Année politique Suisse 1984 : Wirtschaft / Landwirtschaft
 
Tierische Produktion
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Milchwirtschaft
Anstösse zu einer Besserstellung der kleinen und mittleren Bauernbetriebe erfolgten im Bereich der tierischen Produktion im Zusammenhang mit der Milchkontingentierung und der «Kleinbauern-Initiative». Im Hinblick auf die bevorstehende Revision des Milchwirtschaftsbeschlusses — dieser läuft 1987 aus und muss abgelöst werden — kreiste die Diskussion um die Frage der gestaffelten Milchpreise und der Lockerung der Milchkontingentierung zugunsten der Hügel- und Bergbauern, die aufgrund ihrer geographischen Lage auf die Milchproduktion angewiesen sind und nicht auf andere Produktionszweige ausweichen können. Zwei von den eidgenössischen Räten als Postulate überwiesene Motionen verlangten die Ermöglichung eines Kontingentsaustausches innerhalb der Milchverbände und die Bevorzugung von Klein- und Bergbauern bei der Vergabe freiwerdender Kontingente. Das Bundesamt für Landwirtschaft prüft ferner die Einführung eines «differenzierten Rückbehalts», wonach die Freimenge für die eingelieferte Milch angehoben werden und der Rückbehalt mit der Menge der Milch ansteigen soll. Dieser Vorschlag, dessen Realisierung die Einkommensverhältnisse der kleinen und mittleren Bauern verbessern würde, entspricht inhaltlich dem 1983 überwiesenen Postulat Nussbaumer (cvp, SO) und der noch hängigen Motion Nef (fdp, SG) [8].
Mit der Übernahme der Mehrheitsbeteiligung an einer Molkerei im aargauisch-solothurnischen Grenzgebiet führte der Grossverteiler Denner AG in eigener Regie eine Milchpreisdifferenzierung ein; Mitglieder der VKMB erhalten pro Liter eingelieferter Milch 5 Rp. mehr, ohne dass dabei die Konsumenten belastet werden [9].
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Fleisch
Die Volksinitiative «für ein naturnahes Bauern — gegen Tierfabriken (Kleinbauern-Initiative) » ist zustandegekommen ; die Firma Denner AG hatte dazu 50 000 Unterschriften beigesteuert. Es gelang der VKMB ferner, die Einwände gegen ihre Initiative weitgehend zu entkräften; mit einem an der Universität Bern verfassten juristischen Gutachten widerlegte sie die Vorwürfe des SBV, eine Verwirklichung der Forderungen würde den landwirtschaftlichen Markt spalten und damit die kleinbäuerlichen Betriebe in ihrer Existenz gefährden; vielmehr würden nach Annahme der Initiative die industriellen Betriebe nur vom Schutz, nicht aber von den Restriktionen des Landwirtschaftsgesetzes ausgeschlossen. Von SPS, POCH und UPS erhielt die Initiative Unterstützung zugesichert, nachdem diese Organisationen zum Zeitpunkt der Lancierung noch einige Bedenken vorgebracht und mit einer offiziellen Stellungnahme abgewartet hatten [10].
Weil der geltende Bundesbeschluss über die Schweizerische Genossenschaft für Getreide und Futtermittel (GGF) 1985 ausläuft, hatte der Bundesrat den eidgenössischen Räten 1982 eine Botschaft betreffend dessen Neufassung zukommen lassen. Der Nationalrat hatte im vergangenen Jahr dem Vorschlag oppositionslos zugestimmt, während der Ständerat 1984 die alle drei Jahre zur Versteigerung kommende Menge der Einzelkontingente von 10-20% auf 5-15 % kürzte und die staatlichen Kompentenzen in der Frage der Personalordnung einschränkte. Im Differenzbereinigungsverfahren unterzog sich der Nationalrat im wesentlichen den Beschlüssen des Ständerates [11].
Parallel zur laufenden Totalrevision des Lebensmittelgesetzes hatte der Bundesrat im vergangenen Jahr eine umfassende Modernisierung der aus dem Jahre 1957 stammenden Fleischschauverordnung eingeleitet. Im Vernehmlassungsverfahren sprachen sich die Mehrheit der Kantone, die Konsumentenorganisationen und die Vereinigungen aus der fleischverarbeitenden Branche für eine baldige Änderung der geltenden Ordnung aus, dagegen wandten sich CVP, SPS und SVP sowie die bäuerlichen Organisationen. Die Gegner einer Revision im gegenwärtigen Zeitpunkt wollten keine Entscheide vorwegnehmen, welche im Rahmen der Totalrevision des Lebensmittelgesetzes beraten werden. Aufgrund des mehrheitlich negativen Vernehmlassungsverfahrens beschloss das EVD, vorerst eine stark reduzierte Verordnungsänderung zu erlassen, in welcher die in der Vernehmlassung unbestrittenen Neuerungen wie die umfassende Deklarationspflicht und die Mindestanforderung an die Fleischqualität Eingang finden sollen [12].
In seiner Botschaft an das Parlament beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Initiative «für die Abschaffung der Vivisektion»; ein Gegenvorschlag sei nicht nötig, da eine konsequente und restriktive Anwendung der geltenden Tier-, Gesundheits- und Umweltschutzgesetze genüge. Der Bundesrat gestand den Initianteri zu, dass gewisse Routineuntersuchungen mit Wirbeltieren in Frage zu stellen seien und dass für bestimmte Abklärungen Alternativmethoden bestünden. Mögliche Nachteile für die medizinische Versorgung und eine befürchtete Beeinträchtigung der chemischen Industrie aber bewogen den Bundesrat zu einer ablehnenden Haltung. Beifall erntete dieser Entscheid nicht zuletzt seitens der Vertreter der chemischen Industrie, der Ärzteschaft und der Hochschulforschung, welche sich in einer Arbeitsgruppe gegen die Vivisektionsverbots-Initiative zusammengeschlossen haben [13].
 
[8] Milchkontingentierung: wf, Artikeldienst, 3, 16.1.84; IBZ, 15, 13.4.84; wf, Dok., 49, 3.12.84; 4, 28.1.85; H. Hauser unter Mitarbeit von K. Koch und F. Stahel, Die Einführung der einzelbetrieblichen Milchkontingentierung in der Schweiz, Bern 1983; R. Jörin, Ökonomische Analyse der Entscheidungen über die Steuerung des Milchmarktes. Auswirkungen auf Produzenten, Konsumenten und Bundeshaushalt, Zürich 1983. Revisionsbestrebungen: SGT, 17.3.84; IBZ,27, 6.7.84; TA, 11.7.84; 10.10.84; Bund, 28.8.84; 9.10.84. Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1500 f. (Postulat Nussbaumer); 1984, S. 1409 (Postulat Cottet, cvp, FR); Amtl. Bull. StR, 1984, S. 273 (Postulat Reymond, Ip, VD); VerhandL B.vers., 1984, I, S. 34 (Motion Berger, svp, VD); S. 66 (Motion Nef). Vgl. auch SPJ, 1983, S. 96.
[9] AT, 8-10.10.84; 18.10.84; TA, 13.10.84; 1.11.84.
[10] Gnueg Heu dune! 1984, Nr. 1, S. 9 ff. ; 24 Heures, 30.3.84; Bund, 31.3.84 ; Tell, 19, 20.9.84; BaZ, 24.10.84. Rechtsgutachten: deutschschweizerische Presse vom 18.4.84; Gnueg Heu dune! 1984, Nr. 4, S. 2 ff. SPS: SP-Information, 2.7.84; TW, 7.7.84. POCH: PZ, 4, 26.2.84; 34, 20.9.84. Vgl. auch SPJ, 1983, S. 97.
[11] BBl, 1982, I, S. 101 ff., 697 ff.; 1984, III, S. 94 ff.; Amtl. Bull. NR, 1984, S. 1154 f., 1460; Amtl. Bull. StR, 1984, S. 275 ff., 513 f., 593; Bund, 14:6.84; 27.9.84; NZZ, 14.6.84; 14.8.84; 25.9.84; 27.9.84; Vr, 14.6.84; BaZ, 25.9.84. Vgl. auch SPJ, 1983, S. 98.
[12] SHZ, 6, 9.2.84; BaZ, 26.6.84; NZZ, 26.6.84. Vgl. SPJ, 1983, S. 98.
[13] BBl, 1984, II, S. 885 ff.; Presse vom 1.6.84. Initiativgegner: TA, 24.2.84; NZZ, 29.6.84. Allgemein zur Vivisektion: NZZ, 11.7.84; 7.12.84; Vorwärts, 29/30, 19.7.84: Siehe auch SPJ, 1983, S. 98 f.