Année politique Suisse 1985 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
Parlament
Die Arbeit im Parlament, namentlich im Nationalrat, ist nach wie vor geprägt durch den
Zeitmangel und den grossen Pendenzenberg. Um letzteren nicht noch weiter ansteigen zu lassen, griff namentlich während der Herbstsession Nationalratspräsident Koller (cvp, AI) im Einverständnis mit den Fraktionspräsidenten konsequent zum Mittel der sogenannten
organisierten Eintretensdebatte. Jeder Fraktion wird dabei ein Zeitbudget zugeteilt, das sie unter ihren Vertretern aufteilen kann. Als Notmassnahme wurde dieses Vorgehen weitgehend positiv beurteilt, wenn sich auch kleinere Gruppierungen, die oft ihre Positionen nicht bereits in den Kommissionsberatungen einbringen können, benachteiligt fühlten. Immerhin trugen diese Einschränkungen und andere auf das Geschäftsreglement gestützte Rationalisierungsmassnahmen wesentlich dazu bei, die Zahl der vom Parlament noch nicht zu Ende beratenen Bundesratsvorlagen innert Jahresfrist (d.h. bis zum Ende der Wintersession) von 69 auf 56 abzubauen. Die Zahl der noch nicht in die Plenumsberatung gezogenen Geschäfte reduzierte sich gar von 43 auf 26, dabei handelte es sich bei mehr als der Hälfte (15) um neue Vorlagen. Ein grosser Rückstau besteht hingegen in der Volkskammer nach wie vor bei den persönlichen Vorstössen
[15].
Nachdem der Nationalrat die Revision seines Geschäftsreglements abgeschlossen hatte und auch das abgeänderte Geschäftsverkehrsgesetz der Bundesversammlung auf Anfang 1985 in Kraft getreten war, machte sich die kleine Kammer an die Überarbeitung ihres eigenen Geschäftsreglements. Es geht dabei nicht zuletzt darum, weitere Anregungen aus dem Bericht der Studienkommission «Zukunft des Parlamentes» aus dem Jahre 1978 aufzunehmen. Der Rat überwies eine parlamentarische Initiative Muheim (cvp, UR) und beauftragte sein um einige Ständeräte erweitertes Büro mit der Vorlage eines Entwurfs. Erwartet werden namentlich Vorschläge, die aufzeigen, wie die Rolle des Parlaments bei der Steuerung politischer Entscheidungsabläufe aufgewertet werden kann. Im weitern soll die Arbeit der vorberatenden Kommissionen effizienter gestaltet und die Zulässigkeit und Tragweite der parlamentarischen Vorstösse überdacht werden
[16].
[15] Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1315 f., 1879 f. und 2291 f. Für die Zeitaufteilung bei einer organisierten Debatte vgl. z.B. Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1465. Vgl. auch NR Koller in SZ, 30.11.85 sowie BZ, 5.10.85. Hängige Geschäfte: Verh. B.vers., 1984, V, S. 2 f. und 1985, V, S. 2 f. Angesichts dieser Erfolge zog NR Brélaz (gp, VD) seine Motion aus dem Vorjahr zurück, mit der er eine jährliche Gesamtredezeit von 90 Minuten je Abgeordneten verlangt hatte (Amtl. Bull. NR, 1985, S. 714 ff.; SPJ, 1984, S. 26).
[16] Amtl. Bull. StR, 1985, S. 244 f. Vgl. auch SPJ, 1978, S. 22 f. und 1984, S. 26. Vgl. ferner A. Huber-Schlatter, «Parlamentsreformen seit der Mirage-Affäre», in Zeitschrift für schweiz. Recht, NF, 104/1985, I, S. 107 ff. Zur Interessenbindung der Parlamentarier, deren Offenlegung in einem zwar einsehbaren, jedoch nicht publizierten Register das revidierte Geschäftsverkehrsgesetz vorschreibt, siehe J. Hanhart (Hg.), Kreuz- & Querverbindungen im Parlament (1985-87), Neuallschwil 1985.
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