Année politique Suisse 1984 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
 
Mietwesen
Die Mietzinse stiegen 1984 gegenüber dem Vorjahr wieder leicht an. Die Ursachen für diese Erhöhung (+ 2,7%) liegen nicht nur bei den Neubauten, deren Mietzins durchschnittlich fast doppelt so hoch ist wie jener von Alt-Wohnungen, sondern auch bei den renovierten und modernisierten Wohnungen älteren Datums. Eine Untersuchung über das Mietwesen in der Schweiz bezeichnete die Wohnversorgung allgemein als günstig: Die durchschnittliche Mietbelastung beträgt 18% des Einkommens und 9/10 der Mieterhaushalte verfügen über ausreichende bis grosszügige Räumlichkeiten. Allerdings verwies die Studie auch auf eine relativ klar abgrenzbare Gruppe von Menschen, für welche diese positive Einschätzung nicht zutrifft: Haushalte mit 4 oder mehr Personen (das sind 12% aller Mieter) leiden oft unter beengten Wohnraumverhältnissen, was namentlich auf die einseitige Grössenstruktur des schweizerischen Mietwohnungsbestandes — das Vorherrschen von 3-4-Zimmerwohnungen — zurückzuführen ist. Ferner sind Haushalte mit niedrigen Einkommen (insbesondere alleinstehende Pensionierte und jüngere oder grössere Haushalte) von einer übermässigen Mietbelastung betroffen; diese Gruppen, welche zusammen 30% aller Mieter ausmachen, müssen mehr als 1/5 ihres Einkommens für die Miete aufwenden [15].
Einen Vorschlag zur Stabilisierung der Mietkosten präsentierte die Arbeitsgruppe der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung unter dem Vorsitz von Nationalrätin Kopp (fdp, ZH). Ausgehend davon, dass die Schweiz den höchsten Mieteranteil Europas aufweist (70%), dass ein Mangel an preisgünstigen Wohnungen herrscht und dass infolge des rar gewordenen Bodens das Einfamilienhaus nicht mehr eine unproblematische Wohnform darstellt, schlug sie ein Modell von Mieteigentum («Locacasa») vor, welches Elemente der bestehenden Eigentums- und Mietordnung in sich vereinigt: Lokale Stiftungen sollen Liegenschaften mit Mieteigentum erwerben und dieses zu kostendeckenden Zinsen vermieten, wobei sich die Mieter mit einem zinslosen Darlehen von 10-50% an den Anlagekosten zu beteiligen haben. Das Darlehen dient der Mässigung der Mietzinse und garantiert den Mietern Schutz vor Kündigung sowie ein stabiles Mietzinsniveau (ausgenommen die Schwankungen des Hypothekarzinses). Die Kündigungsfreiheit des Mieters, nicht aber jene des Vermieters, soll gewährleistet bleiben; bei einem etwaigen Auszug aus der Liegenschaft ist für den Mieter eine Beteiligung an der Wertsteigerung «seiner» Wohnung entsprechend der Höhe des angelegten Darlehens vorgesehen. Für die Unterhaltskosten hat die lokale Stiftung «Locacasa» aufzukommen. Die Arbeitsgruppe wies in weiteren darauf hin, dass «Locacasa»- Mieter eine Mietzinsverbilligung durch eidgenössische und kantonale Zuschüsse beanspruchen könnten. Die Idee wurde 1984 nur in Bern realisiert. Die Stadt Zürich weigerte sich, dieses Projekt finanziell zu unterstützen, da die Mieter an der Wertsteigerung der Liegenschaften beteiligt seien ; der Mieterverband seinerseits kritisierte das «Locacasa»-Modell als zu einseitig auf die Mittelschichten bezogen und vermisste demokratische Mitbestimmungsrechte der Mieter [16].
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W.S.
 
[15] Die Volkswirtschaft, 57/1984, S. 402 ff.; 890 ff.; wf, Kurzinformationen, 3, 16.1.84; 8, 20.2.84; NZZ, 16.1.84; F. Gerheuser / H.R. Hertig / C. Pelli, Miete und Einkommen 1983. Die Wohnkosten schweizerischer Mieterhaushalte, Bern 1984. Mietpreisveränderung: Schweiz. Hauseigentümerverband, Wohnwirtschaft 1984, S. 21 ff. Zur Revision des Mietrechts: BBl, 1984, I, S. 220 (Regierungsrichtlinien 1983-87).
[16] Presse vom 13.1.84; Vr., 31.7.84; TA, 11.10.84; 12.11.84; NZZ, 11.10.84.