Année politique Suisse 1984 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen
 
Sprachgruppen
Die Anliegen der sprachlich-kulturellen Minderheiten sollen künftig bei der Aufgabenerfüllung des Bundes vermehrt berücksichtigt werden, u.a. mit einer vom Bundesamt für Kulturpflege geschaffenen speziellen Anlaufstelle. Diese in den Richtlinien zur Regierungspolitik enthaltene allgemeine Verpflichtung präzisierte die Landesregierung in Beantwortung eines parlamentarischen Vorstosses dahingehend, dass staatliche Interventionen auf die Erhaltung des politisch-ökonomischen Rahmens ausgerichtet sein sollen, der der betreffenden Kultur die Möglichkeit gibt, sich auf natürliche Weise zu erhalten. Bundesrat Schlumpf ergänzte bei anderer Gelegenheit, dass der Staat nur subsidiär eingreifen wolle und dass insbesondere ein entsprechender Wille der Betroffenen selbst vorhanden sein müsse [9]. An diesem scheint es jedoch gelegentlich auch zu fehlen: In Graubünden wurde jedenfalls in einer Volksabstimmung die Vorlage zur Schaffung eines Instituts für rätische Forschung knapp abgelehnt, das alle drei Sprachregionen des Kantons hätte untersuchen sollen. Die neue rätoromanische Einheits-Schriftsprache Rumantsch-Grischun erhielt hingegen mit der Übersetzung des Jagdgesetzes sozusagen eidgenössische Anerkennung [10].
Die sprachliche Gleichstellung machte auch im Kanton Freiburg einen Schritt vorwärts, indem derjenige Teil eines im Vorjahr eingereichten Vorstosses vom Grossen Rat überwiesen wurde, der die gleichwertige Anerkennung des Deutschen neben dem Französischen als offizielle Sprachen des Kantons zum Inhalt hat. Die Regierung erklärte sich zur Ausarbeitung einer entsprechenden Verfassungsänderung bereit. Im weitem blieben Bemühungen aktuell, den vielzitierten Graben Deutsch-Welsch zu überbrücken. In Anlehnung an den schon seit einiger Zeit gelegentlich praktizierten Schüleraustausch über die Sprachgrenzen schlug der Kanton Genf den Austausch von jungen Beamten zwischen den Staatsverwaltungen vor [11].
 
[9] Richtlinien: BBl, 1984, I, S. 240 f. Postulat Carobbio (psa, TI) für eine genaue Umschreibung des Territorialitätsprinzips: Verhandl. B.vers., 1984, IV, S. 46; 24 Heures, 29.2.84; NZZ, 3.3.84; Lib., 3.3.84; TLM, 9.3.84. Schlumpf: Vat., 27.1.84. Publikationen zur Sprachsituation allgemein: R. Knüsel / D. Seiler (Ed.), Vous avez dit « Suisse romande»?, Lausanne 1984; K.D. McRae, Conflict and Compromise in Multilingual Societies, vol. 1: Switzerland, Waterloo (Canada) 1984; P. du Bois, « Welsch, Deutsch, Schweizerdeutsch», in Schweizer Monatshefte, 64/1984, S. 793 ff.
[10] Institut: NZZ, 21.1.84; 22.2.84; 17.5.84; 24.5.84; vgl. SPJ, 1983, S. 175, und unten; Teil II, 6g. Jagdgesetz: NZZ, 17.5.84. Publikationen zur Situation in GR: D. Thürer, «Die Bedeutung des sprachenrechtlichen Territorialprinzips für die Sprachenlage im Kanton Graubünden», in Schweiz. Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, 85/1984, S. 241 ff.; R. Viletta, «Die Rätoromanen», in Minderheiten in derl Schweiz, Zürich 1984.
[11] Freiburg: Lib., 22.9.84; 29.9.84; TA, 28.9.84; vgl. SPJ, 1983, S. 174. Genf: AT, 23.11.84. Betreffend sprachliche Minderheiten in der Bundesverwaltung vgl. das teilweise überwiesene Postulat Pini (fdp, TI): Amtl. Bull. NR, 1984, S. 403 f. und SPJ, 1983, S. 174.