Année politique Suisse 1985 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
 
Verwaltung
Die Bestrebungen, einen Teil der in der Stadt Bern ansässigen Verwaltung des Bundes zu dezentralisieren, scheint bei der Mehrzahl der betroffenen Beamten auf wenig Gegenliebe zu stossen. Für den Generalsekretär des federführenden Finanzdepartements, F. Landgraf, ist aber der mit dieser Massnahme erzielbare Gewinn für die Festigung der föderalistischen Staatsstruktur unbedingt höher zu bewerten als allfällige Einbussen an Effizienz und Inkonvenienzen für das Personal. Mit der Ausschreibung im Bundesblatt zuhanden der interessierten Kantone wurde nun publik gemacht, welche Ämter in erster Linie für eine Verlegung in Frage kommen. Es handelt sich um sieben Bundesämter mit Beschäftigtenzahlen zwischen 30 und 200 Angestellten und einem Total von rund 600 Personen [7].
Die erste Phase der vom Bundesrat angeordneten verwaltungsinternen Überprüfung der Effizienz (Projekt EFFI) konnte im Berichtsjahr abgeschlossen und zusammen mit dem Budget für 1986 vorgestellt werden. Dieser Teil war auf kurzfristig realisierbare Rationalisierungsmassnahmen innerhalb der einzelnen Bundesämter beschränkt. In einem zweiten Schritt wird es später darum gehen, amtsübergreifende Projekte zur Effizienzsteigerung auszuarbeiten. Mit der bis Ende 1987 zu realisierenden Einsparung von 922 Stellen, 2,3 Mio Arbeitsstunden und 17 Mio Fr. Sachausgaben wurde die Zielvorgabe erreicht. Die Einsparungen an Arbeitsstunden werden es ermöglichen, die Verkürzung der Arbeitszeit von 44 auf 42 Stunden in der Verwaltung (eine Ausnahme bildet die Zollverwaltung)'ohne zusätzliches Personal vorzunehmen. Bei der Hälfte der einzusparenden Stellen handelt es sich um den Verzicht auf ausgewiesene erforderliche neue Stellen, und die verbleibenden echt abbaubaren 474 Posten werden durch einen voraussichtlichen Neubedarf von mehr als 1000 Stellen zur Bewältigung zusätzlicher Aufgaben deutlich übertroffen [8]. Eine grosse Anzahl bürgerlicher Parlamentarier kritisiert jedoch das Projekt EFFI als unsystematisch und in seinen Zielvorgaben zu wenig anspruchsvoll. Mit der Überweisung einer Motion Ogi (svp, BE) verlangte der Nationalrat deshalb den Beizug von auswärtigen Experten zwecks Durchführung einer Gemeinkosten-Wertanalyse (GWA). Anlässlich der Budgetdebatte doppelten beide Kammern nach, indem sie einer Motion der ständerätlichen Finanzkommission mit ähnlicher Stossrichtung zustimmten. Bei beiden Begehren hatte der Bundesrat gegen die verpflichtende Motionsform plädiert. Er stimmt zwar mit dem Parlament überein, dass es sich bei der Effizienzüberprüfung in der Verwaltung um eine Daueraufgabe handelt, findet es aber ungeschickt, noch während der Realisierungsphase von EFFI ein zusätzliches Rationalisierungsvorhaben in Angriff zu nehmen. Darüber hinaus zeigt er sich gegenüber dem Beizug auswärtiger Experten nach wie vor skeptisch eingestellt. Fruchtbar sind seines Erachtens derartige Analysen lediglich in genau begrenzten Fällen, nicht aber in einem komplexen Gebilde wie der gesamten Staatsverwaltung mit all ihren politischen Implikationen und gesetzlichen Vorgaben [9]. In Teilbereichen des EMD wurde die am Modell GWA inspirierte Studie «GRAL» zum Abschluss gebracht. Unter der Voraussetzung eines gewissen Leistungsabbaus gelang es, in den zwei erfassten Abteilungen Einsparungsmöglichkeiten von rund 25% auszuweisen. Das betroffene Personal (rund 1400 Beschäftigte), dem der Verzicht auf entlassungen von vorneherein zugesichert wurde, beurteilte die Übung vorwiegend positiv [10].
Neben organisatorischen Fragen ist für die effiziente Aufgabenerfüllung in der Verwaltung auch ein ausgebautes System der Aus- und Weiterbildung von grosser Bedeutung. Im Bereich der Personalschulung scheint beim Bund der Zustand befriedigend zu sein. Nach Ansicht des Nationalrats bestehen demgegenüber bei der systematischen Kaderschulung, und dabei insbesondere auf dem Gebiet der Führungstechnik, noch grosse Lücken. Er überwies deshalb mit grossem Mehr eine Motion Bonny (fdp, BE), mit welcher vom Bundesrat diesbezügliche Verbesserungen gefordert werden. Mit der Begründung, dass derartige Massnahmen in den autonomen Gestaltungsbereich der Regierung fallen, verwandelte der Ständerat die Motion in ein Postulat [11].
Die ausserparlamentarischen Kommissionen gehören zwar nicht direkt zur Verwaltung, sie nehmen jedoch oft subsidiär deren Aufgaben wahr. Nach Ansicht der Geschäftsprüfungskommissionen beider Räte besteht die Gefahr, dass ihre Mitgliederzahl unnötig gross gehalten wird. Zudem würden sie oft auch dann weitergeführt, wenn sie mit anderen bestehenden Kommissionen zusammengelegt werden könnten, oder wenn sie Aufgaben wahrnehmen, die nicht in den Bereich des Bundes, sondern der privatwirtschaftlichen Branchenverbände fallen. Die vom Bundesrat im Zusammenhang mit der Neubestellung der ständigen Expertenkommissionen für die Amtsperiode 1985-891 vorgenommene Durchforstung ergab die Aufhebung von 14 bisherigen bei gleichzeitiger Einsetzung von 9 neuen Kommissionen. Die Reduktion der Mitgliederzahl in den grossen Kommissionen erachtet die Regierung in den meisten Fällen nicht für opportun, da sonst eine repräsentative Zusammensetzung nicht mehr gewährleistet sei. Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats zeigte sich von diesen Rationalisierungsanstrengungen nicht vollständig befriedigt und will die Frage weiter im Auge behalten [12].
Zu einem langen Seilziehen kam es im Bundesrat und dabei insbesondere zwischen K. Furgler und O. Stich um die Nachfolge des altershalber zurücktretenden Direktors der Eidg. Finanzverwaltung R. Bieri. Gewählt wurde schliesslich im Sinne einer Kompromisslösung der bisherige Leiter des Bundesamtes für Konjunkturfragen W. Jucker. Dieser war zwar nicht der Wunschkandidat O. Stichs gewesen, er gehört aber immerhin derselben Partei an [13]. Die damit entstandene Vakanz benutzte der freisinnige Ständerat Letsch (AG), um unmittelbar nach der Ablehnung der Vorlage für eine Innovationsrisikogarantie durch das Volk mit einer Motion die Aufhebung des 1979 geschaffenen Bundesamtes für Konjunkturfragen zu fordern. Die Aufgaben dieses Amtes könnten gemäss Letsch zum Teil von anderen Dienststellen, zum Teil von Hochschulinstituten und Experten wahrgenommen werden ; für die verbleibenden Tätigkeiten im Bereich der Koordinierung und Beratung der Regierungspolitik genüge wie bis 1979 ein Delegierter. Nachdem sich Bundespräsident Furgler im Verein mit Parlamentariern der CVP, der SP und der SVP diesem Ansinnen widersetzt hatte, lehnte der Rat die Motion mit 25:9 Stimmen ab [14].
 
[7] BBl, 1985, II, S. 1133 ff.; SGB, 10, 21.3.85; 29, 10.10.85 (Personal); BZ, 10.4.85; 11.4.85 (Personal und F. Landgraf). Siehe auch SPJ, 1983, S. 23 f. und 1984, S. 25. Unabhängig davon wird die Zusammenlegung der Militärpferdeanstalt (EMPFA) in Bern mit dem Eidg. Gestüt in Avanches (VD) überprüft (Gesch.ber., 1985, S. 236).
[8] Gesch.ber., 1985, S 232 f. ; Presse vom 19.10.85. Vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1052 f. und 2037 f. ; Amtl. Bull. StR, 1985, S. 261 sowie SPJ, 1984, S. 25. Siehe ferner W. Latscha, « Beratung aus der Sicht des Beratenen», in Verwaltung + Organisation, 39/1985, S. 232 ff.
[9] Amtl. Bull. NR, 1985, S. 393 (Motion Ogi) und 2040 f. (Motion der Finanzkommission); Amtl. Bull. StR, 1985, S. 638. Zum Vergleich der Modelle EFFI und GWA in der spezifischen Situation der Bundesverwaltung siehe auch NZZ, 17.12.85. Anlässlich der Beratung des Budgets 1986 akzeptierte das Parlament 210 neue Stellen (90 für die Zollverwaltung, 50 für den Schulratsbereich und 70 für die Bearbeitung von Asylfragen), die freilich innert fünf Jahren verwaltungsintern kompensiert werden müssen (Amtl. Bull. StR, 1985, S. 633 ff. und 705 ; Amtl. Bull. NR, 1985, S. 2031 ff.; vgl. auch unten, Teil I, 5, Voranschlag der Eidgenossenschaft).
[10] NZZ, 24.8.85; vgl. auch SPJ, 1984, S. 25. Die Zürcher Regierung gab eine GWA für die gesamte Kantonsverwaltung in Auftrag (NZZ, 30.11.85). Im Aargau und in Solothurn fassten die Parlamente entsprechende Beschlüsse zuhanden der Regierung, wobei im Aargau lediglich Teilbereiche untersucht werden sollen (AT, 11.12.85; SZ, 26.11.85).
[11] Amtl. Bull. NR, 1985, S. 399 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1985, S. 614 f. Siehe dazu auch H.P. Graf, «Thesen zur Aus- und Weiterbildung in der Verwaltung», in Verwaltung + Organisation, 39/1985, S. 100 f.
[12] BBl, 1985, I, S. 1329 ff. und 1356 ff.; Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1199 f. Vgl. auch SPJ, 1980, S. 24.
[13] Bund, 5.7.85; BZ, 22.8.85.
[14] Amtl. Bull. StR, 1985, S. 616 ff; vgl. dazu auch Bilanz, 1985, Nr. 12, S. 14 ff. Ein im NR eingereichtes Postulat Bremi (fdp, ZH) mit ähnlicher Stossrichtung wurde nach dem Entscheid des StR zurückgezogen (Verh. B.vers., 1985, V, S. 42 f.). Sozusagen als Retourkutsche liess sich NR Herczog (poch, ZH) von der Motion Letsch zu einem Postulat für die Aufhebung der wegen Schwächen in der Führungsstruktur ins Gerede gekommenen Zentralstelle für Gesamtverteidigung inspirieren (Verh. B.vers., 1985, V, S. 55; vgl. auch unten, Teil I, 3, Gesamtverteidigung).