Année politique Suisse 1983 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
 
Presse
Im oben erwähnten Bericht über die multimediale Konzentration stellt die Kartellkommission fest, dass die Konzentrationsbewegung im Bereich der Presse seit ihrer ersten Untersuchung von 1974 angehalten habe, wobei in erster Linie die zahlenmässige Entwicklung der regionalen Monopole zu Besorgnis Anlass gebe. Die materielle Notlage und das Verschwinden von kleinen und mittleren politischen Zeitungen war seinerzeit der Ausgangspunkt für das Begehren nach staatlicher Presseförderung gewesen. Zu einer entsprechenden parlamentarischen Initiative Muheim (sp, LU) legte nun der Bundesrat einen Bericht vor, in welchem er sich zwar von der Notwendigkeit einer vielfältigen und unabhängigen Presse überzeugt zeigte, dieser jedoch nur mit presserechtlichen Massnahmen günstigere Rahmenbedingungen gewähren will. Der von der Landesregierung vorgelegte Gegenvorschlag für einen Verfassungsartikel sieht vor, dass der Bund Massnahmen für eine vielfältige und unabhängige Presse und gegen den Missbrauch von Vormachtstellungen treffen sowie in Grundsätzen das Verhältnis zwischen Verlegern und Redaktoren ordnen kann. Zudem erhält er den Auftrag, das Redaktionsgeheimnis und damit das Zeugnisverweigerungsrecht der Journalisten zu regeln. Die nationalrätliche Kommission zur Beratung der parlamentarischen Initiative sah sich angesichts des bundesrätlichen Entwurfs zu einer gewissen Revision ihrer Positionen genötigt. Ihre Vorlage ist in bezug auf das Redaktionsgeheimnis und die Regelung des Verhältnisses zwischen Verlegern und Redaktoren mit derjenigen der Landesregierung identisch; sie hält jedoch am verbindlichen Auftrag zu Förderungsmassnahmen fest und räumt dem Bund die Kompetenz zur Unterstützung der beruflichen Aus- und Fortbildung im Pressebereich ein. Die Kommission erkannte, dass finanziell ausser der weiterzuführenden Ermässigung der Zeitungstransporttaxen gegenwärtig nichts herauszuholen ist; sie wäre schon froh, wenn die Presseförderung überhaupt Eingang in die Verfassung fände. Für einen Teil der Presse selbst waren die Vorschläge zu wenig weitgehend, während sich der SZV namentlich gegen die beabsichtigte Regelung des Verhältnisses zwischen Redaktoren und Verlegern wandte. Er trat für die bisherige vertragliche Praxis ein. Auf dieser Basis wurde eine Teilrevision des für Presseleute der deutschen und italienischen Schweiz geltenden Kollektivvertrages ausgehandelt, der insbesondere Verbesserungen beim Kündigungsschutz sowie eine Neuordnung der Stellung der freien Journalisten gegenüber dem Verleger bringt [6].
Im personellen Bereich der Zeitungen waren zwei Chefredaktorenwechsel von lnteresse: bei der «Basler Zeitung» ging Gerd H. Padel in Pension und wurde durch Hans-Peter Platz ersetzt, während bei der «Neuen Zürcher Zeitung» Hugo Bütler auf Anfang 1985 zum Nachfolger des bisherigen Chefredaktors Fred Luchsinger bestimmt wurde. Die «Basler Zeitung» stellte im Herbst auf schweizerisches Normalformat um und wertete im redaktionellen Teil das Wirtschaftsressort auf. Das «Vaterland» verzichtete in Absprache mit der Parteizentrale in Bern auf den Untertitel «CVP-Zentralorgan», ersetzte ihn durch «Schweizerische Tageszeitung» und entschied sich zur Rückkehr zu einer konservativen Frontseitengestaltung. Nach Erklärungen von Chefredaktor Schlapp sind Parteiblätter überholt; das «Vaterland» soll jedoch der Partei verbunden bleiben und gemäss der Maxime «tolerant — wertkonservativ — christlich» gestaltet werden. Die institutionelle Distanzierung von der CVP hat offenbar auch für Regionalausgaben zu gelten. Der «Vaterland»-Verlag Maihof AG, der nur die Hälfte der Verlagsrechte der katholischen «Solothurner Nachrichten» besitzt, entschied sich für die Liquidierung dieses Titels und für eine «Vaterland-Regionalausgabe Solothurn» [7].
 
[6] Bericht BR: BBl, 1983, III, S. 799 ff.; Presse vom 27.8.83; NZZ, 3.9.83. Vorlage der NR-Kommission: Presse vom 16.11.83; vgl. SPJ, 1979, S. 165; 1980, S. 160 und 1981, S. 164. Die PTT beschloss im übrigen eine Erhöhung der Zeitungstransporttaxen auf den 1.3.1984; vgl. Bund, 13.12.83. Kritik: Presse vom 27.8.83 und 16.11.83; NZZ, 3.10.83; 14.11.83; BaZ, 18.11.83. Kollektivvertrag: NZZ, 28.11.83.
[7] «Basler Zeitung»: SGT, 24.3.83; TA, 24.3.83; 1.11.83; BaZ, 27.8.83. «Neue Zürcher Zeitung»: NZZ, 26.10.83; TA, 26.10.83. «Vaterland»: LNN, 19.5.83; 1.7.83; Vat., 19.5.83; TA, 27.5.83; NZZ, 2.7.83; SZ, 2.7.83; H. Schlapp, Die Tageszeitung « Vaterland». Eine Standortbestimmung, Luzern 1984. Publikationen allgemeiner Art zu Pressefragen: C. Schmid, Gratisanzeiger und Pressewettbewerb. Verfassungsrechtliche und wettbewerbsrechtliche Betrachtungen zur Gratisverteilung von Presseerzeugnissen, Bern 1983; H. Fehr, Dufourstrasse 40. Ein Stück Basler Zeit(ungs)geschichte, Basel 1983 ; L. de Meuron, Lettre ouverte à certains journalistes du palais fédéral et à quelques autres ou défense de l'autorité, Neuenburg 1983.