Année politique Suisse 1984 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
 
Bodenrecht
Ebenfalls als grüne Protestmanifestation gegen die Bodenpolitik der Behörden und gegen ein ungenügendes Bodenrecht, wenn auch verbunden mit einem ausländerfeindlichen Anliegen, können die 837 987 Ja-Stimmen zur Initiative der Nationalen Aktion (NA) «gegen den Ausverkauf der Heimat» verstanden werden. Für eine ökologische Unterstützung dieser Vorlage sprachen sich im Vorfeld der Abstimmung die Föderation der Grünen Parteien (GPS) und ihr nahestehende Organisationen sowie LdU, EVP und SPS aus; von der letztgenannten plädierten jedoch zehn Kantonalparteien für ein Nein zur Initiative. Mehr aufgrund der Gemeinsamkeit ihrer xenophoben Ideologie befürworteten die Parteien der extremen Rechten die NA-Forderung. Die bürgerlichen Bundesratsparteien hingegen lehnten die Initiative geschlossen ab; sie erhofften sich vom Gegenvorschlag des Bundesrates, dem Bundesgesetz über den Erweb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG), eine mässigere Reduktion des Grundstückverkaufs an Ausländer, welche ihrer Meinung nach den Bedürfnissen der Berggebiete Rechnung trägt. Dezidiert als ausländerfeindlich verworfen wurde die NA-Initiative von den kleineren Linksparteien [5]. In der Volksabstimmung scheiterte das NA-Begehren klar am Ständemehr (7 3/2 : 13 3/2). Weniger eindeutig war hingegen das Volksmehr (837 987: 874 964); der hohe Ja-Stimmenanteil war namentlich auf die zustimmenden Mehrheiten der bevölkerungsreichen Stände Aargau, Baselstadt, Bern, St. Gallen und Zürich zurückzuführen. Zum Teil deutlich verworfen wurde die Initiative in der am Tourismus interessierten Innerschweiz und in Graubünden sowie in den traditionell föderalistisch stimmenden welschen Kantonen; der Anteil der Nein-Stimmen bewegte sich in der Westschweiz zwischen 64 und 84% (Wallis). Eine Nachanalyse ergab, dass von den Gegnern der Initiative 42% ihre Ablehnung mit der Zufriedenheit mit dem bestehenden Zustand oder den von der Lex Friedrich in Aussicht gestellten Reformen begründeten; 17% gaben ferner Angst vor negativen wirtschaftlichen Auswirkungen als Gründe für ihre Gegnerschaft an. Unter den Befürworten stellte die Untersuchung ferner 40% fremdenfeindlich und 24% ökologisch begründete Meinungsbekundungen fest [6].
Mit der Ablehnung der Initiative «gegen den Ausverkauf der Heimat» war der Weg frei für die Anwendung des im Jahr 1983 von den eidgenössischen Räten verabschiedeten Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG). Der Bundesrat schickte eine entsprechende Verordnung in die Vernehmlassung, welche — dem knappen Ausgang der Abstimmung über die NA-Initiative Rechnung tragend — die gesetzlich möglichen Höchstkontingente nicht voll ausschöpfte : Für die Jahre 1985/86 sind je 2000 Verkaufsbewilligungen für Ferienwohnungen und Wohneinheiten in Apparthotels vorgesehen. Die Herabsetzung der Kontingente geht in erster Linie zulasten der Fremdenverkehrkantone Bern (–30), Graubünden (–70), Tessin (–45), Waadt (–40) und Wallis (–95); diese waren denn auch, ausgenommen Bern, mit der Verordnung nicht einverstanden. Trotzdem wurde sie zusammen mit dem BewG auf 1985 in Kraft gesetzt [7].
Bereits ein Jahr nach der Einreichung der «Stadt-Land-Initiative gegen die Bodenspekulation» beschloss der Bundesrat, das Volksbegehren dem Parlament mit dem Antrag auf Ablehnung und ohne Gegenvorschlag zu unterbreiten. Gestützt auf den Bericht einer Arbeitsgruppe unter der Leitung des Direktors des Bundesamtes für Raumplanung Baschung teilte er zwar mit den Initianten deren Grundgedanken, die Förderung des Eigengebrauchs von Grundeigentum, er verwarf jedoch deren konkrete Zielsetzung, die seiner Meinung nach zu stark eigentumorientiert und raumordnungshemmend sei und den Bodenmarkt spalte. Der Bundesrat beauftragte darauf das EJPD, einen Bericht zur Weiterentwicklung des Bodenrechts zu verfassen, welcher der Botschaft zur Initiative im Herbst 1985 zugrunde gelegt werden könne. Die Initianten widersprachen den Argumenten des Bundesrates, die sie für oberflächlich und lückenhaft hielten: die Initiative sei weder einseitig eigentumorientiert noch vernachlässige sie die Interessen der Mieter und Pächter; vielmehr würden auch die Nichteigentümer davon profitieren, wenn der Bodenmarkt von Kapitalanlegern und Spekulanten befreit sei; ferner sei das Volksbegehren nicht raumordnungshemmend, sondern weise ein differenziertes und rechtlich griffiges Planungsinstrumentarium auf. Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Bergbevölkerung, welche die Stadt-Land-Initiative nicht unterstützte, sondern ihre Hoffnungen in eine Revision des Bundesgesetzes zur Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes setzte, veröffentlichte Thesen zur Revision des Bodenrechts und berücksichtigte dabei besonders die Probleme der Berg- und Randregionen [8].
 
[5] NZZ, 3.4.84; 16.4.84; 26.4.84; 3.5.84; 17.5.84 (Parolenübersicht); Presse vom 4.4.84 (Parolenfassung der SPS); 19.4.84 (Polemik der FDP gegen die Ja-Parole der SPS); Schweizer Illustrierte, 16, 16.4.84 (Umfrage); Vr., 12.4.84 (Begründung der SPS-Parole); 11.5.84; BZ, 21.4.84; 27.4.84; TA, 24.4.84; 9.5.84; PZ, 54, 19.10.84; Ww, 19, 10.5.84 (Umfrage); Bund, 12.5.84; wf, Dok. 20, 14.5.84.
[6] Presse vom 21.5.84; 27.7.84; BBl. 1984, II, S. 989; Vox, Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 20.5.84, Zürich 1984. Vgl. auch SPJ, 1983, S. 121.
[7] AS, 1984, S. 1148 ff.; Presse vom 30.5.84; 2.10.84; vgl. auch J.-D. Delley u.a., Grundstückerwerb durch Ausländer in der Schweiz, Bern 1984 und SPJ, 1983, S. 121 f. Das Kantonsgericht von Obwalden schützte die behördlich verordnete Liquidation von zwei Firmen, deren Haupttätigkeit in Umgehungsgeschäften der Lex Furgler bestanden hatte; das beschlagnahmte Geld floss den Kassen des Kantons und der Gemeinde Giswil zu (Vat., 19.12.84; TA, 20.12.84). Aufsehen erregten auch die Strafanklagen gegen den Genfer Volkswirtschaftsdirektor Borner (fdp) wegen verschiedener Verstösse gegen die Lex Furgler (JdG, 17.1.84; 16.-20.2.84; 3.3.84; 17.3.84; 18.3.84; 13.4.84; 18.4.84; VO, 15, 12.4.84; 16, 19.4.84; TA, 18.4.84); vgl. dazu auch die Interpellation Ruffi (sp, VD): Amtl. Bull. NR, 1984, S. 1945 f.
[8] Presse vom 5.7.84; BZ, 6.7.84; Vr., 6.7.84; NZZ, 14.7.84; 12.9.84; 28.9.84; L. Theiler, «Zum Bericht Baschung: Wie Experten eine vorgefasste Meinung begründen», in Blätter für ein neues Bodenrecht, Nr. 21, 1984, S. 11 ff. ; ebenda, S. 19 ff. (Pressespiegel). Vgl. auch das Nationale Forschungsprogramm «Nutzung des Bodens in der Schweiz», welches sich kurzfristig mit bodenrechtlichen Fragen, besonders mit der «Stadt-Land-Initiative», beschäftigt und längerfristig die Erfassung der nutzungs- und besiedlungsmässigen Entwicklung der Schweiz anstrebt. Siehe ferner Schweiz. Arbeitsgemeinschaft für die Bergbevölkerung, Thesen der SAB zum Bodenrecht und der Raumplanung, Brugg 1984; Blätter für ein neues Bodenrecht, Nr. 19, 1984, S. 2 ff. (Kurzfassung der SAB-Thesen); R. Meier / W. Hungerbühler, Raumplanung und Landwirtschaft: Eine empirische Untersuchung über die Bauernhöfe in der Bauzone, Brugg 1983 (weiterführende Untersuchung zu den Thesen der SAB). Vgl. auch SPJ, 1983, S. 122.