Année politique Suisse 1985 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Konjunkturlage
Die Konjunkturlage präsentierte sich in der Schweiz im Jahre 1985 weitgehend erfreulich. Die Belebung der Wirtschaftstätigkeit hielt auch im dritten aufeinanderfolgenden Jahr an. Erste offizielle Schätzungen gehen davon aus, dass das reale Bruttoinlandprodukt um 3,7% anstieg (1984: 2,1 %). Der private Konsum von Gütern und Dienstleistungen, welcher mit einem Anteil von rund 60% die wichtigste Nachfragekomponente darstellt, belebte sich mit einer Wachstumsrate von 1,7% gegenüber dem Vorjahr (1984: 1,3%). Das Wachstum der Käufe der öffentlichen Hand fiel mit 2,eo ebenfalls unterdurchschnittlich aus, was sicher als eine Konsequenz der weitgehend befolgten Sparpolitik betrachtet werden kann. Die kräftigsten Impulse gingen mit + 8,3% erneut vom Exportsektor aus (1984: 6,1 %); dabei fiel das Wachstum bei den Verkäufen von Gütern wiederum kräftiger aus als beim Dienstleistungsexport (9,0 resp. 5,5%). Die günstige Auftragslage der Industrie trug zu einer markanten Belebung der Ausrüstungsinvestitionen bei (+ 9,0%). Da hingegen der Wohnungsbau und die Bautätigkeit der öffentlichen Hand nahezu auf dem Vorjahresniveau verharrten, erhöhte sich das Total der Bruttoinlandinvestitionen lediglich um 5,0% (1984: 5,0%). Die gute Konjunktur führte allerdings auch zu einer kräftigen Steigerung der Einfuhren. Da diese aber mit + 5,6% schwächer ausfiel als jene der Exporte, resultierte zum erstenmal in dieser Aufschwungphase ein positiver Beitrag des Aussenhandels zum Wirtschaftswachstum. Das Handelsbilanzdefizit, der Saldo aus dem Warenverkehr, reduzierte sich geringfügig auf ca. 8,5 Mia Fr. Die Ertragsbilanz — in ihr sind auch die Dienste, Faktorleistungen sowie die unentgeltlichen Übertragungen eingeschlossen — weist für 1985 einen Überschuss von schätzungsweise 11,1 Mia Fr. aus (1984: 8,9 Mia Fr.) [3].
Die seit 1982 rückläufige Tendenz der Beschäftigtenzahl konnte 1985 durchbrochen werden. Die Rationalisierungsanstrengungen liessen freilich den Anstieg der Gesamtbeschäftigung im Vergleich zu früheren Konjunkturaufschwüngen kraftlós ausfallen, so dass das Niveau vor der letzten Rezession noch nicht wieder erreicht ist. Insgesamt nahm die Zahl der Beschäftigten um 18 600 (0,8%) zu, wobei die Frauen etwas mehr davon profitierten (+ 1,0% gegenüber + 0,6% bei den Männern). Die positive ntwicklung betraf sowohl den industriellen Bereich (+ 0,9%) als auch den Dienstleistungssektor (+ 0,7%). In der Uhrenindustrie, welche in den beiden vorangegangenen Jahren noch Einbussen von 16,1 % (1983) resp. 7,6% hatte in Kauf nehmen müssen, konnte der Abbauprozess angehalten werden. Zum erstenmal seit zehn Jahren stieg hier die Beschäftigtenzahl wieder an, und zwar um rund 3%. Bedeutende Zuwachsraten verzeichneten im weitern die Maschinenindustrie (1,7%), die Chemie (1,6%) und das Graphische Gewerbe (1,5%). Im Tertiärsektor war der Anstieg bei den Banken (2,9%) und auf dem Gebiet der Forschung und Lehre (1,5%) am stärksten. Wenn auch in einigen Branchen (Papier, Bekleidung, Getränke, Textil, Verkehr) die Beschäftigtenzahlen noch leicht rückläufig waren und im Baugewerbe bloss das Vorjahresniveau gehalten werden konnte, darf doch festgestellt werden, dass sich die gute Konjunktur nun auch auf dem Arbeitsmarkt durchgesetzt hat. Bereits klagte in den Umfragen des BIGA ein grosser Teil der Unternehmen über einen Mangel an gelernten Arbeitskräften. Die Zahl der vollständig oder teilweise Arbeitslosen reduzierte sich im Jahresdurchschnitt um 13,8% auf 30 345. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Beschäftigten belief sich zu Jahresende auf 1,0% (1984: 1,3%) [4].
Der Index der industriellen Produktion veränderte sich in den meisten Branchen ebenfalls positiv; die Ausnahme bildete die Bekleidungsherstellung (- 2%). Am ausgeprägtesten war das Wachstum in der Uhrenindustrie (15%), überdurchschnittlich hohe Werte wiesen aber auch das Graphische Gewerbe (10%), der Maschinen- und Appartebau, der Bereich Leder/Kautschuk/Kunststoff (je 7%) und die Chemie (6%) auf. In der Bauwirtschaft zeichnete sich insbesondere wegen der rückläufigen Wohnungsbauproduktion eine gewisse Überkapazität ab. Die Planvorlagen für industrielle Betriebe erreichten den Höchststand seit 1981, sowohl was die Anzahl Projekte als auch was das Raumvolumen bei Neubauten anbelangt. Dies deutet darauf hin, dass die Industrie ihre Wachstumsaussichten für die nahe Zukunft optimistisch einschätzt. Für die Berechtigung dieser Prognose spricht unter anderem der gestiegene Auftragsbestand [5]. Der Bereich Tourismus konnte sich gegenüber dem Vorjahr leicht verbessern. Die Zahl der Übernachtungen in Hotelbetrieben stieg um 0,9% und entsprach damit dem Mittelwert der vorangegangenen fünf Jahre. Der Rekordwert aus dem Jahre 1981 blieb allerdings noch unerreicht. Der Zuwachs beim Binnentourismus fiel deutlicher aus als bei den Gästen aus dem Ausland. Bei letzteren war einerseits der erneute Aufschwung bei den Touristen aus dem aussereuropäischen Raum (v.a. aus den Vereinigten Staaten) und andererseits der Rückgang bei den Besuchern aus der BRD, Belgien und den Niederlanden auffallend [6].
Die Belebung der Nachfrage, aber auch die aussergewöhnlich kalte Witterung, welche die Agrarpreise in die Höhe trieb, und der Anstieg des Dollarkurses zu Jahresbeginn wirkten sich auf das Preisniveau aus. Im Verlauf des Jahres ermässigte sich die Teuerung dann aber wieder von 3,8% im Mittel des 1. Quartals auf 3,1 % im letzten Quartal. Im Jahresmittel verzeichnete der Index der Konsumentenpreise einen Anstieg um 3,4% (1984: 2,9%). Auf Grosshandelsstufe nahm die Preisentwicklung einen ähnlichen Verlauf, allerdings fiel die Abschwächungstendenz nach dem 1. Quartal wesentlich deutlicher aus. Der Index stieg 1985 mit einem Durchschnitt von 2,3% weniger stark an als im Vorjahr (3,2%) [7]. Die Aussagekraft des Konsumentenpreisindexes war in den vergangenen Jahren von verschiedener Seite in Frage gestellt worden. In einem Bericht des BIGA und einer Stellungnahme der Kommission für Konjunkturstatistik dazu wurde nun festgehalten, dass seit der Umstellung auf die Methode der Basisrelationen (1. Januar 1983) die Preisentwicklung wirklichkeitsgetreu dargestellt wird. In seiner Antwort auf eine Interpellation Hefti (fdp, GL), in welcher gefragt wurde, ob es nicht zur Förderung des Energiesparens opportun wäre, Preiserhöhungen bei Erdölprodukten im Index nicht zu berücksichtigen, betonte Bundesrat Furgler, dass im Landesindex der Konsumentenpreise sämtliche Konsumgüter berücksichtigt sein müssten. Nur auf diese Weise könne er ein möglichst objektives Mass für die Preisbewegungen darstellen. Gleichzeitig stellte er in Aussicht, dass der Index noch in diesem Jahrzehnt einer Totalrevision unterzogen wird. Nach Ansicht der oben erwähnten Kommission wird es dabei namentlich darum gehen müssen, die Repräsentativität der Erhebungen über die Haushaltrechnungen und die Wohnungsmietkosten zu verbessern [8].
 
[3] Mitteilungen/Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 298, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 59/1986, Heft 1; SNB, Geschäftsbericht, 78/1985, S. 18 ff.; siehe auch Gesch.ber., 1985, S. 265 f. Zum Aussenhandel vgl. oben, Teil I, 2.
[4] Die Volkswirtschaft, 59/1986, S. 111 ff.; Mitteilungen/Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 299, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 59/1986, Heft 3, S. 13 ff. sowie Bund 9.4.86 (Uhrenindustrie); spei iell zur Arbeitslosigkeit siehe unten, Teil I, 7a (Marché du travail).
[5] Produktion und Auftragsbestand: Mitteilungen/Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 299, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 59/1986, Heft 3, S. 11 f. und 14. Planvorlagen; Die Volkswirtschaft, 59/1986, S. 13 ff. Zur Lage in den einzelnen Branchen siehe auch SBG, Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1985, Zürich 1985; SKA, Bulletin, 91/1985, Nr. 12, S. 9 ff.; 92/1986, Nr. 3, S. 8 sowie SBV, Der Monat, 1985, Nr. 9, S. 6 ff. und Die Volkswirtschaft, 59/1986, S. 194 ff. (Baugewerbe). Speziell zum Strukturwandel in der Uhrenindustrie vgl. F. Milliet, « La nouvelle horlogerie», in Revue économique et sociale, 43/1985, S. 89 ff.
[6] Die Volkswirtschaft, 59/1986, S. 8 f. sowie S. 229 ff. Siehe zum Tourismus auch K. Hug, «Tourismus Schweiz: Diener vieler Herren?», in Documenta 1985, Nr. 2, S. 28 ff. Die im Interesse des Fremdenverkehrs liegende Forderung nach Aufhebung der Maximaleinsätze bei Geldspielen (Aufhebung des sog. Spielbankenverbots) konnte sich aus vorwiegend sozialpolitischen Gründen im NR nicht durchsetzen (Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1417 ff.).
[7] SNB, Geschäftsbericht, 78/1985, S. 23 f.; Mitteilungen/Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 298, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 59/1986, Heft 1, S.7.
[8] Die Volkswirtschaft, 58/1985, S. 508 ff. und 533. Amtl. Bull. StR, 1985, S. 583. Ähnliche Vorstösse zur Veränderung des Index aus umweltschutz- resp. gesundheitspolitischen Gründen reichten in der Form von Postulaten im NR auch die FDP-Fraktion und Meier (na, ZH) ein ( Verhandl. B.vers., 1985, V, S. 32 und 62).