Année politique Suisse 1985 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Einnahmen
Bei den Einnahmen traten 1985 die beiden Verkehrsabgaben, die Autobahnvignette und die Schwerverkehrsabgabe, in Kraft. Die Vignette erfuhr bei ihrer Einführung keine bemerkenswerte Opposition, sie verfehlte jedoch ihr finanzpolitisches Ziel um beinahe 50%: statt der budgetierten 280 Mio Fr. nahm der Bund nur 151 Mio Fr. ein. Bei der Schwerverkehrsabgabe war die Differenz zwischen veranschlagten (158 Mio Fr.) und realisierten Einnahmen (112 Mio Fr.) geringer; um so grösser waren hingegen die Probleme ihrer politischen Durchsetzbarkeit. Die ausländischen Regierungen reagierten auf die Schwerverkehrsabgabe, die sie als Steuer interpretierten, mit Zusatzbelastungen für Schweizer Transporteure, was militante Kreise des Lastwagengewerbes — vor allem jene, welche von solchen Retorsionsmassnahmen betroffen waren — zu einer eintägigen Grenzblockade bewegte. Die Unzufriedenheit über die Schwerverkehrsabgabe manifestierte sich auch in der Lancierung zweier Volksinitiativen zur Aufhebung der unerwünschten Belastung der Transporteure. Auf parlamentarischer Ebene wurden mehrere Vorstösse zu den Retorsionsmassnahmen eingereicht. Obwohl der Bundesrat beharrlich den Standpunkt vertrat, dass es sich bei der Schwerverkehrsabgabe nicht um eine in erster Linie finanzpolitisch motivierte Steuer, sondern um eine Abgabe im Rahmen der koordinierten Verkehrspolitik handle, hiess der Nationalrat eine Motion der SVP-Fraktion gut, welche die Regierung verpflichten will, die vom Ausland erhobenen Retorsionsmassnahmen den Schweizer Transporteuren zurückzuerstatten. Weil die Unterdeckung der Strassenkosten mit der pauschalen Schwerverkehrsabgabe nur unter den erwähnten Schwierigkeiten teilweise kompensiert werden konnte, beschloss der Bundesrat, diese möglichst rasch durch eine leistungsabhängige und zweckgebundene Gebühr zu ersetzen. Er veranlasste daher die Vorbereitung eines entsprechenden Gesetzesprojektes, das sich auf die Verfassungsartikel über die koordinierte Verkehrspolitik stützen soll. Diese bundesrätliche Absicht entsprach weitgehend der 1982 eingereichten Volksinitiative des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS) «für eine gerechte Belastung des Schwerverkehrs (Schwerverkehrsabgabe)». Trotzdem empfahl die Regierung den eidgenössischen Räten dieses Volksbegehren zur Ablehnung; die Initiative richte sich sektoriell auf die Kostendeckung im Schwerverkehr aus, was eine Verwirklichung der Vorlage «koordinierte Verkehrspolitik» nachteilig beeinflusse [3].
Im Rahmen seines Entlastungsprogramms hatte der Bundesrat aus der Besteuerung der bisher von der WUST befreiten Energieträger (Gas, Elektrizität, feste und flüssige Brennstoffe) Mehreinnahmen für die Bundeskasse von rund 300 Mio Fr. erwartet. Die 1980 von der Regierung beantragte Unterstellung der Energieträger unter die WUST war rein finanzpolitisch konzipiert gewesen, sie wurde jedoch in den folgenden Jahren von energie- und steuerpolitischen Vorstössen überrollt. Aufgrund dieser mehrfachen Opposition beschloss der Nationalrat in der Herbstsession mit klarem Mehr, nicht auf die vorgeschlagene Energiebesteuerung einzutreten. Damit entfällt eine Massnahme zur Sanierung des Bundeshaushalts, mit der im Finanzplan ab 1987 gerechnet worden war. Dagegen überwies die grosse Kammer gegen den Willen des Bundesrates eine Motion Feigenwinter (cvp, BL) für eine Revision des Stempelsteuergesetzes; durch eine Senkung der Stempelabgaben soll die Attraktivität des Finanzplatzes Schweiz international konkurrenzfähig gehalten werden [4].
Der Bundesrat passte die Preisgrenze in den Steuertarifen für Zigaretten und Pfeifentabak an die neuen Kleinhandelspreise an und erhöhte die Tabaksteuer um 5 %. Dadurch konnten trotz der sich abzeichnenden Tendenz eines Konsumrückgangs die Einnahmen aus der Tabaksteuer und den Zöllen auf Tabakfabrikaten von 789 auf 844 Mio Fr. gesteigert werden. Auf eine der wichtigsten Einnahmequellen des Bundes, die direkte Bundessteuer, gehen wir am Schluss dieses Kapitels ein [5].
 
[3] Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1240 f., 1256 f. und 1358 ff.; Amtl. Bull. StR, 1985, S. 217 ff.; Ww, 1, 3.1.85; 2, 10.1.85; 11, 14.3.85; NZZ, 5.1.85; 24.1.85; 11.4.85; 22.9.85; Presse vom 17.1.85; 5.2.85; 22.3.85; 9.5.85; 29.8.85; LNN, 19.1.85; SGT, 25.1.85; 22.2.85; BaZ, 16.3.85; 18.9.85; 14.11.85; Freier Aargauer, 1.4.85; O. Stich, «Die Haltung des Bundesrates zur Schwerverkehrsabgabe », in Documenta, 1985, Nr. 1, S.19 ff. Volksinitiativen gegen die Schwerverkehrsabgabe: BBl, 1985, I, S. 2 f. und 507 ff.; NZZ, 15.1.85; Presse vom 19.2.85. Ebenfalls lanciert wurde eine Initiative «zur Aufhebung der Autobahnvignette» (BBl, 1985, I, S. 510 ff.). VCS-Initiative: BBl, 1985, II, S. 650 ff.; Presse vom 27.6.85. Siehe auch oben, Teil I, 2 (Relations économiques bilatérales) und unten 6b (Generelle Verkehrspolitik) sowie SPJ, 1984, S. 82 f.
[4] Energie-WUST: Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1331 ff. und 1343 ff.; NZZ, 21.2.85; SGT, 21.2.85; BaZ, 23.2.85; LNN, 16.9.85; Presse vom 17. und 18.9.85; Vat., 26.9.85; siehe auch A. Meier (Hg.), Regionale Belastungswirkungen von Bundeseinnahmen, Diessenhofen 1984 sowie unten, Teil I, 6a (Politique énergétique) und SPJ, 1984, S. 83. Motion Feigenwinter: Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1351 ff.; BaZ, 18.9.85; TA, 11.12.85; vgl. dazu auch oben, Teil I, 4b (Banken). BR Stich stellte Schritte zur Senkung der Stempelabgabe in Aussicht; er wandte sich jedoch entschieden gegen Abstriche bei der Verrechnungssteuer (SMUV-Zeitung, 11, 13.3.85). Einnahmen des Bundes aus Stempel- und Verrechnungsabgaben : BBl, 1985, I, S. 1205 und II, S. 723.
[5] NZZ, 5.2.85; Gesch. ber., 1985, S. 253. Einnahmen aus Tabaksteuern 1965-84; BBl, 1985, I, S. 1204 und II, S. 722. Siehe auch SPJ, 1983, S.87.