Année politique Suisse 1985 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Nationale Aktion
Die nationalistische Rechte lag weiter im Aufwind, wobei ihr die verbreitete Beunruhigung über die fortgesetzte Zunahme der Drittweltflüchtlinge zustatten kam. Besonderes Aufsehen erregten die Erfolge der Vigilance in den Genfer Kantonal- und der Nationalen Aktion (NA) in den Waadtländer Kommunalwahlen. Die NA konnte auch ihr 1983 lanciertes Volksbegehren für eine Begrenzung der Einwanderung einreichen [29]. Da ihren Exponenten wegen öffentlicher Äusserungen und gewisser politischer Kontakte gelegentlich vorgeworfen wurde, sie verfolgten faschistische Tendenzen, kam es zu Verleumdungsklagen bei den Gerichten mit wechselndem Ausgang [30]. Die Politik der NA erschien überhaupt stark personifiziert, was mit einem gewissen Mangel an Kadern erklärt werden kann. Neben der väterlichen Figur V. Oehens trat der schneidige Rechtsstudent und Nationalrat M. Ruf (BE) mit provozierenden Erklärungen in den Vordergrund, so wenn er sich dem Genfer Polizeidirektor anerbot, bei der Ausschaffung abgewiesener Asylbewerber handgreiflich mitzuwirken, oder wenn er in der Fragestunde Bundesrat Furgler wegen seiner einstigen Flüchtlingspolitik zum Rücktritt aufforderte. Er erklärte sich auch für die Veröffentlichung eines vertraulichen Berichts der Bundesanwaltschaft zur Frage der Asylgewährung verantwortlich und zog damit eine Strafklage auf sich, die freilich wirkungslos blieb, da die Volkskammer die Aufhebung von Rufs Immunität verweigerte. Rufs eigenwilliges Vorgehen erntete in der Partei einige Kritik [31]. Zum eigentlichen Bruch kam es mit der Präsidentin der Genfer Sektion, Mary Meissner, die sich für die Verbreitung der NA in der Westschweiz engagiert, aber zum Missfallen der Parteileitung den französischen Nationalisten Le Pen nach Genf eingeladen hatte [32].
 
[29] Drittweltflüchtlinge: vgl. oben, Teil I, 7d (Réfugiés). Wahlerfolge: vgl. oben, Teil I, 1e (Kantonale Wahlen, Genf; Kommunale Wahlen, Lausanne); ferner Presse vom 29.10.85. Über die Vigilance vgl. L'Hebdo, 42, 17.10.85. Initiative: vgl. SPJ, 1983, S. 156 sowie oben, Teil I, 7d (Politique à l'égard des étrangers).
[30] So je eine Klage gegen J. Frischknecht wegen eines Artikels in WoZ, 1/2, 11.1.85 (NZZ, 15.2.85; Vr, 30.8.85; 29.11.85) und gegen «Schaffhauser Arbeiterzeitung» wegen eines Artikels vom 5.1.85 (SN, 20.6.85; 28.11.85). Vor der ersten Instanz war die erste erfolgreich, die zweite nicht.
[31] Ausschaffungshilfe: Presse vom 9.7.85. Rücktrittsforderung: Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1626 f.; vgl. Presse vom 1.10.85. Vertraulicher Bericht: Volk + Heimat, Nr. 16, Dez. 1984 bis Nr.4, März 1985; vgl. LM, 5.5.85. Immunität: Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1758 ff. Kritik: Bund, 2.10.85 (Oehen); BZ, 20.12.85. Zu Ruf vgl. auch Ww, 42, 17.10.85.
[32] LM, 4.4.85; Ww, 19, 9.5.85; 25, 20.6.85. Vgl. SPJ, 1984, S. 219. M. Meissner trat von allen Parteiämtern zurück.