Année politique Suisse 1984 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Einnahmen
Von den im Finanzplan vorgeschlagenen neuen Einnahmen wurden 1984 die Autobahnvignette und die Schwerverkehrsabgabe realisiert; mit seiner Zustimmung zur Einführung dieser beiden Strassenabgaben lässt der Souverän der Bundeskasse ab 1985 nichtzweckgebundene Mehreinnahmen von jährlich rund 350 Mio Fr. zukommen [4].
Bezüglich der Unterstellung sämtlicher Energieträger unter die Warenumsatzsteuer (WUST) herrschte vor allem Uneinigkeit über die Verwendung des auf 400 Mio Fr. geschätzten Bruttoertrags. Bundesrat sowie CVP, SP und die Arbeitnehmerorganisationen wollten die Erträge der Energie-WUST, wie es der Legislaturfinanzplan vorsieht, ab 1987 hauptsächlich für die Sanierung der Bundeskasse verwenden; nach Abzug der Ausgaben zur Förderung der Energieforschung würde diese Massnahme den Bundeshaushalt um rund 250 Mio Fr. entlasten. Die bürgerlichen Parteien und die Arbeitgeberverbände stellten sich hinter die 1981 gebildete Studienkommission Heimann, welche vorschlug, mit der Energie-WUST die Steuerausfälle, die eine Eliminierung der Taxe occulte mit sich brächte, zu kompensieren [5].
Zusätzliche Einnahmen, die im Finanzplan zwar nicht aufgeführt sind, über deren Erschliessung jedoch seit Jahren diskutiert wird, werden durch eine teilweise Ablieferung der Gewinne der Schweizerischen Nationalbank (SNB) erwartet. Nachdem sich die SNB bisher geweigert hatte, mit ihren Gewinnen zur Reduktion der Defizite der öffentlichen Haushalte beizutragen, signalisierte sie nach einem Gespräch mit dem Bundesrat die Bereitschaft, für 1984 300 Mio Fr. auszuschütten. Der Bundesrat zeigte sich jedoch an diesem Angebot wenig interessiert, da gemäss den Bestimmungen des Verfassungsartikels über die Nationalbank (Art. 39 BV) den Kantonen zwei Drittel, dem Bund hingegen nur ein Drittel der ausgeschütteten Summe zukommen würde. Um in einem grösseren Ausmass an den Nationalbankgewinnen teilhaben zu können, will der Bundesrat vorerst den seiner Meinung nach veralteten Ausschüttungsmodus der SNB abändern [6].
Nicht auf die Erschliessung neuer, sondern vielmehr auf eine bessere Ausschöpfung bestehender Einnahmequellen zielt die Bekämpfung der Steuerhinterziehung ab. Der Bundesrat legte 1984 einen entsprechenden Bericht vor und leistete damit einer 1982 vom Nationalrat als Postulat überwiesenen Motion der SP-Fraktion Folge. In diesem knapp 20-seitigen Bericht verwies der Bundesrat auf das bestehende gesetzliche Instrumentarium sowie die vorgesehenen Massnahmen im Rahmen des Bundesgesetzes über die Steuerharmonisierung, welches 1983 den eidgenössischen Räten vorgelegt worden war, und vertrat die Meinung, dass dieses ausreichen würde, um erfolgreich gegen die Steuerhinterziehung vorgehen zu können. Als Hauptproblem der Defraudation bezeichnete er den Personalmangel der Steuerverwaltungen aller Stufen und unterstützte deshalb den Antrag des EFD auf Erhöhung der Mitarbeiterzahl der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Die SP zeigte sich von diesem Bericht enttäuscht — er sei dürftig und wenig informativ; vor allem aber vermisste sie Schätzungen bezüglich der Höhe der undeklarierten Einkommen und Vermögen, welche sie in ihrer Motion ebenfalls verlangt hatte [7].
Das Bundesgesetz über den Ausgleich der kalten Progression bei der direkten Bundessteuer verpflichtet den Bundesrat, bei der Steuer vom Einkommen der natürlichen Personen die Tarifstrukturen, den Rabatt und die Sozialabzüge an die Teuerung anzupassen, wenn diese seit dem 1. Januar 1982 oder seit der letzten Anpassung 7% erreicht hat; für die Veranlagungsperiode 1985/1986 ist zudem unabhängig davon eine Anpassung vorzunehmen. Mit einer Verordnung kam der Bundesrat 1984 diesem Auftrag nach, indem er für 1985/86 eine Teuerung von 7,7% ausglich. Der Bundeskasse werden dadurch für die Jahre 1986 und 1987 Einnahmenausfälle von je 350 Mio Fr. entstehen [8].
Im Vernehmlassungsverfahren zum Bericht der Studienkommission Heimann über die Eliminierung der Taxe occulte hatten sich im vergangenen Jahr die bürgerlichen Parteien und die unternehmerfreundlichen Verbände für das vorgeschlagene Revisionspaket ausgesprochen, während die politische Linke, die Arbeitnehmer- und die Konsumentenorganisationen gegen die Vorlage opponierten; sie erachteten die zugestandene Notwendigkeit einer Beseitigung der Investitionsbesteuerung für weniger dringend als die Sanierung des Bundeshaushalts, die durch die Ausmerzung der Taxe occulte und den damit verbundenen Einnahmenausfall von 1,1 Mia Fr. ernsthaft gefährdet wäre. Die neuen Einnahmen, welche die Kommission zur Kompensation dieser Ausfälle nannte — die Erstreckung der WUST auf alle Energieträger (+ 400 Mio Fr.) und die volle Belastung der baulichen Leistungen (+ 425 Mio Fr.) sowie der Treibstoffzollzuschläge (+ 75 Mio Fr.) —, sollten nach der Meinung der Opponenten mindestens teilweise der Bundeskasse zu Sanierungszwecken zufliessen. Diese Meinung vertrat auch der Bundesrat, der das Finanzdepartement beauftragte, neue Varianten zur WUST-Reform zu prüfen; nicht zuletzt auch deshalb, weil die von der Kommission Heimann als Kompensation vorgesehene Energie-WUST bereits im Finanzplan für das Jahr 1987 als Einnahmenposten von 250 Mio Fr. figuriert. Der Nationalrat überwies hingegen eine Richtlinienmotion, nach welcher noch in der laufenden Legislaturperiode eine Botschaft über die Beseitigung der Taxe occulte zu erstellen sei, d.h. dass die WUST-Reform ohne weiteren Verzug und mit dem Ziel der Beseitigung der Investitionssteuer an die Hand zu nehmen sei. Der Ständerat verweigerte diesem Vorstoss allerdings seine Unterstützung, weil er zuerst die Veröffentlichung des Vernehmlassungsberichtes abwarten wollte [9].
 
[4] Ausführliche Darstellung der Verkehrsabgaben unten, Teil I, 6b (Generelle Verkehrspolitik); siehe auch BaZ, 2.1.84; 17.4.84; SHZ, 1, 5.1.84; 7, 16.2.84; 50, 13.12.84; NZZ, 14.1.84; 17.4.84; 28.8.84; Bund, 18.1.84; SGB, 2.2.84; BBl, 1984, I, S. 1353 ff. sowie Presse vom 27.2.84 (Ergebnisse der Abstimmung). Vox, Analyse der eidgenössischen Abstimmung vom 26.2.84, Zürich 1984; Presse vom 15.9.84 (Ausführungsbestimmungen); vgl. ferner SPJ 1983, S. 85. Zu den Reaktionen des Auslandes auf die Einführung der beiden Abgaben: siehe oben, Teil I, 2 (Relations économiques bilatérales) wie auch Ww, 9,1.3.84; NZZ, 27.3.84;11.5.84; TA, 18.12.84. Im Januar 1985 wurden zwei Volksinitiativen lanciert, welche die ersatzlose Streichung der Autobahnvignette und der Schwerverkehrsabgabe verlangen (BBl, 1985, I, S. 507 ff.; 510 ff.; NZZ 25.11.84).
[5] BaZ, 3.8.84; NZZ, 23.8.84. Vgl. auch unten (Taxe occulte) sowie SPJ, 1983, S. 86 und 88.
[6] LNN, 22.3.84; Bund, 24.3.84; NZZ, 29.3.84; 18.8.84; 31.8.84; 22.11.84; 27.11.84; Finanz und Wirtschaft, 26, 31.3.84; Presse vom 20.8.84; BZ, 21.8.84; BaZ, 23.8.84 (Reaktionen der Parteien auf das Angebot der SNB); SHZ, 34, 23.8.84; Ww, 34, 23.8.84; Bilanz, 1984, Nr. 12. Vgl. auch oben, Teil I, 4b (Nationalbank) sowie SPJ, 1983, S. 74.
[7] BBl, 1984, I, S. 121 ff.; Amtl. Bull. Nr, 1982, S. 529 f.; LNN, 7.1.84; Presse vom 21.2.84; BaZ, 22.2.84; Finanz und Wirtschaft, 15, 22.2.84; SHZ, 8, 23.2.84; BZ, 6.3.84; Ww, 37, 13.9.84. Siehe auch SPJ, 1969, S. 83; 1977, S. 86.
[8] BaZ, 10.5.84; NZZ, 11.5.84. Da das Bundesgesetz von 1983 über den Ausgleich der kalten Progression nahezu alle Forderungen einer 1983 eingereichten Volksinitiative erfüllt hatte, wurde dieses Volksbegehren zurückgezogen: BBl, 1984, I, S. 41; NZZ, 18.2.84. Vgl. auch SPJ, 1983, S. 87.
[9] Amtl. Bull. NR, 1984, S. 738 ff.; 817 f.; Amtl. Bull. StR, 1984, S. 372 f.; Presse vom 4.1.84 (Vernehmlassungsergebnisse zum Bericht der Kommission Heimann); 4.12.84; TA, 16.4.84; 19.6.84; 29.11.84; NZZ, 25.4.84; 23.8.84; wf, Dok., 23, 4.6.84; AT, 21.6.84; wf, Kurzkommentare, 26, 25.6.84; 50, 10.12.84; SHZ, 27, 5.7.84; SP-Information, 167, 16.7.84; BaZ, 3.8.84. Vgl. auch oben, Teil I, 1c (Regierung). Siehe auch SPJ, 1983, S. 88.