Année politique Suisse 1985 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik / Wettbewerbspolitik
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Preisüberwachung in kartellisierten Märkten
Spürbar geringer fiel demgegenüber der allgemeine Zufriedenheitsgrad nach der parlamentarischen Behandlung des Preisüberwachungsgesetzes für Waren und Leistungen marktmächtiger Unternehmen und Organisationen, namentlich von Kartellen, aus. Hauptstreitpunkt bei diesem Gesetz, das den 1982 vom Volk angenommenen Verfassungsartikel über die Preiskontrolle realisieren will, bildete die Frage, ob es auf den erwähnten Märkten sämtliche Preise für Güter und Dienstleistungen erfassen soll. Die Konfliktlinie im Parlament verlief ähnlich wie beim Kartellgesetz. Die Fraktionen der FDP, der SVP und der Liberalen sowie ein Teil der CVP plädierten für eine Nichtunterstellung der Zinsen auch in den Fällen, wo diese, wie etwa die Hypothekarzinsen, von regionalen Zinskonvenien festgelegt werden. Das ungehinderte Funktionieren dieser Abmachungen ist ihrer Meinung nach für die Existenz der kleinen Banken lebenswichtig. Zudem hielten sie dafür, dass die Entgelte für das Bereitstellen von Kapital (Zinsen) analog zu den Entschädigungen für den Einsatz von Arbeitskraft (Löhne) behandelt werden müssten. Der Bundesrat sprach sich im Sinne eines einheitlichen Wettbewerbsrechts gegen die Ausklammerung bestimmter Branchen aus; eine Gefährdung der Durchführung geldpolitisch begründeter Massnahmen der Nationalbank durch die Preisüberwachung hatte er in seinem Entwurf von vornherein ausgeschlossen. Unter Namensaufruf strichen der Nationalrat (90 : 79 Stimmen) und der Ständerat (25 : 7) die Kredite aus dem Kompentenzbereich des Preisüberwachers. Ebenfalls nicht zur Zufriedenheit der Initianten fielen die Entscheide in bezug auf die Überwachung von Preisen aus, die entweder von den Behörden festgelegt resp. genehmigt oder aber durch eine Verwaltungsinstanz kontrolliert werden. Gemäss Ratsbeschluss kommt dem Preisüberwacher im ersten Fall lediglich ein Empfehlungsrecht zu, im zweiten muss er nicht einmal — wie dies die Exekutive immerhin vorgeschlagen hatte — konsultiert werden. In persönlichen Erklärungen im Rat bezeichneten enttäuschte Vertreterinnen der Konsumenten, aber auch ein Sprecher der SP das Gesetz als nicht dem Verfassungsauftrag entsprechend. Erstere lehnten die Vorlage bei der Schlussabstimmung im Parlament ab, die SP und die äussere Linke enthielten sich der Stimme [20]. Da im neuen Gesetz u.a. die Versicherungsprämien, die Spitaltaxen, die Verkehrstarife, die Hypothekarzinsen und die Preise für Landwirtschaftsprodukte der Verfügungsgewalt des Preisüberwachers entzogen sind, kann nach Ansicht der Kritiker davon kein namhafter Beitrag zur Tiefhaltung der Lebenskosten erwartet werden. Immerhin verzichteten die Opponenten in der Folge darauf, das Referendum zu ergreifen; die Fédération romande des consommatrices kündigte jedoch eine neue Volksinitiative an, in welcher unter anderem die Zinsen explizite Erwähnung finden sollen [21].
 
[20] Amtl. Bull. NR, 1985, S. 60 ff., 211 ff., 1922 ff. und 2275 ff.; Amtl. Bull. StR, 1985, S. 551 ff. und 675 f.; BBl, 1986, I, S. 69 ff. Stimmenzahlen bei der Schlussabstimmung: 96: 23 (NR) und 15: 13 (StR). Zu den Zinskonvenien siehe auch C. Mati, «Der Einfluss der Zinskonvenien auf den Wettbewerb im Bankensektor», in Die Volkswirtschaft, 58/1985, S. 1 f.; TA, 1.3.85 sowie unten, Teil I, 4b (Banken). Zur Botschaft vgl. SPJ, 1984, S. 68 f. Zur Forderung nach Gleichbehandlung von Kapital- und Arbeitskosten siehe H. Allenspach, «Preisüberwachung als ordnungspolitische Gratwanderung», in SKA, Bulletin, 1985, Nr. 1/2, S. 2 ff.
[21] TW, 3.10.85; 24 Heures, 21.12.85. Die Initiative wurde anfangs 1986 lanciert (BBl, 1986, I, S. 902 ff).