Année politique Suisse 1984 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
 
Wohnen
Die Zahl der neuerstellten Wohnungen in den Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern stieg gegenüber 1983 um 6,3 % auf 14 074 Einheiten und kompensierte somit den Rückschlag, den der Wohnungsbau im Vorjahr erlitten hatte. Ein weiteres Ansteigen der Bautätigkeit ist hingegen nicht zu erwarten, wurden doch 1984 6,9% weniger Baubewilligungen erteilt (insgesamt 14 819) als 1983; stark rückläufig dürfte der Wohnungsbau in Gemeinden mit 5-10 000 Einwohnern sein, wo sich die Zahl der Baubewilligungen um 22,6% verringerte. Demgegenüber stieg der Leerwohnungsanteil weiter leicht an: 1984 standen im Durchschnitt 0,8% (1981: 0,5%) der Wohnungen leer. In den 5 Grossstädten betrug die Leerwohnungsziffer jedoch nur 0,38%; knapp 2/3 der leerstehenden Wohnungen umfassen 3-4 Zimmer [9].
In Grossstädten mit einem unterdurchschnittlichen Leerwohnungsbestand (Bern: 0,28%, Genf: 0,19%, Zürich: 0,34%) hielten die zum Teil militanten Auseinandersetzungen zwischen Wohnungssuchenden und Häuserbesitzern an [10]. Auf die spezielle Wohnungsnot der Jugendlichen machten der Verein für Jugendhilfe in Zürich und der Verband der Schweizerischen Studentenschaften (VSS) aufmerksam; die Sektionen des letzteren forderten die jeweiligen Kantonsregierungen auf, für die Studierenden verbilligten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Im Kanton Genf und in der Stadt Neuenburg wurden gegen die Opposition der bürgerlichen Parteien zwei mieterfreundliche Vorlagen angenommen, während im Kanton Bern eine sozialdemokratische Gesetzesinitiative zur Wohnbauförderung abgelehnt wurde [11].
Das Investorenverhalten auf dem schweizerischen Wohnungsmarkt war der Gegenstand einer im Auftrag des Bundesamtes für Wohnungswesen erstellten Untersuchung. Die Autoren nennen als Hauptmotiv für die Investition die Anlage von langfristig verfügbaren finanziellen Mitteln, welche eine mit andern Anlagen vergleichbare Rendite erzielen und den Wert langfristig steigern; typische Endinvestoren legen ihr Geld zu 80% im Wohnungsbau an. Insofern also die Kapitalanlage das Hauptmotiv für den Wohnungsbau ist, sind Lage und Art der Wohnungen für die Investoren weniger von Bedeutung und tragen den Bedürfnissen der Mieter nur selten Rechnung. Im Wohnungsimmobilienmarkt stellen die Verfasser der Studie einen erheblichen Nachfrageüberhang fest, der sich nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die berufliche Vorsorge ab 1. Januar 1985 noch verstärken dürfte [12].
Im Rahmen der Aufgabenneuverteilung zwischen Bund und Kantonen beantragte der Bundesrat dem Parlament die Abänderung der Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen betreffend die Wohnbauförderung, um diese, mit Ausnahme der Wohnbausanierung in den Berggebieten und der Bauforschung, den Kantonen überlassen zu können. Während der Ständerat der Vorlage bereits 1983 zugestimmt hatte, überwogen in der grossen Kammer die Stimmen von Seiten der Linksparteien, der LdU-EVP-Fraktion und der Mehrheit der CVP, die mit der Föderalisierung einen Leistungsabfall im sozialen Wohnungsbau der finanzschwachen Kantone befürchteten. Auch ein erneuertes Festhalten des Ständerates an der Kantonalisierung der Wohnbauförderung konnte den Nationalrat nicht dazu bewegen, auf die Vorlage des Bundesrates einzutreten [13].
Als Folge des erhöhten Einsatzes von finanziellen Mitteln zur Stärkung der Wirtschaft war die Zahl der Gesuche um Wohnbauförderungskredite im Jahr 1983 auf 6000 angestiegen (in den früheren Jahren betrug die durchschnittliche Zahl der Gesuche 2500). Diese Steigerung der Nachfrage setzte sich 1984 fort, so dass die jährlich freigegebene Summe von 250 Mio Fr. — der Bundesrat hatte den Vierjahreskredit von 1,14 Mia Fr. kontingentiert — bald aufgebraucht war; alle seit dem Juli 1984 eingegangenen Gesuche mussten zurückgestellt werden. Nationalrat Meizoz (sp, VD) forderte daher mit 74 Mitunterzeichnenden den Bundesrat auf, die für 1985 bestimmte Kredittranche bereits 1984 freizugeben und dem Parlament eine Rahmenkredit zu unterbreiten, der die ordentliche Durchführung des Wohnbauförderungsgesetzes bis Ende 1986 sichere. Die Motion wurde als Postulat überwiesen. Nachdem sich die eidgenössischen Räte bezüglich der Kantonalisierung der Wohnbauförderung nicht hatten einigen können, beauftragte der Bundesrat das EVD mit der Ausarbeitung eines neuen Rahmenkredits von 3 Mia Fr. [14].
 
[9] Bautätigkeit: Schweizerische Bauwirtschaft in Zahlen, Ausgabe 1984, hrsg. vom Schweizerischen Baumeisterverband, Zürich 1984; Die Volkswirtschaft, 58/1985, S. 211 ff.; Leerwohnungen: Die Volkswirtschaft, 57/1984, S. 672 ff.; NZZ, 24.8.84; BaZ, 28.8.84. Weitere Wohungsstatistiken: NZZ, 11.4.84; 18.4.84; 8.5.84; 16.6.84; 27.9.84; Bundesamt für Statistik, Eidgenössische Volkszählung 1980, Band 5: Gebäude. Gemeinden, Bern 1984; dass., Eidgenössische Volkszählung 1980, Band 6: Wohnungen I. Teil: Hauseigentum, Ausstattung, Belegung. Gemeinden, Bern 1984; dass., Eidgenössische Volkszählung 1980, Band 7: Wohnungen II. Teil: Raumzahl, Wohnfläche, Wohndichte, Besitzverhältnisse, Mietpreis. Gemeinden, Bern 1984. Vgl. auch Schweiz. Hauseigentümerverband, Wohnwirtsch0 1984 und SPJ, 1983, S.
[10] Bern: In einem besetzten Haus an der Villettenmattstrasse entstand das autonome Kulturzentrum «Zaff» (Bund, 19.5.84; 23.5.84; TW, 21.5.84; TA, 29.5.84; Die Wochen-Zeitung, 23, 8.6.84), Frauen besetzten eine Liegenschaft an der Gutenbergstrasse und errichteten ein Frauenzentrum (Bund, 3.9.84; 21.9.84; 9.10.84; TW, 4.9.84; 5.11.84; Die Wochen-Zeitung, 36, 7.9.84); siehe ferner TW, 12.10.84; 26.10.84; Bund, 18.10.84; 26.10.84. Genf: Suisse, 1.12.84; VO, 49, 6.12.84. In GE kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der Immobilien- und Baubranche und der Regierung wegen der restriktiv gehandhabten Baubewilligungspraxis (Suisse, 5.-7.6.84; JdG, 7.6.84; 9.6.84; Ww, 25, 21.6.84). Zürich: Stauflacher (Vr., 9.1.84; 12.1.84; 13.1.84; 17.1.84; 10.8.84; 28.8.84; 28.11.84; TA, 10.1.84; 13.1.84; 14.1.84; 18.1.84; 23.1.84; 11.5.84; 19.11.84; Zürcher Presse, 11.1.84; 19.7.84; NZZ, 11.12.84), Badenerstrasse (NZZ, 10.1.84; 13.1.84; Vr., 22.10.84), Riedlistrasse (Zürcher Presse vom 8.6.84; NZZ, 9.6.84; 27.6.84).
[11] Verein für Jugendwohnhilfe: NZZ, 27.4.84; 26.6.84; TA, 8.5.84. VSS: VSS, Dossier « Wohnungssituation der Studierenden», Juni 1984; ferner: 24 Heures, 20.9.84 (Lausanne); BaZ, 12.12.84 (BS); NZZ, 12.12.84, 20.12.84 (ZH); Suisse, 20.12.84 (FR); siehe auch LNN, 19.12.84 wie auch unten, Teil I, 8a (Hochschulen). Initiative über die gerichtliche Regelung von Mieterfragen in GE: NZZ, 17.9.84; Suisse, 18.9.84; VO, 38, 20.9.84; JdG, 24.9.84; vgl. auch Fédération des associations de quartiers et d'habitants, Crise du logement. Réponse au rapport du Conseil d'Etat: « Logement à Genève, politique du Conseil d'Etat »-1983, Genève 1983. Initiative der PdA für eine soziale Wohungspolitik in NE: VO, 3, 19.1.84; 7, 16.2.84; 9, 1.3.84; 46, 15.11.84; FAN, 22.2.84; 27.2.84; LM, 17.11.84. SP-Initiative zur Förderung und Erhaltung von preisgünstigen Wohnungen (Berner Presse vom 25.1.84; 16.2.84 ; 27.2.84). Zu den Diskussionen über den Wohnanteilsplan (WAP) der Stadt ZH siehe TA, 26.1.84 ; 9.5.84; NZZ, 26.1.84; 8.5.84; 18.5.84; Blätter für ein neues Bodenrecht, Nr. 23, 1985. Vgl. auch Ch. Wyss, «Wohnraumluxussteuer — Skizze einer Idee zur besseren Verteilung des vorhandenen Wohnraumes», in Blätter für ein neues Bodenrecht, Nr. 20, 1984, S. 3 ff.
[12] J. Hübschle / M. Herbst / K. Eckerle, Investorenverhalten auf dem schweizerischen Wohungsmarkt, unter besonderer Berücksichtigung gruppen- und regionenspezifischer Merkmale, Bern 1984;BaZ, 19.9.84; BZ, 19.9.84; NZZ, 16.10.84. Vgl. auch A. Müdespacher, « Wohnungsmarkt und Wohneigentum, Erfahrungen der 70er und 80er Jahre», in DISP, Nr. 75, 1984, S. 36 ff.; H. Haldimann, «Pensionskassen und Wohnungsmarkt. Warum die zweite Säule den Mietzins in die Höhe treibt», in TAM, 7, 18.2.84 (vgl. dazu auch die beiden überwiesenen Postulate Wick, cvp, BS, und Bundi, sp, GR: Amtl., Bull. NR, 1984, S. 1919 ff.); D. Merrinad / J. Vicari, Handbuch MER, Methode zur Ermittlung der Kosten der Wohnungserneuerung, Bern 1984; E. Poltier, Énergie, Transports, Logement, Lausanne 1983; M. Bassand / G. Chevalier / E. Zimmermann, Politique et logement, Mise en oeuvre d'une politique fédérale d'incitation à la construction de logements sociaux, Lausanne 1984; Th. G. Guggenheim, Die Wohnsiedlung « Bleiche» in Worb, Beispiel einer Mitwirkung der Bewohner bei der Gestaltung ihrer Siedlung und ihrer Wohnungen, Bern 1984; M. Arend / W. Schlegel, Räumliche Verteilung von Wohnbevölkerung und Arbeitsplätzen. Einflussfaktoren, Wirkungsketten, Szenarien, Bern 1984.
[13] Amtl. Bull. NR, 1984, S. 116 ff.; 1257; Amtl. Bull. SIR, 1984, S. 444 ff; SZ, 2.3.84; NZZ, 7.3.84; 13.3.84; 19.9.84; Vat., 12.3.84; TA, 13.3.84; Presse vom 19.9.84; 28.9.84. Vgl. auch SPJ, 1983, S. 123 und oben, Teil I, 1d (Bund und Kantone).
[14] Amtl. Bull. NR, 1984, S. 1412 f; vgl. auch die als Postulat überwiesene Motion Carobbio (psa, TI): Amtl. Bull. NR, 1984, S. 428 f.; Vat., 11.7.84; TA, 14.8.84; NZZ, 4.9.84; 11.12.84; Suisse, 4.9.84; AT, 15.9.84; BaZ, 11.12.84. Bundesbeiträge für Wohnbauförderung 1975-84: Gesch.ber., 1984, S. 288. Vgl. auch SPJ, 1983, S. 123.