Année politique Suisse 1985 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen / Kantonalen Wahlen
Aufsehen erregten die
Parlamentswahlen im Kanton Genf. Die starke Ausländerpräsenz, das gereizte Klima im Asylwesen, die akute Wohnungsnot sowie eine Sensibilisierung gegenüber umweltpolitischen Fragen haben hier breite Wählerschichten in eine Oppositionshaltung zu den Regierungsparteien treten lassen, so dass die Wahlen einen eigentlichen Erdrutsch bewirkten: Bürgerliche und Linke verloren 20 Mandate an Vigilants und Grüne. Mit 12 dazugewonnenen Sitzen ging die Vigilance als Siegerin aus den Wahlen hervor und avancierte damit zu einer der beiden stärksten Parteien im Kantonsparlament. Sie ist nun mit 19 Mandaten gleich stark vertreten wie die Liberalen, welche ihre 1981 dazugewonnenen Mandate wieder verloren. Den Durchbruch schafften die Grünen (Parti écologiste genevois), die auf Anhieb 8 Sitze errangen. Demgegenüber mussten alle etablierten Parteien mit Ausnahme der CVP Verluste hinnehmen: Der Bürgerblock (Entente genevoise) konnte zum ersten Mal seit 1933 seine absolute Mehrheit im Parlament nicht halten, während die SP einen Drittel ihrer Wählerschaft verlor und mit 8 Sitzverlusten auch ihre Stellung als grösste Fraktion einbüsste. Der Wähleranteil und die Sitzzahl der PdA gingen weiter zurück. Im neuen Parlament stellen die Frauen einen Viertel der Abgeordneten (1981: 18%)
[23].
Der Wahlkampf für die einen Monat später stattfindenden
Regierungsratswahlen hatte schon begonnen, nachdem André Chavanne, langjähriger SP-Erziehungsdirektor, sowie Guy Fontanet (cvp) ihren Rücktritt bekanntgegeben hatten; nach den politischen Verschiebungen im Parlament erhielt die Wahl der Exekutive jedoch neue Brisanz: Die CVP, die bei den Grossratswahlen als einzige Regierungspartei keine Mandate eingebüsst hatte, rechnete sich gute Chancen aus, den 1977 an die Liberalen verlorenen zweiten Regierungssitz zurückerobern zu können, und sie portierte Dominique Föllmi und Jean-Philippe Maître. Dadurch brach die «Entente» mit den Liberalen und den Radikalen auseinander, und die Bürgerlichen stiegen nach 16 Jahren wieder getrennt ins Rennen. Beide CVP-Kandidaten wurden gewählt, während Volkswirtschaftsdirektor Alain Borner (fdp) als überzählig ausschied
[24]. Keine Regierungsverantwortung anvertraut haben die Wählenden der Vigilance, deren Kandidat deutlich geschlagen wurde. Spitzenresultate erzielten dagegen die beiden Sozialisten Christian Grobet (bisher) und Bernard Ziegler (neu), wohl nicht zuletzt wegen ihrer engagierten Mieterschutzpolitik. Die SP konnte jedoch trotz ihrer gestärkten Position nicht verhindern, dass die Bürgerlichen Ziegler das Justiz- und Polizeidepartement zuteilten, das mit den heiklen Dossiers der Asylanten und des öffentlichen Transportwesens belastet ist
[25].
[23] Wahlen vom 13.10.1985. Wahlkampf: Suisse, 31.5.85; 9.7.85; JdG, 28.8.85; 31.8.85. Resultate: Genfer Presse vom 14.10.85; 15.10.85. Erste Analysen: Presse vom 14.-16.10.85; L'Hebdo, 42, 17.10.85; Ww, 42, 17.10.85.
[24] Borner war nicht unbestritten, da er im Zusammenhang mit Liegenschaftsskandalen (Lex Furgler/Friedrich) ins Gerede gekommen war (L'Hebdo, 4, 24.1.85; 24 Heures, 29.8.85; TA, 12.11.85; vgl. auch SPJ, 1984, S. 116, Anm. 7).
[25] Wahlen vom 10.11.1985. Wahlkampf: Suisse, 22.1.85 ;16.10.85 ; 3.11.85; JdG, 6.3.85 ; 19.10.85 ; 22.10.85 ; 5.11.85; Vat., 18.3.85; NZZ, 9.4.85; Ww, 41, 10.10.85; 24 Heures, 7.11.85. Resultate: Genfer Presse vom 11.11.85; 12.11.85. Verteilung der Departemente: JdG, 14.11.85.
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