Année politique Suisse 1985 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen / Kantonalen Wahlen
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Solothurn
Die Wahlen in Solothurn veränderten die traditionell stabile Zusammensetzung des Kantonsrates nur unwesentlich. Allerdings teilen FDP, CVP und SP die 144 Mandate nun nicht mehr — wie in der letzten Legislaturperiode — vollständig unter sich auf: Die erstmals auch in Solothurn an Wahlen teilnehmenden Grünen gewannen 4 Sitze. Im Gegensatz zu anderen Kantonen war aber nicht die SP die Hauptverliererin, sondern die FDP [6]. Trotz leichtem Ansteigen ihres Wähleranteils büsste auch die SP einen Sitz ein. Mit ebenfalls einem Mandatsverlust sah sich die CVP auf ihrem seit Jahren kontinuierlichen Vormarsch gestoppt. Während die POCH nicht mehr an den Wahlen teilnahm — ihre Mitglieder kandidierten weitgehend auf den grünen Listen —, blieb ein weiterer Versuch des Landesrings zur Rückkehr ins Parlament erfolglos. Ebenfalls keine Chance hatte die Nationale Aktion, deren Wähleranteil marginal blieb. Die ins neue Parlament gewählten Frauen verdoppelten ihren Anteil auf 10% [7]. Weit mehr Interesse erregten die gleichzeitig stattfindenden Regierungsratswahlen. Nachdem die Solothurner Regierung wegen verschiedener anfechtbarer Handlungen unter Beschuss geraten war [8], hatte die SP schon 1984 beschlossen, mit zwei neuen, unbelasteten Kandidaten ins Rennen zu steigen. Im Januar 1985 nominierte der SP-Parteitag den kantonalen Wirtschaftsförderer Rolf Ritschard, Sohn des verstorbenen Bundesrates, sowie den Juristen Jörg Annaheim als offizielle Kandidaten. Der bisherige Volkswirtschaftsdirektor Rudolf Bachmann (sp) hatte auf eine erneute Kandidatur verzichtet; Gottfried Wyss dagegen wollte den Entscheid seiner Partei nicht akzeptieren und stellte sich im Alleingang, unterstützt durch ein Komitee von Sozialdemokraten der alten Garde, zur Wiederwahl. Angesichts der Uneinigkeit innerhalb der Sozialdemokratie versuchte die CVP, mit ihrem Staatsschreiber Max Egger den schon lange angestrebten zweiten Sitz in der Regierung zu erobern. Im ersten Wahlgang wurden die vier Bisherigen wiedergewählt, Wyss allerdings mit dem schlechtesten Resultat. Da sich darauf Ritschard zurückzog, kam es zur Kampfwahl zwischen Egger und Annaheim, welche der CVP-Kandidat mit deutlichem Vorsprung gewann [9]. Damit ist die SP erstmals seit 1917 nicht mehr mit einem offiziellen Vertreter an der Regierung beteiligt [10].
 
[6] Die Freisinnigen mussten 3 Sitzverluste hinnehmen, wobei ein Jungliberaler (Jungliberale Bewegung Olten) die FDP-Fraktion wieder um einen Abgeordneten vergrösserte.
[7] Wahlen vom 5.5.1985. Wahlkampf: SZ, 2.4.85; 3.5.85; NZZ, 3.5.85. Resultate: SZ, 6.5.85; 8.5.85. Siehe auch W. Berger, Der Solothurner Kantonsrat, Solothurn 1984.
[8] Regierungsaffären: Reise nach Spanien (Presse vom 18.5.83; 6.1.84) und HWV-Affäre (Verurteilung von vier Regierungsräten wegen Begünstigung des ehemaligen Rektors der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule Olten: SZ, 18.4.83; 15.12.84; 2.7.85); siehe auch oben, Teil I, 1 c (Regierung).
[9] Wahlen vom 5.5. und 9.6.1985. Wahlkampf: NZZ, 5.1.85 ; SZ, 18.1.85 ; 21.1.85 ; 4.3.85. 7.5.85 ; TA, 29.4.85 ; siehe auch SPJ 1984, S. 215 f. Resultate: SZ, 6.5.85; 10.6.85.
[10] Wyss bleibt zwar weiterhin Mitglied der SP, gehört aber ihren Organen nicht mehr an (SZ, 23.8.85).