Année politique Suisse 1984 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung
 
Bildungspolitik
In der Auseinandersetzung zwischen einer instrumentellen, arbeitsmarktorientierten Konzeption von Bildungspolitik und einer humanistischen, die auf die optimale Entfaltung der Persönlichkeit ausgerichtet ist, erhielt erstere durch die verschiedenen Sparmassnahmen des Bundes im Bildungsbereich Auftrieb. 1984 verabschiedeten die eidgenössischen Räte die «Sparmassnahmen 1984» und das erste Paket zur Aufgabenneuverteilung zwischen Bund und Kantonen, welche zusammen die Bundeskasse im Bildungssektor (Hochschulförderung, Berufsbildung, Stipendien) um 150 Mio Fr., entlasten sollten. Obwohl die Kantone angehalten wurden, die gestrichenen Beiträge auszugleichen und auch die Erziehungsdirektorenkonferenz diesbezügliche Zusicherungen gab, wurde von verschiedenen Seiten befürchtet, dass die Kantone der zusätzlichen finanziellen Belastung nicht gewachsen seien, und dass eine ernsthafte Verschlechterung der Ausbildungsqualität wie auch eine Verstärkung der kantonalen Unterschiede im Stipendienwesen drohe. Eine weitere Belastung für das Bildungswesen im Hochschulbereich stellt der Personalstopp dar, der vom Bund bereits seit 10 Jahren gehandhabt wird und in mehreren Kantonen mehr oder weniger ausgeprägt spürbar ist [1]. In dieser bildungspolitischen Situation wird weitgehend nur noch Neuerungen zugestimmt, welche für den Arbeitsmarkt relevant sind und von Unternehmerseite gefordert werden (z.B. die Einführung von Informatik). Ihren Protagonisten finden jene Kräfte, welche Bildung auf eine Spezialisierung von Menschen auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes reduzieren, im Freiburger Oekonomie-Professor W. Wittmann, der 1984 ein weiteres Mal mit der Forderung nach Eliteförderung und einer eigenfinanzierten Hochschulausbildung wie der Unterstellung des universitären Bildungssektors unter wirtschaftsliberale Grundsätze von sich reden machte [2].
In rasantem Tempo wurde die Informatik in den letzten Jahren zu einem festen Bestandteil des Bildungswesens. Heute kann Informatik im Haupt- und Nebenfach an allen Hochschulen — ausgenommen in Basel — studiert werden ; ebenso bieten sämtliche Gymnasien Informatikkurse an. Die Arbeitsgruppe «Informatik in der Berufsbildung» schlug dem BIGA in ihrem Bericht vor, Informatik möglichst bald in den Kanon der allgemeinbildenden Fächer einzubauen, allerdings ohne Erweiterung der Unterrichtszeit, und anschliessend dieses Grundwissen im Rahmen der berufskundlichen Fächer problemorientiert zu vertiefen. An verschiedenen Volksschulen laufen ferner Pilotversuche zur Einführung der Informatik auf der Oberstufe [3].
Wie schon in den vergangenen Jahren konnten Bildungsanstalten in einigen Regenerationskantonen ihr 150jähriges Bestehen feiern. In Bern benutzte die Universität diesen Anlass, mit Veranstaltungen, welche über das ganze Jahr verteilt waren, das Verständnis der Bevölkerung für ihre Belange etwas zu fördern [4].
 
[1] Bund, 21.4.84. Vgl. auch das Seminar des Verbandes der Schweizerischen Studentenschaften (VSS) über Sparmassnahmen im Hochschulbereich (NZZ, 26.11.84; Zürcher Student/in, 20, 30.11.84; VSS/UNES, Arbeitsprogramm 1984/85). Unbestritten war demgegenüber der Bundesbeschluss über die Aufhebung der Beiträge für Primarschulen (BBl, 1984, III, S. 11); vgl. SPJ, 1982, S. 143.
[2] Wittmann: Ww, 17, 26.4.84; Repliken auf Wittmann: Ww, 20, 17.5.84 (R. Deppeler); 21, 24.5.84 (A. Müller-Marzohl); NZZ, 2.6.84; 13.9.84. Zum ähnlich liegenden Vorstoss von Nationalrat Bonny siehe unten (Hochschulen): Vgl. auch Schweizer Monatshelle, 1984, Nr. 1, S. 52 ff.; Reformatio, 1984, Nr. 5, S. 361 ff.
[3] Wissenschaftspolitik, Beiheft 31, S. 5 ff.; Der Monat, 1984, Nr. 10. Informatik an Hochschulen : Cdt, 20.1.84 (Überblick); TA, 21.2.84; Ww, 40, 4.10.84. Informatik in der Berufsbildung: K. Hug in Documenta, 1984, Nr. 3, S.19 ff.; Wissenschaftspolitik, 1984, Nr.1, S. 89 ff.; Vr, 2.2.84; TA, 27.4.84; NZZ, 30.4.84. Informatik an Gymnasien und Primarschulen: Vat., 24.4.84; LNN, 8.10.84; 24.10.84; TA, 29.10.84; NZZ, 29.12.84.
[4] Bund, 29.6.84; 30.6.84; NZZ, 30.6.84; 1.7.84; TW, 10.7.84. Siehe auch: Hochschulgeschichte Berns 1528-1984, zur 150-Jahr-Feier der Universität Bern 1984, Bern 1984 (mit einem Ergänzungsband über die Dozenten der bernischen Hochschule); Mit Bärner hei ke Uni us Elfebei, Informationsschrift zum 150-Jahr-Jubliläum, Bern 1984.