Année politique Suisse 1984 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
 
Agglomerationsverkehr
Eine eigentliche Wiedergeburt erlebte der öffentliche Agglomerationsverkehr. Politisch geprägt waren die neuen Anstrengungen durch eine tarifpolitische Massnahme beider Basel, mittels eines verbilligten «Umwelt-Abonnements» die Attraktivität von Tram und Bus zu steigern. Angeboten wird eine Monatskarte für 35 Fr., die unpersönlich ist und im Tarifverbund unbeschränkt Gültigkeit hat. Damit wurde der bisherigen Preispolitik im öffentlichen Verkehr, die jeweils auf Taxerhöhung basierte, eine politische Offensive gegenübergestellt. Sie zeigte bereits nach sechs Monaten nachhaltige Wirkungen. So nahm das Volumen der öffentlichen Verkehrsmittel nach einigen Jahren der Stagnation um rund 10% zu. Begleitet wird die Tendenz durch ein gebremstes Wachstum des privaten Verkehrs im Raume Basel [11].
Dieser umweltpolitisch motivierte Vorstoss fand in zahlreichen Städten eine rasche Nachahmung. So führte Bern auf Jahresende einen persönlichen «Umweltpass» ein, der jährlich mit 580 000 Fr. aus öffentlichen Mitteln subventioniert wird. Zürich präsentierte dagegen eine von linker Seite kritisierte kaufmännische Variante, muss doch die nur für das Stadtnetz eingeführte unpersönliche «Regenbogenkarte» ihre Kosten durch Neueinnahmen aus dem gesteigerten Verkehrsvolumen voll decken. Die Renaissance beim öffentlichen Agglomerationsverkehr begünstigte eine Reihe von Infrastrukturmassnahmen. Praktisch in allen grösseren Städten wurden neue Linien gebaut, das bestehende Fahrplanangebot verdichtet und vernetzt sowie neues Rollmaterial in Betrieb genommen. Übergeordnete politische Instanzen verhielten sich vorläufig abwartend; in allen kantonalen Parlamenten ausserhalb Basels wurden Vorstösse für Umwelttarife abgelehnt [12].
Das eidgenössische Parlament schloss die Beratung über die Einzelinitiative Bratschi (sp, BE) zur Regelung des privaten Verkehrs in Agglomerationen ab. Im Zentrum der nötig gewordenen Differenzbereinigung stand die Frage, unter welchen Bedingungen der Verkehr und das Parkieren in Wohnquartieren, insbesondere für Pendler, eingeschränkt werden dürfen. Nach anfänglichen Widerständen schloss sich die grosse Kammer der Haltung des Ständerates und des Bundesrates an. Im wesentlichen werden nur der Schutz der Bewohner vor Lärm und Luftverschmutzung sowie Gründe der Verkehrsregelung respektive -sicherheit anerkannt. Von einer eigentlichen Privilegierung der Anwohner wird in der von beiden Räten einstimmig gutgeheissenen Version abgesehen, hingegen sollen differenzierte Parkgebühren zulässig sein [13].
 
[11] BaZ, 1.2.84; TA, 21.2.84; 31.8.84; Ww, 8, 23.2.84; vgl. auch SPJ, 1983, S. 112. Grundsätzliches: LITRA, Jahresbericht, 1983/84, S. 8 ff.; Ww, 8, 23.2.84; TW, 2.6.84.
[12] Bern: Presse vom 15.9.84; TW, 28.12.84. Zürich: TA, 16.8.84 (politische Kontroverse: NZZ, 7.6.84; Vr, 8.6.84). Kantone: TA, 2.5.84; SZ, 19.7.84; 24 Heures, 7.12.84. Im Kanton Zürich lancierten der VCS und der Schweiz. Eisenbahnerverband als Reaktion eine kantonale Initiative «Pro öffentlicher Verkehr» (Vr, 12.10.84). Bund: Gesch.ber., 1984, S. 314.
[13] Amtl. Bull. NR, 1984, S. 2 ; S. 443 ; Amtl. Bull. StR, 1984, S. 105 ; S. 153 ; Presse vom 6.3.84 und 14.3.84. Vgl. auch SPJ, 1983, S. 112.