Année politique Suisse 1985 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Finanzausgleich und Steuerharmonisierung
Mit dem ersten Paket zur Neuverteilung der Aufgaben zwischen Búnd und Kantonen wurde die für den Finanzausgleich bestimmte Quote an der direkten Bundessteuer von 7,5 auf 13% erhöht, wobei jenen Kantonen, die durch die Aufgabenneuverteilung besonders stark belastet werden, künftig ein Härteausgleich gewährt werden soll. Gestützt auf Vorschläge der Finanzdirektorenkonferenz erliess der Bundesrat die entsprechenden Ausführungsbestimmungen für die Jahre 1986 und 1987. Ebenfalls für diese zwei Jahre legte die Bundesregierung in einer Verordnung die Finanzkraft der Kantone fest. Anstelle des Kriteriums Wehrsteuersubstanz wurde neu das kantonale Volkseinkommen berücksichtigt; weiter wurde die Berechnung des Steuerbelastungsindexes grundlegend revidiert. Für 15 Kantone ergab diese Neuerung keine oder nur eine geringe Veränderung. Dagegen erhöhte sich der Finanzkraftindex der Kantone Appenzell Innerrhoden, Glarus, Schwyz und Solothurn beträchtlich; für 7 Kantone (AR, BS, NE, NW, OW, UR, VD) wurde er erheblich unter den bisherigen Stand gesenkt [14].
Die vorberatende Kommission des Ständerates schloss ihre erste und zweite Lesung zum Entwurf des Bundesgesetzes über die Steuerharmonisierung ab und nahm — in zweiter Lesung — die Beratung des Vorschlages zu einem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer auf. Dabei wurde der bereits in früheren Sitzungen beschlossene Grundsatz der Familienbesteuerung bekräftigt und eine getrennte Veranlagung der Ehegatten abgelehnt. Die von der Kommission angestrebte Begünstigung von Familie und Wirtschaft dürfte Steuerausfälle in der Höhe von 700-800 Mio Fr. nach sich ziehen [15].
Ebenfalls eine steuerliche Entlastung der Familien strebt die im Berichtsjahr lancierte Volksinitiative der FDP «für ehe- und familiengerechtere Besteuerung» an: durch einen milderen Steuertarif mit Teilsplitting für Verheiratete und Halbfamilien sowie durch die Erhöhung des Kinderabzugs um einen Viertel und des Miterwerbsabiuges um maximal einen Viertel sollen Ehepaare und Familien von der Steuerperiode 1989/90 an steuerlich begünstigt werden. Eine Annahme des Begehrens würde Einnâhmenausfälle von 510 Mio Fr. verursachen, wovon 350 Mio Fr. zulasten der Bundeskasse gingen. Ungehalten über die Lancierung der Initiative durch die FDP, welche erstmals in ihrer Geschichte von diesem Volksrecht auf eidgenössischer Ebene Gebrauch machte, zeigten sich namentlich die Linksparteien und der LdU. Für sie war dieses Unterfangen wahltaktisch begründet; es sei zudem stossend, dass Kleinverdienende (bis zu einem Jahreseinkommen von 40 000 Fr.) mit diesen Massnahmen nur geringfügig entlastet würden, während mittlere Einkommen (um 60-70 000 Fr.) namhaft profitieren würden [16].
Die eidgenössischen Räte behandelten den Entwurf für ein «Bundesgesetz zur Anpassung des Bundesratsbeschlusses über die Erhebung einer direkten Bundessteuer an das Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge». Nach seiner einstimmigen Annahme wird dieses Bundesgesetz auf Anfang 1987 in Kraft treten. Danach werden die Beiträge an die zweite Säule steuerlich im vollen Umfang zum Abzug zugelassen, während die Vorsorgeleistungen später vollumfänglich versteuert werden müssen. Der Bundesrat verabschiedete ferner eine Verordnung über die steuerrechtliche Begünstigung der dritten Säule (individuelle Altersvorsorge). Er kam dabei dem Vorschlag der kantonalen Finanzdirektoren, welcher die gebundene Selbstvorsorge lediglich als Ergänzung zur zweiten Säule ausgestalten und im Interesse des Steueraufkommens die Abzugmöglichkeiten in einem eher bescheidenen Rahmen halten wollte, nur teilweise entgegen. Für den Bund führt die nun getroffene Regelung zu einem Steuerausfall von etwa 350 Mio Fr., für die Kantone . und Gemeinden zu einem solchen von gegen 1 Mia Fr. [17].
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W.S.
 
[14] AS, 1985, S. 1874 ff., 1945 f. und 1947 ff.; Gesch. ber., 1985, S. 238 f.; Vat., 4.4.85; BZ, 27.9.85; SZ, 26.10.85; NZZ, 28.11.85; 12.12.85; TA. 28.11.85. Siehe auch die Interpellation Stucki (svp, ZH) zum Finanzausgleichskonzept des BR : Amtl. Bull. StR, 1985, S. 706 ff. Vgl. ferner M. Schnellmann, Determinanten öffentlicher und privater Finanzströme zwischen Bund und Kantonen, Bern 1985 ; SPJ, 1984, S. 89. Übertragungen des Bundes an die Kantone 1984; Die Volkswirtschaft, 58/1985, S. 830 ff.; wf, Dok., 4, 27.1.86. Im Kanton St. Gallen wurde durch Volksabstimmung ein neues Finanzausgleichsgesetz angenommen (SGT, 26.2.85; 28.2.85; 10.6.85); siehe auch unten, Tiel II, 2c.
[15] Badener Tagblatt, 2.4.85; TAM, 15, 13.4.85; Presse vom 7.5.85; NZZ, 3.7.85; 30.10.85; BaZ, 15.10.85 ; V. Spoerry, Politische und wirtschaftliche Aspekte der Unternehmensbesteuerung, Zürich 1985 ; H. Masshardt, Kommentar zur direkten Bundessteuer, 1985. Vgl. auch SPJ, 1984, S. 89.
[16] BBl, 1985, II, S. 997 ff.; Presse vom 19.8.85; 3.9.85; Ww, 34, 22.8.85; NZZ, 21.9.85; 30.9.85; Siehe auch unten, Teil III, a (FDP). Zur kritischen Stellungnahme der CVP vgl. CVP-Pressedienst, 71, 2.9.85. Vgl. ferner Bundesamt für Statistik, Steuerbelastung in der Schweiz 1983, Bern 1984 ; dass., Steuerbelastung in der Schweiz 1984, Bern 1985; dass., Eidgenössische Wehrsteuer, Statistik der 20. Periode (1979-80), Bern 1984; dass., Eidgenössische Wehrsteuer, Statistik der 21. Periode (1981-82), Bern 1986; Eidgenössische Steuerverwaltung, Eidgenössische Wehrsteuer, 21. Periode (Steuerjahr 1981/82), Natürliche Personen: Kantone, ,Bern 1985; dies., Eidgenössische Wehrsteuer, 21. Periode (Steuerjahr 1981/82), Natürliche Personen: Gemeinden, Bern 1985; wf, Dok., 8, 25.2.85 ; 13, 1.4.85 ; 36, 9.9.85 ; 37, 16.9.85 ; 38, 23.9.85 ; 40, 7.10.85 ; 41,14.10.85 ; Sonntags-Blick, 12.5.85 ; SGT, 25.5.85; BZ, 23.7.85; 24.7.85; Die Volkswirtschaft, 58/1985, 5.558 f.; P. Kubli, Nachsteuerrecht und Nachsteuerverfahrensrecht, Zürich 1984.
[17] Zweite Säule : Amtl. Bull. NR, 1985, S. 291 ff. und 761; Amtl. Bull. StR, 1985, S. 187 f. und 246 ; BBl, 1985, I, S. 839 ff.; Presse vom 6.3.85; NZZ, 15.3.85. Dritte Säule: NZZ, 6.9.85; Presse vom 14.11.85. Siehe auch unten, Teil I, 7c (Prévoyance professionnelle) und SPJ, 1984, S.89.