recht jedoch in bescheidenem Rahmen. Änderungen gab es dagegen im Bereich der kommerziellen Nachrichtenagenturen, wo die verschärfte Konkurrenzsituation den DDP (Deutscher Depeschen-Dienst) im Frühjahr zur Schliessung seiner Schweizer Filiale veranlasste [5].
 
[1] Medien-Gesamtkonzeption : vgl. SPJ, 1982, S. 156 f.; dazu auch F. Müller, «In der Konkordanzfalle. Ein Mitglied der «Kopp-Kommission» berichtet», in TAM, 20, 21.5.83; Kosten: Amtl. Bull. NR, 1983, S. 798 (Frage Aubry, fdp, BE). Publikationen zu Medienfragen : SVP, Thesen zur Medienpolitik, Bern 1983; L. Schürmann, « Die Verantwortung der Medien», in Schweizer Monatshefte, 63/1983, S. 207 ff.; U. Saxer, «Die Neuen Medien », in Schweizer Monatshefte, 63/1983, S. 493 ff. Multimediale Konzentration: Veröffentlichungen der Schweizerischen Kartellkommission, 18/1983, S. 85 ff.; JdG, 31.8.83; Suisse, 31.8.83; TA, 31.8.83; vgl. SPJ, 1982, S. 159.
[2] Persönlichkeitsschutz: Amtl. Bull. StR, 1983, S. 132 ff., 654 f. und 724; Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1376 ff., 1385 ff. und 1871; BBl, 1983, IV, S. 563 ff.; NZZ, 23.2.83; 5.3.83; 16.3.83; Vat., 16.3.83; 31.8.83; Presse vom 17.3.83 und 6.10.83; BaZ, 7.10.83; vgl. SPJ, 1982, S. 157 f. MAZ: Vat., 18.3.83; 26.5.83; 18.8.83; TA, 11.4.83; 24 Heures, 26.5.83; 28.5.83; NZZ, 2.7.83; 18.8.83; 21.9.83; Presse vom 30.9.83. Im Kanton Tessin wurde das Konzept einer gesamtschweizerischen Ausbildungsstätte für Medienschaffende der technischen Berufe diskutiert ; vgl. NZZ, 28.2.83.
[3] Indiskretionsfälle: BaZ, 16.3.83; 24.3.83; TLM, 16.3.83; NZZ, 18.3.83; 15.6.83; Bund, 15.6.83; TA, 24.6.83; Vat., 8.7.83. Im «Fall Nef» reichte der «Blick» eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte in Strassburg ein (vgl. SPJ, 1980, S. 159 ; 1982, S. 158, Anmerkung 25). Nowosti (vgl. auch oben, Teil I, lb, öffentliche Ordnung und 2, Relations bilatérales): Ww, 19, 11.5.83; 31, 3.8.83; Presse vom 18.5.83; 2.6.83 und 14.6.83; BaZ, 24.6.83; TA, 24.6.83; Bund, 5.8.83; TLM, 16.12.83; Interpellation Jaeger (ldu, SG): Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1545 f. und S. 1821 f. Im weitern wurde die pari. Initiative Bäumlin (sp, BE) betreffend Zeugnisverweigerungsrecht für Medienschaffende vom NR abgeschrieben: Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1302 ff.; vgl. SPJ, 1981, S. 163 und 1982, S. 158, Anmerkung 24. Publikationen zur Informationspolitik: B. Cottier, La publicité des documents administratifs, Genf 1982; P. Ziegler, Diplomatie, Diskretion und Information. Eine Studie zur Konzeption der Informationspolitik des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten, Aarau 1983.
[4] EMD: Vat., 29.3.83; 24 Heures, 29.3.83. BL: BaZ, 24.11.-26.11.83; vgl. auch unten, Teil II, 4f.
[5] Publikationsgesetz: BBl, 1983, III, S. 429 ff. ; NZZ, 30.6.83; 2.9.83; JdG, 2.9.83. DDP: NZZ, 2.4.83 ; 9.4.83 ; BaZ, 23.4.83.