Année politique Suisse 1984 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
Raumplanung
Die Schwierigkeiten der Kantone bei der Erstellung der
Richtpläne zum Bundesgesetz über die Raumplanung (RPG) wurden 1984 manifest. Obwohl am Ende des Berichtsjahres die Fünfjahresfrist zur Einreichung der kantonalen Richtpläne ablief, kamen nur Graubünden, Solothurn und Zürich dieser Pflicht nach. Die übrigen 23 Kantone ersuchten den Bundesrat um eine Fristerstreckung von fünf Monaten bis mehr als drei Jahre ; als Gründe für die Verzögerung wurden eine Unterschätzung des Zeitaufwandes für die planerische Arbeit sowie Personalmangel angegeben. Der Bundesrat verlängerte die Frist zur Ablieferung der kantonalen Richtpläne um maximal zwei Jahre und stellte für den Fall des Nichteinhaltens dieser Zusatzfrist Subventionskürzungen in Aussicht
[1].
Auf die
Dringlichkeit der Raumplanung angesichts des fortschreitenden Kulturlandverlustes verwies der Schweizerische Bauernverband (SBV), der mit einer Eingabe an den Bundesrat eine sofortige Verstärkung der raumplanerischen Vollzugsvorschriften zur Sicherung der Fruchtfolgeflächen verlangte. In einem Handbuch, das den kantonalen Sektionen als Leitfaden für die Mitarbeit bei der Erstellung der Richtpläne zugestellt wurde, plädierte der SBV für die Rückzonung von landwirtschaftlich genutztem Boden in überdimensionierten Bauzonen und für den besonderen Schutz lebensfähiger Bauernbetriebe innerhalb von Bauzonen (mittels sogenannter «Bauernhofzonen»); er regte im weiteren an, zu prüfen, ob die für die Ernährungssicherung wichtigen Fruchtfolgeflächen auf ähnliche Weise geschützt werden könnten wie die Wälder. Besorgnis über die zunehmende Zweckentfremdung von landwirtschaftlichem Kulturland bekundete auch der Bundesrat bei der Beantwortung von zwei Interpellationen aus bäuerlichen Kreisen. Er erachtete jedoch grundsätzlich das RPG mit seinen Instrumenten für ausreichend, um den Schutz des Kulturlandes zu gewährleisten, sobald die Richt- und vor allem die Nutzungspläne der Kantone erstellt seien
[2].
Indiz für das wachsende Unbehagen eines Grossteils der Bevölkerung gegenüber der «Verbetonierung der Landschaft» ist die vermehrte Desavouierung von behördlichen Vorschlägen betreffend Bauvorhaben und Zonenplanrevisionen. Innerhalb von elf Monaten wurden beispielsweise in Lausanne drei Zonenpläne abgelehnt, welche «zur Steigerung der wirtschaftlichen und wohnlichen Qualität» Neubauten vorsahen. Umzonungsvorhaben von Grün- in Bauzonen wurden ferner in den Städten Basel, Bern und St. Gallen verworfen. Auffallend bei dieser Opposition gegen die Neubau- und Überbauungspläne der Behörden ist, dass sich diese fast ausschliesslich aus Kreisen der grünen und kleinen Linksparteien sowie der betroffenen Quartierbevölkerung rekrutiert
[3]. Nationales Aufsehen erregten zwei Abstimmungen über Umzonungsvorlagen in der Innerschweiz, welche von den Stimmenden zugunsten der Erhaltung von Grünflächen entschieden wurden
[4].
[1] Vat., 12.1.84; TA 13.1.84; BBl, 1984, I, S. 222 f. (Regierungsrichtlinien); NZZ, 30.3.84; 27.7.84; SGT, 17.8.84; Presse vom 18.12.84; Raumplanung, Informationshefte, (Bundesamt für Raumplanung) 12/1984, Nr. 2, S. 3 f. ; 13/1985, Nr. 1, S. 3 f. Die Planungsarbeiten der Kantone BE, BS, LU, SH, SO, TG, TI und UR wurden vom Bund bereits vorgeprüft. Vgl. auch Amt für Raumplanung des Kantons Zürich, Siedlungsstruktur, Zürich 1983; P. Gresch, «Die Behandlung räumlicher Konflikte in der Richtplanung», in Dokumente und Informationen zur Schweizerischen Orts-, Regional- und Landesplanung (im folgenden abgekürzt als DISP), Nr. 76, 1984, S. 59 ff ; M. Lendi, «Raumplanung Schweiz — ein bleibender Auftrag», in DISP, Nr. 76, 1984, S. 5 f.; ders., Recht und Politik der Raumplanung, Zürich 1984. Siehe ferner SPJ, 1983, S. 119.
[2] Raumplanung, Informationshefte, 12/1984, Nr. 1, S. 6 ff.; Nr. 4, S. 6 f.; Presse vom 10.2.84; IBZ, 29/30, 20.7.84; NZZ, 7.8.84; 10.10.84; 7.12.84; Aktuelles Bauen, 19/1984, Nr. 11, S. 35 ff.; 42 f.; Amtl. Bull. NR, 1984, S. 1433 ff. (Reichling, svp, ZH) ; Amtl. Bull. StR, 1984, S. 459 ff. (Gerber, svp, BE); Blätterfür ein neues Bodenrecht, Heft 22, 1984. 1983 wurden von 11 000 Gesuchen um eine Baubewilligung ausserhalb der Bauzonen 9350 stattgegeben ; der BR appellierte deshalb an die Kantone, das RPG restriktiver anzuwenden und den Kulturlandverschleiss zu stoppen (Presse vom 13.7.84); vgl. auch Aménagement du territoire et utilisation du sol. Évolution passée et schémas prospectifs de l'utilisation du sol en Suisse, No. 50, Zürich 1984; U. Beeler, Die widerrechtliche Baute, Zürich 1984. Siehe ferner SPJ, 1983, S. 119 f.
[3] DISP, Nr. 74, 1984, S. 8 ff; Raumplanung, Information, 1985, Nr. 1, S. 7 ff. Basel: Giomicostrasse (BaZ, 28.1.84); 27.11.84; 3.12.84); knapp abgelehnt wurde hingegen eine Initiative zur Einreihung der Liegenschaften des sogenannten Bachletten-Dreiecks in die Schutz- und Schonzone (BaZ, 29.2.84; 28.9.84; 28.11.84; 3.12.84). Bern: Brünnen (Bund, 5.9.84; 11.9.84; 14.9.84; 24.9.84; 14.11.84); angenommen wurde auch eine Initiative zur Erhaltung der «Inneren Enge» (Bund, 27.4.84; 15.9.84; 24.9.84); heftige Diskussionen provozierte ferner ein Vorschlag zur Neugestaltung des «Klösterli-Areals », welcher in einer Volksabstimmung abgelehnt wurde (Bund, 8.5.84; 11.5.84; 21.5.84; Ww, 20, 17.5.84). Lausanne: Saint-François Sud (24 Heures, 5.12.83; 13.1.84),; Grand Saint-Jean (24 Heures, 5.4.84; 25.4.84; 21.5.84); Terreaux Jumelles (24 Heures, 13.9.84; 24.10.84; 29.10.84). St. Gallen: Remishueb (SGT, 24.9.84). Die Zürcher Stimmbürger und -bürgerinnen genehmigten die Hochhaus-Initiative, welche ein Bauverbot für Hochhäuser links der Limmat bewirkte, und hiessen eine Vorlage gut, die für das Gebiet der Hohen Promenade eine Schutzzone festsetzte (NZZ, 24.9.84). Vgl. auch A. Garnier, Les nouvelles cités dortoirs. L'expansion de la maison individuelle périurbaine, Lausanne 1984.
[4] Revision des Zonenplans in Kehrsiten (NW): LNN, 1.4.84; Vat., 10.1.84; 11.1.84 ; Die Wochen-Zeitung, 4, 27.1.84. Umzonungsplan der Schweiz. Paraplegikerstiftung in Risch (ZG): LNN, 28.11.84; 3.12.84; 4.12.84.
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