Année politique Suisse 1984 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Verbände und übrige Interessenorganisationen
Unternehmer
Aus den Stellungnahmen der Dachverbände von Industrie und Handel liess sich ein recht grosses Mass von Zufriedenheit mit den bestehenden innenpolitischen Verhältnissen entnehmen. Allerdings gelte es, so wurde betont, dafür Sorge zu tragen, dass die im internationalen Vergleich noch vorwiegend günstigen Rahmenbedingungen keinesfalls verschlechtert würden. Die Hauptakzente ihrer Politik setzten die Wirtschaftsverbände dementsprechend unverändert auf die Straffung der Staatsausgaben, die Verhinderung einer weiteren Ausdehnung der staatlichen Regelungsdichte und die Bekämpfung von Vorstössen, welche den Dispositionsspielraum der Unternehmer einzuschränken versuchen (z.B. die Volksinitiativen über die Energieversorgung oder die Tierversuche) oder ihnen neue Belastungen zu bringen drohen. Geradezu symbolhaften Charakter für das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Staat nahm die Auseinandersetzung über die vom Bundesrat vorgeschlagene und vom Parlament in stark abgeschwächter Form gutgeheissene Innovationsrisikogarantie (IRG) an. Mit der Abdeckung des finanziellen Risikos privatwirtschaftlicher Entscheide mischt sich der Staat nach Ansicht der Unternehmer in deren ureigenen Belange ein und richtet — trotz anerkanntermassen guter Absichten — aufdie Dauer mehr Schaden als Nutzen an. Der
Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins (SHIV) ergriff deshalb, gemeinsam mit dem Gewerbeverband, das Referendum gegen die IRG. Grossen Wert legten die Wirtschaftsverbände weiterhin auf die Schaffung günstiger Bedingungen für die Exportwirtschaft. Dazu gehört ihrer Meinung nach der Einsatz der schweizerischen Aussenpolitik zugunsten des Abbaus von Handelshemmnissen jeglicher Art, dann aber auch der Ausbau der Instrumente der Exportfinanzierungshilfen. Der staatliche Einsatz in diesem letzteren Bereich sei international üblich und dürfe im Interesse der Konkurrenzfähigkeit schweizerischer Exporteure auch bei uns nicht vernachlässigt werden
[5].
Nach zehnjähriger Amtsdauer trat auf Ende 1984 Fritz Halm altershalber als Präsident des
Zentralverbands schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen zurück und wurde durch den Aargauer Ständerat Hans Letsch (fdp) abgelöst
[6].
Die Art ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit bringt es mit sich, dass die Interessenorganisation der Banken, die
Schweizerische Bankiervereinigung, mehr als andere Branchenverbände im Spannungsfeld der Politik steht. Gerade im Berichtsjahr war dies mit dem Entscheid des Souveräns über die sozialdemokratische Volksinitiative «gegen den Missbrauch des Bankgeheimnisses und der Bankenmacht» ausgesprochen der Fall. Nach dem deutlichen Sieg in einem mit grossem persönlichem und finanziellem Einsatz ausgetragenen Abstimmungskampf sah sich die Bankiervereinigung in einer Position der Stärke und versuchte — bisher allerdings ohne grosse Wirkung — diese bei der Ausarbeitung eines Vorentwurfs für ein revidiertes Bankengesetz auszuspielen. Ihrer Meinung nach hatte der Stimmbürger nicht bloss der sozialdemokratischen Initiative als ganzer eine klare Abfuhr erteilt, sondern auch allen darin aufgeworfenen Einzelfragen. Eine unmittelbar nach dem Urnengang vorgenommene Meinungsumfrage zeigte jedoch, dass zwar nur wenige eine grundlegende Veränderung des Bankensystems wünschen, hingegen einzelne Neuerungen (z.B. Einlagenversicherung) durchaus von einer Mehrheit begrüsst würden
[7].
In Opposition zu den bundesrätlichen Vorstellungen befand sich die Bankiervereinigung ferner in bezug auf den Anwendungsbereich der Preisüberwachung. Dieser soll sich gemäss dem Gesetzesentwurf auch auf die Zinsen erstrecken und tangiert damit die Interessen der Banken unmittelbar. Die erwähnten ordnungspolitischen Einwände des Vororts gegen die vom Parlament verabschiedete Innovationsrisikogarantie vermochten die Bankiers nicht zu teilen und sahen deshalb von der Unterstützung des Referendums ab. Grundsätzlich einverstanden war man ebenfalls mit dem in die Vernehmlassung gegebenen Vorentwurf des EJPD für eine rechtliche Regelung der Insiderproblematik
[8].
Das politische Hauptanliegen der Dachorganisation des Gewerbes bestand auch1984 in der Erhaltung eines möglichst grossen Handlungsspielraums der privaten Unternehmen gegenüber dem Staat. Am deutlichsten manifestierte der
Schweizerische Gewerbeverband (SGV) diese Politik mit der Ergreifung des Referendums gegen die Innovationsrisikogarantie, welche die Bereitstellung von Risikokapital für kleine und mittlere Unternehmen mit Bundesmitteln erleichtern will. Eher aussergewöhnlich war hingegen, dass der SGV mit der Unterstützung des Referendums gegen das neue Eherecht bei einem gesellschaftspolitischen Thema eine führende Rolle übernahm. Der Entscheid, ob man sich dem von Nationalrat Blocher (svp, ZH) angeführten überparteilichen Komitee anschliessen wolle, fiel zwar deutlich aus, war aber keineswegs unbestritten, gehören doch mit Ständerat Kündig (cvp, ZG) und Nationalrat Früh (fdp, AR) zwei prominente SGVVorstandsmitglieder zu den Befürwortern der Eherechtsreform. Im Rahmen der verbandsinternen Meinungsbildung nahm beispielsweise der Textildetaillistenverband gegen ein Referendum Stellung, unter anderem weil er davon negative Auswirkungen auf das Ansehen des Gewerbes bei den Konsumentinnen befürchtete. Die Gegner der Reform begründeten ihre Haltung hauptsächlich mit der ihrer Meinung nach ungenügenden Rücksichtnahme des neuen Gesetzes auf spezifisch gewerbepolitische Belange wie etwa die Erbfolge. Daneben spielten aber auch Einwände gegen die als fragwürdig apostrophierte gesellschaftspolitische Stossrichtung der Revision eine Rolle
[9].
Nur vier Jahre nachdem er die Nachfolge Otto Fischers angetreten hatte, reichte M. Kamber auf Ende 1984 die Kündigung als Direktor des SGV ein, um sich dem Aufbau eines eigenen Geschäftes zu widmen. Auf Vorschlag des Vorstandes ersetzte ihn die Gewerbekammer durch Peter Clavadetscher. Dieser war bisher namentlich als Geschäftsführer des Aargauischen Gewerbeverbandes sowie diverser Berufsverbände in Erscheinung getreten
[10].
[5] L. von Planta, Die Schweiz im wirtschaftlichen Spannungsfeld (Präsidialansprache an der Delegiertenversammlung des SHIV vom 14.9.1984), Zürich 1984; SHIV/Vorort, Jahresbericht, 114/1983-84, S. 9 ff.; E.F. Hoffmann in wf, Dok., 38, 17.9.84. Vgl. auch oben, Teil I, 4 a (Wirtschaftssystem ; Strukturpolitik) und 2 (Mesures de soutien à l'exportation). Für einen Abbau der tarifarischen und nichttarifarischen Handelshemmnisse setzte sich mit einem Zwölfpunkteprogramm zuhanden des Bundesrates auch die Vereinigung des schweiz. Import- und Grosshandels (VSIG) ein (NZZ, 25.1.84; VSIG, Jahresbericht, 1983-84, S.16 f.; vgl. auch SPJ, 1983, S. 225 f.).
[6] NZZ, 28.11.84; TA, 20.12.84; SAZ, 51/52, 20.12.84.
[7] Zu Volksabstimmung und Bankengesetzrevision vgl. oben, Teil I, 4b (Banken); Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht, 72/1983-84, S. 7 f., 42 ff. und 58 ff.; Vox, Analyse der eidgenössischen Abstimmung vom 20. Mai 1984, Zürich 1984, S. 15 ff. Am Bankiertag trat BR Stich mit einem recht angriffigen Referat auf (BaZ, 6.10.84; O. Stich, «Gardinenpredigt an die Schweizer Bankiers», in Rote Revue, 63/1984, Nr. I1, S. 3 ff.).
[8] Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht, 72/1983-84, S. 118, 129 ff. und 133 ff. sowie oben, Teil I,4a (Strukturpolitik; Wettbewerbspolitik) und 4 b (Banken).
[9] SGV, Geschäftsbericht, 105/1984, S. 7, 22 (IRG) und 75 f. (Eherecht); siehe auch oben, Teil I, 4a (Strukturpolitik) und 7d (Politique familiale). Zur Meinungsbildung des SGV in Sachen Eherecht vgl. Vat., 22.8.84; NZZ, 25.8.84; 29.8.84; LM, 9.10.84 und Presse vom 10.10.84. Zum politischen Credo des SGV und dessen Auswirkungen auf die eidgenössische Politik siehe ferner O. Fischer, «16 Jahre im Nationalrat», in Gewerbliche Rundschau, Nr. 1, 1984, Beilage zu Schweiz. Gewerbe-Zeitung, 52, 29.12.83.
[10] SGV, Geschäftsbericht, 105/1984, S. 7 und 22; JdG, 3.7.84; Presse vom 4.7.84; BaZ, 13.9.84; NZZ, 29.9.84; zur Wahl Kambers vgl. SPJ, 1980, S. 200. Vermutungen, dass Probleme in der Führungsstruktur zur Demission beigetragen hätten, wies SGV-Präsident Kündig kategorisch zurück (SZ, 20.7.84). Einige welsche Kantonalsektionen zeigten sich etwas verstimmt, dass die Kandidatur des stellvertretenden Direktors A. Oggier — er wäre der erste französischsprachige Geschäftsleiter des SGV gewesen — nicht berücksichtigt wurde (LM, 9.10.84).
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