Année politique Suisse 1985 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Finanzpolitik
Die Bemühungen in der Finanzpolitik um eine dauerhafte Sanierung der Bundeskasse zeitigten 1985 einen Teilerfolg, kündigte doch das Budget für 1986 zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren ein positives Rechnungsergebnis an. Dieses war abgesehen von den insgesamt recht günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen namentlich eine Frucht der beharrlich betriebenen Sanierungspolitik, über deren hängige Entlastungsmassnahmen im Berichtsjahr befunden wurde. Auf Anfang 1986 wurden das Anschlusssparprogramm («Sparmassnahmen 1984») und wichtige Teile des ersten Pakets zur Aufgabenneuverteilung zwischen Bund und Kantonen in Kraft gesetzt; ebenfalls bleiben die Kantonsanteile an den Alkohol- und Stempelabgaben zugunsten der Bundeskasse aufgehoben. Abstriche in der Höhe von 500 Mio Fr. an den Vorschlägen des Bundesrates machte das Parlament hingegen mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Ausdehnung der Warenumsatzsteuer (WUST) auf Energieträger wie auch gegenüber der Beteiligung der Kantone an der Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) im regionalen Personenverkehr. Mit der Rationalisierung der Verwaltung sowie mit der Erschliessung von neuen und der Erhöhung von bestehenden Einnahmequellen können die Sanierungsmassnahmen in einer ersten Phase als abgeschlossen betrachtet werden.
Bundesrat Stich warnte jedoch des öftern vor einem übertriebenen Optimismus wegen des erfreulichen Budgets für 1986 und verwies auf die im Finanzplan und in den Haushaltperspektiven prognostizierten Defizite für die Jahre 1987-89, welche 1989 gar die Milliarden-Grenze überschreiten sollen. Für eine dauerhafte Sanierung müssten auch strukturelle Verbesserungen des Finanzhaushaltes realisiert werden. Eine solche Neugestaltung der Finanzordnung bezeichnete Bundesrat Stich als das Kernproblem der Finanzpolitik in den Achtzigerjahren. Dabei sollten vor allem die beiden wichtigsten Einnahmequellen, die direkte Bundessteuer und die WUST, definitiv in der Bundesverfassung verankert werden, während Höhe und Umfang der Steuersätze auf Gesetzesstufe festzulegen seien. Weiter soll die WUST — im Zuge der Beseitigung der Taxe occulte — zu einer allgemeinen Verbrauchssteuer auf Waren- und Dienstleistungen ausgebaut werden. Die bürgerlichen Parteien reagierten ungehalten über die Vorschläge des Finanzministers und plädierten für die Beibehaltung des provisorischen Charakters der Bundessteuer und der WUST sowie der verfassungsmässigen Fixierung der Steuersätze. Ihrer Meinung nach sollten nicht neue Einnahmen erschlossen, wie dies Bundesrat und Linksparteien anstreben, sondern vielmehr weitere Sparmassnahmen realisiert werden. Stärker als bisher verlangten die unternehmerfreundlichen Bürgerlichen die Senkung der Staatsquote und den Abbau bestehender Steuereinnahmen: mit der beschlossenen Revision des Stempelsteuergesetzes, der unternehmer- und familienfreundlichen Ausgestaltung der Bundesgesetze über die Steuerharmonisierung und die direkte Bundessteuer sowie der Volksinitiative der FDP für eine ehe- und familiengerechtere Besteuerung versuchen sie, dem Staat Einkünfte in Milliardenhöhe zu entziehen [1].
Der Bericht zur Finanzplanung des Bundes für die Jahre 1987-1989 verweist nach dem budgetierten Einnahmenüberschuss von 1986 wieder auf eine defizitäre Haushaltentwicklung; er prognostiziert Ausgabenüberschüsse von 670 Mio Fr. für 1987, von 280 Mio Fr. für 1988 und von 1,1 Mia Fr. für 1989. Bei den Ausgaben rechnet er mit einer jährlichen Zuwachsrate von 4%, die damit leicht unter dem erwarteten Wirtschaftswachstum liegt. Deutlich hinter der Wirtschaftsentwicklung sollen hingegen die angenommenen Zuwachsraten bei den Einnahmen zurückbleiben: da die direkte Bundessteuer, die Verrechnungssteuer und die Stempelabgaben nur noch im Gleichschritt mit der'gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zunehmen dürften, kann das ungenügende Wachstum der übrigen Einnahmequellen, insbesondere der Zölle, voraussichtlich nicht mehr aufgefangen werden. Die Tendenz zu wachsenden Defiziten dürfte noch verstärkt werden durch im Finanzplan und in den Haushaltperspektiven noch nicht berücksichtigte, in nächster Zeit aber anstehende, gewichtige Mehrbelastungen des Bundes in den Bereichen öffentlicher Verkehr, Unterricht und Forschung sowie Soziale Wohlfahrt. Ferner drohen von verschiedenen Begehren der Bürgerlichen nach Steuererleichterungen erhebliche Einnahmensausfälle; zur Diskussion stehen namentlich eine Entlastung der Familie bei der direkten Bundessteuer, die Ausschaltung der Taxe occulte bei der WUST sowie steuerliche Massnahmen zugunsten des Finanzplatzes Schweiz. Ebenfalls günstig wirkte sich bei der Finanzplanung die Annahme aus, dass — aufgrund der Teuerungsentwicklung — für die Periode 1988/89 kein Ausgleich der kalten Progression gewährt werden müsse [2].
 
[1] TA, 15.1.85; 29.8.85; NZZ, 5.2.85; 16.2.85; 27.4.85; 21.9.85; 24.10.85; WoZ, 17, 26.4.85; SZ, 3.8.85; 7.8.85; Presse vom 5.8.85; LNN, 6.8.85; BaZ, 20.8.85; BZ, 14.9.85; Vat., 26.9.85; Ww, 51, 19.12.85; Schweizer Monatshefte, 65/1985, Nr. 2; O. Stich, «Finanzpolitik der achtziger Jahre» in Documenta, 1985, Nr. 2; Rote Revue, 64/1985, Nr. 6; Bilanz, 1985, Nr. 10. Siehe auch SPJ, 1984, S. 81f.
[2] Bericht zum Finanzplan 1987 und zu den Haushaltperspektiven 1988/89 vom September 1985. Dieser Bericht wurde dem Parlament zusammen mit dem Voranschlag 1986 vorgelegt. Siehe auch Presse vom 19.10.85 sowie unten, Voranschlag des Bundes, und SPJ, 1984, S. 82.