Année politique Suisse 1984 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit / Geld und Währung
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Geldpolitik
Wie bereits in den beiden vorangegangenen Jahren gelang es der Nationalbank auch 1984, das Wachstum der Geldmenge im Bereich der angepeilten Zielgrösse zu halten. Mit der Ausdehnung der bereinigten Notenbankgeldmenge um 2,6% wurde einerseits der konjunkturellen Erholung Rechnung getragen und andererseits der Aufbau eines Inflationspotentials weitgehend vermieden. Dass das effektive Wachstum dieser Richtgrösse geringfügig unter dem angekündigten Wert von 3% blieb, wurde mit Blick auf die Teuerungsbekämpfung sowohl von der verantwortlichen Behörde als auch von Wissenschaftern positiv beurteilt. Nach Ansicht eines prominenten Vertreters der letztgenannten Kreise hätte die Expansion sogar noch restriktiver erfolgen müssen. Im Einvernehmen .mit der Landesregierung beschloss das Direktorium der Nationalbank, auch für 1985 eine dreiprozentige Ausdehnung der bereinigten Notenbankgeldmenge anzustreben, wobei es dieses Ziel ausdrücklich als Richtgrösse verstanden haben möchte [1].
Die Frage, ob die Nationalbank einen Gewinnanteil an den Staat abliefern soll, hat sich in den letzten Jahren zu einem Dauerthema der helvetischen Politik entwickelt. Nachdem die grosse Kammer im Vorjahr in diese Richtung zielende Postulate überwiesen hatte, führte die Landesregierung mit der Nationalbankleitung diesbezügliche Gespräche. Von seiten der Nationalbank wurde darauf aufmerksam gemacht, dass eine zusätzliche Gewinnausschüttung geldmengenpolitische Auswirkungen hätte, die durch Restriktionen im Geldschöpfungsprozess für die private Wirtschaft kompensiert werden müssten. Ferner wurde betont, dass damit die Budgetdisziplin der politischen Behörden untergraben würde, und die Nationalbank eines Teils ihrer Autonomie verlustig ginge. Dies namentlich deshalb, weil, wie Beispiele aus andern Ländern (BRD) bzw. andern Bereichen (PTT) zeigen, die Politiker in der Regel dahin tendierten, Gewinnablieferungen nicht als einmaligen Zuschuss zu betrachten, sondern vielmehr als feste Grösse in die Budgetplanung aufzunehmen. Trotz ihrer grundsätzlichen Gegnerschaft erklärte die Nationalbank schliesslich, dass sie es verantworten könnte, dem politischen Druck nachzugeben und für 1984 300 Mio Fr. auszuschütten. Die Bundesbehörden zeigten an diesem Angebot allerdings wenig Interesse. Dazu beigetragen hat sicher nicht zuletzt die Verfassungsbestimmung (Art. 39 BV), dass von einem allfällig zu verteilenden Überschuss lediglich ein Drittel an den Bund, zwei Drittel hingegen an die Kantone auszurichten sind. Somit konnte die Nationalbank den Ertragsüberschuss von rund 2,3 Mia Fr. (ohne Buchgewinne aus Währungsrelationsverschiebungen) zum Grossteil dem Konto «Rückstellungen für Währungsrisiken» gutschreiben, dessen Stand sich auf 10,8 Mia Fr. erhöhte [2].
Auf Ende 1984 trat Fritz Leutwiler als Präsident des Direktoriums der Nationalbank zurück. Während seiner zehnjährigen Amtszeit hatte der im In- und Ausland angesehene Leutwiler nicht nur die Nationalbankpolitik wesentlich geprägt, sondern auch versucht, sie einem breiteren Publikum verständlich zu machen. Die Wahl von Vizepräsident Pierre Languetin zu seinem Nachfolger entsprach den Erwartungen und erregte höchstens insofern Aufsehen, als damit erstmals ein Romand auf diesen Posten gelangte. Umstrittener gestaltete sich jedoch die Wahl eines neuen Mitglieds des dreiköpfigen Direktoriums. Von den beiden bankinternen Kandidaten erhielt schliesslich der dem Freisinn nahestehende Hans Meyer den Vorzug vor dem Sozialdemokraten Kurt Schiltknecht. Dies führte bei der SPS, die noch nie einen Vertreter im höchsten Nationalbankgremium stellen konnte, aber auch bei einem Teil der Presse zu Mutmassungen, dass parteipolitische Überlegungen den Ausschlag gegeben hätten [3].
 
[1] Von den einzelnen Geldmengenaggregaten nahm M1 um 2,7% zu, M2 wuchs um 7,8% und M3 um 7,1% (SNB, Geschäftsbericht, 77/1984, S. 7 und 23 ff.). Zur Geldmengenexpansion vgl. J. Niehans in Bund, 16.2.84, ferner NZZ, 15.12.84. Allgemein zu der laut eigener Einschätzung pragmatisch monetaristischen Politik der Nationalbank siehe E. Baltensberger, Geldmengenpolitik und lnfationskontrolle, Diessenhofen 1984 (in Kurzfassung als Beilage zu Die Volkswirtschaft, 57/1984, Nr. 2) sowie NZZ, 10.10.84. Zur Konjunkturlage vgl. oben, Teil I, 4a.
[2] SNB, Geschäftsbericht, 77/1984, S. 46 ff. Postulate: SPJ, 1983, S. 74. Gespräche mit dem Bundesrat: NZZ, 29.3.84. Argumente gegen Ausschüttung: wf, Dokumentation zur Wirtschaftskunde, Nr. 80, 1984 (F. Leutwiler); vgl. auch W. Linder, «Umstrittene Nationalbankgewinne», in Schweizer Monatshefte, 64/1984, S. 768 f.; F. Schaller, «Nature d'une banque centrale: Que faire de ses bénéfices ou pertes?», in Revue économique et sociale, 42/1984, S. 211 ff. ; BaZ, 28.3.84. Angebot der SNB : NZZ, 18.8.84 ; 27.11.84. Der effektiv an die Aktionäre und die öffentliche Hand verteilte Reingewinn belief sich auf 7,6 Mio Fr. Siehe auch unten, Teil I, 5 (Finanzplan).
[3] Rücktritt: Presse vom 9.6.84. Nachfolge und Neuwahl: Vat., 3.9.84; Ww, 37, 13.9.84; NZZ, 25.10.84; Presse vom 1.11.84. Kritik an der Wahl: TA, 30.10.84; TW, 1.11.84; SMUV-Zeitung, 45, 7.1.1.84. In der NZZ wurden Befürchtungen geäussert, dass mit der Wahl eines Sozialdemokraten in dieses Gremium Ansprüche auf eine dauerhafte parteienproportionale Vertretung entstehen könnten (NZZ, 27.10.84).