Année politique Suisse 1984 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
Finanzpolitik
Die Bemühungen um eine dauerhafte Sanierung der Bundesfinanzen prägen nach wie vor die Finanzpolitik. Der neue Finanzminister, Otto Stich, zeigte sich hinsichtlich der Realisierung dieses Zieles optimistischer als sein Amtsvorgänger. Nach dem Legislaturfinanzplan 1985-1987, der zu Beginn des Jahres 1984 der Bundesversammlung vorgelegt wurde, könnte der Bundeshaushalt schon 1986 wieder in ein Gleichgewicht gebracht werden, vorausgesetzt, dass Parlament und z.T. auch Volk und Stände dessen Vorschlägen Gefolgschaft leisten. Im Falle von Abweichungen vom Finanzplan ohne entsprechende Kompensationen wies der Bundesrat auf die Gefahr einer neuerlichen Öffnung der Schere zwischen Einnahmen- und Ausgabenentwicklung hin. Hartnäckiger als sein Amtsvorgänger pochte O. Stich vor den eidgenössischen Räten auf die Realisierung des Finanzplans, so beispielsweise in der Frage der Kompensation von Mehrleistungen des Bundes im Strassenbereich durch die Kantone, welche vom Ständerat und der nationalrätlichen Kommission abgelehnt wurde, oder bei der Ausschaltung der Taxe occulte, die er mit einer generellen Neuregelung der Warenumsatzsteuer (WUST) unter Einbezug der Dienstleistungen verknüpfte.
Die Sanierung des Bundeshaushaltes hat nach dem Legislaturfinanzplan primär über
Sparmassnahmen zu erfolgen (Mehreinnahmen für 1986: 480 Mio Fr.; Minderausgaben 1080 Mio. Fr.), nachdem die Einführung einer Mehrwertsteuer vom Souverän bereits zweimal abgelehnt und weitere Einnahmen wie beispielsweise die Bankkundensteuer vom Parlament 1983 verworfen worden waren. Die Betonung der Sparpolitik wird namentlich von den bürgerlichen und Rechtsparteien gefordert, welche das Ausmass der Staatstätigkeit reduzieren möchten; die politische Linke hingegen unterstützt den Bundesrat vor allem bei seinen Bestrebungen, neue Einnahmequellen zu erschliessen. Die vorgeschlagenen Sparmassnahmen zielen zur Hauptsache auf eine Lastenverschiebung vom Bund auf die Kantone ab. Diese haben sich bereit erklärt, eine Mehrbelastung von rund 500 Mio Fr. zu übernehmen, die ihnen durch die Aufgabenneuverteilung, die Aufhebung der Kantonsanteile an den Alkohol- und Stempelabgaben und das Anschlussprogramm erwüchsen; einer Beteiligung am Defizit des regionalen Personenverkehrs der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) in der Höhe von 200 Mio Fr., wie sie der Kompensationsbeschluss vorschlägt, sagten sie jedoch ihren entschiedenen Widerstand an
[1].
Dass eine Sanierung der Bundesfinanzen wünschenswert, aber keineswegs oberstes Ziel der Bundesfinanzpolitik zu sein habe, ist die Meinung der Studiengruppe «Bundesfinanzpolitik» der CVP. In einer 1984 publizierten Broschüre folgte sie weitgehend dem Legislaturfinanzplan; bezüglich des Kompensationsbeschlusses teilte sie jedoch den Standpunkt der Kantone. Neben Sparanstrengungen erachtete sie ferner eine grundlegende Reform der Warenumsatzsteuer (WUST) für unumgänglich; die daraus resultierende Mehrbelastung der Bürger sei — auch im Vergleich zum Ausland — zu verantworten
[2].
Den Legislaturfinanzplan für die Jahre 1985 bis 1987, der die
Finanzplanung des Bundes für die laufende Legislaturperiode festlegt, unterbreitete der Bundesrat den eidgenössischen Räten zusammen mit dem Bericht zu den Richtlinien der Regierungspolitik 1983-1987. Auf das Jahr 1986 kann nach diesem Plan erstmals seit 15 Jahren ein Budgetausgleich erwartet werden, vorausgesetzt, dass das Wirtschaftswachstum gleichmässig und inflationsarm verläuft, dass die Ausgabenbemessung sparsam fortgeführt wird (bei einem Wachstum von 3-4%) und dass die zahlreichen Entlastungsmassnahmen realisiert werden. Am Ende des Jahres waren bereits die beiden Verkehrsabgaben — die Autobahnvignette und die Schwerverkehrsabgabe — gesichert, welche zusammen Mehreinnahmen von schätzungsweise 350 Mio Fr. bringen, und die ebenfalls 1984 beschlossene Aufhebung des halbjährlichen Teuerungsausgleichs für das Bundespersonal, die die Bundeskasse um etwa 30-50 Mio Fr. entlasten wird. Noch eine gewisse Unsicherheit besteht für die weiteren Entlastungsmassnahmen: Einige Teile des 1. Pakets zur Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen (Einsparungen für die Bundeskasse zusammen mit dem 2. Paket: 180 Mio Fr.) und die definitive Aufhebung der Kantonsanteile an den Stempelabgaben sowie die Neuverteilung des Reinertrags der Alkoholverwaltung (420 Mio Fr.) müssen noch von Volk und Ständen genehmigt werden; die Einsparungen, welche das Anschlussprogramm bringen sollte, wurden vom Parlament 1984 bereits um 54 Mio Fr. auf 320 Mio Fr. gekürzt. Heftig umstritten sind im weiteren die Kompensation der Strassenausgaben durch die Kantone (200 Mio Fr.) und die Unterstellung aller Energieträger unter die Warenumsatzsteuer (250 Mio Fr.). Sollten alle diese vom Bundesrat vorgeschlagenen Entlastungsmassnahmen realisiert werden, würden nach dem Legislaturfinanzplan bereits 1986 Minderausgaben von 1080 Mio Fr. und Mehreinnahmen von 480 Mio. Fr. einen Einnahmenüberschuss von 30 Mio Fr. herbeiführen. Noch bevor das Parlament zu diesem Finanzplan in der Sommersession Stellung nahm, begann das EFD mit den Arbeiten am Finanzplan 1986/87 — einer Überprüfung des Legislaturfinanzplanes für die beiden erwähnten Jahre — und an den über die Legislatur hinausreichenden Haushaltperspektiven 1988. Der entsprechende Bericht wich vom Legislaturfinanzplan nur geringfügig ab und wurde dem Parlament zusammen mit dem Voranschlag des Bundes für das Jahr 1985 zur Kenntnisnahme vorgelegt
[3].
[1] BR Stich: Bund, 29.2.84; Ww, 15, 12.4.84; Finanz und Wirtschaft, 31, 18.4.84; NZZ, 25.4.84; 7.11.84; SZ, 12.7.84; Wir Brückenbauer, 42, 17.10.84. Ausmass der Staatstätigkeit: wf, Kurzinformationen; 8, 25.2.84; 19, 7.5.84; NZZ, 29.4.84; 2.6.84 (F. Leutwiler); BaZ, 11.9.84. Vgl. ferner Vat., 17.1.84;18.1.84; 20.1.84; Bilanz, 1984, Nr. 1; NZZ, 29.2.84. Siehe auch SPJ, 1983, S. 84 f.
[2] CVP Schweiz, Dokumentation zur Bundesfinanzpolitik, Bern 1984; TA, 15.9.84; Vat., 27.9.84.
[3] BBl, 1984, I, S. 266 ff. ; Bericht zum Finanzplan für die Jahre 1986/87 und zu den Haushaltperspektiven 1988 vom Oktober 1984; Amtl. Bull. NR, 1984, S. 736 ff.; 808 ff.; 924 f. ; Amtl. Bull. StR, 1984, S. 227 ff. ; 372 f. ; Presse vom 27.1.84; 6.6.84; wf, Kurzkommentare, 5, 30.1.84; 22, 28.5.84; 43, 22.10.84; 47, 19.11.84; TA, 19.6.84; 20.10.84; Coop-Zeitung, 34, 23.8.84; Finanz und Wirtschaft, 84, 24.10.84; wf, Artikeldienst, 48, 26.11.84. Zu den Regierungsrichtlinien siehe oben, Teil I, 1c, Regierung). Vgl. auch SPJ, 1983, S. 90.
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