Année politique Suisse 1985 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt
 
Gewässerschutz
Die Vernehmlassung zur Revision des Gewässerschutzgesetzes (GSG) wurde abgeschlossen [12]. Betreffend den qualitativen Gewässerschutz (Massnahmen gegen die Gewässerverschmutzung) fand der Gesetzesentwurf weitgehend Zustimmung. Die Umweltschutzorganisationen sowie CVP, SP und SGB verlangten allerdings weitergehende Vorschriften, insbesondere bezüglich Nitratgehalt, Klärschlamm und Landwirtschaft. Kritisiert wurde auch der Verzicht auf Lenkungsabgaben für industrielle und gewerbliche Abwässer. Beim quantitativen Gewässerschutz, der die Nutzung der Gewässer sowie Eingriffe in Wasserläufe und Uferbereiche regelt, erwuchs dem Kernstück der GSGRevision, der Regelung der Restwassermenge, starke Opposition: Während die politischen Parteien die vorgeschlagenen Restwassermengen als nicht zu unterschreitendes Minimum bezeichneten, kritisierte die Energiewirtschaft diese als zu starr; mit dem Hinweis auf Produktionsverluste und die Verteuerung der Hydroelektrizität lehnte sie die Vorlage als zu einseitig ökologisch ausgerichtet ab. Die betroffenen Kantone, welche sich in ihrer Gewässerhoheit bedroht sahen, machten geltend, dass die Bestimmungen über das Restwasser und über Konzessionserteilungen zur Wasserkraftnutzung für sie starke finanzielle Einbussen brächten. Eine Lösung dieses Problems strebte die von Umweltschutzkreisen vorgeschlagene Schaffung eines Gewässerfonds an, der nach dem Verursacherprinzip von der Elektrizitätswirtschaft zu speisen wäre und die nötigen Abgeltungen für die betroffenen Gemeinden zu erbringen hätte. Im übrigen lehnten die Umweltschutzorganisationen und namentlich die Initianten der «Initiative zur Rettung unserer Gewässer» das revidierte GSG in der vorgeschlagenen Form entschieden ab. Die Restwassermengen seien ungenügend festgelegt und sogar niedriger, als sie nach dem Fischereigesetz von 1973 durchgesetzt werden könnten. Zudem biete die Vorlage zuwenig Handhabe, die bereits beeinträchtigten Gewässer zu sanieren, und sei nicht geeignet, die Zerstörung der letzten natürlichen Gewässer wirksam zu bekämpfen. Angesichts des wieder gestiegenen Interesses der Energiewirtschaft an hydroelektrischen Projekten befürchteten Umweltschutzkreise einen verstärkten Druck zum Ausbau der Wasserkraftnutzung; dies um so mehr, als bei der Revision des Wasserrechtsgesetzes die Erhöhung des Wasserzinses beschlossen worden war. Um eine Denkpause bis zur Regelung der Frage des Naturschutzes im revidierten GSG zu ermöglichen, verlangte Nationalrat Loretan (fdp, AG) daher einen Konzessionsstopp durch dringlichen Bundesbeschluss; die Motion wurde in Form eines Postulates überwiesen [13].
Mit einer Änderung der Waschmittelverordnung setzte der Bundesrat auf den 1. Juli 1986 ein Phosphatverbot für Textilwaschmittel in Kraft. In der Vernehmlassung war die Notwendigkeit, die Phosphatbelastung der Seen wirksam zu reduzieren, unbestritten gewesen. Zu Kontroversen hatte dagegen die Zulassung von Nitrilotriessigsäure (NTA) als Ersatzstoffgeführt, da NTA Schwermetalle aus Gewässersedimenten lösen kann. Um eine mögliche Gewässerbelastung durch Phosphatersatzstoffe zu verhindern, wurde der NTAGehalt in Waschmitteln auf höchstens fünf Gewichtsprozente beschränkt, und die Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasser und Gewässerschutz (EAWAG) bereitete ein Überwachungsprogramm für Kläranlagen, Gewässer und Trinkwasser vor. Das Phosphatverbot wurde denn auch — ausser von den Waschmittelherstellern — allgemein als wegweisender, mutiger Schritt im qualitativen Gewässerschutz begrüsst [14]. Der Bundesrat erklärte, dass er im Sinne einer weiteren Ursachenbekämpfung auch die Phosphatbelastung durch die Landwirtschaft drastisch einzudämmen beabsichtige: Neben dem konsequenteren Vollzug der seit 1981 geltenden Kläschlammverordnung soll mittels der Verordnung über umweltgefährdende Stoffe die Anwendung von Düngemitteln reglementiert und ihre Abschwemmung in die Gewässer verhindert werden [15]. Damit allerdings die überdüngten Mittellandseen, deren Phosphatkonzentrationen derzeit noch fünf- bis fünfzehnfach über dem kritischen Grenzwert liegen, wirksam saniert werden können, bedarf es zusätzlich zur Reduktion des Phosphor-Eintrags auch seeinterner Massnahmen, welche die Rücklösung von Phosphor aus Seesedimenten massiv reduzieren [16].
 
[12] GSG-Revision: NZZ, 15.3.85; 20.4.85; Bund, 20.8.85; SPJ, 1983, S. 129 f.; 1984, S. 123. Vernehmlassung: NZZ, 2.10.85; 12.10.85; Presse vom 18.10.85; Vat., 21.10.85; SGU-Bulletin, 1985, Nr. 4. Eine Motion von StR Knüsel (fdp, LU) möchte im revidierten GSG auch die Grund- und Weiterausbildung von qualifizierten Gewässer- und Fischwarten verankern (Verhandl. B.vers., 1985, III, S. 87).
[13] Gewässerfonds: SGU-Bulletin, 1985, Nr. 4; siehe auch BBl, 1983, II, S. 357 f. (Initiative zur Rettung unserer Gewässer) und Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1162 f. und 1185 ff. (vgl. TA, 21.6.85) sowie Verhandl. B.vers., 1985, IV, S. 61. Motion Loretan: Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1225 ff.; TA, 22.6.85; siehe auch SPJ, 1983, S. 129 f. sowie oben, Teil I, 6a (Centrales hydroélectriques).
[14] AS, 1985, S. 872 ff.; Presse vom 4.7.85; Bund, 5.8.85; vgl. SPJ, 1983, S. 130; 1984, S. 123 f. Keine Chance hatte ein Postulat von StR Cavelty (cvp, GR), das einen Verzicht auf das Phosphatverbot forderte und statt dessen ein wirksames Programm zur integralen Bekämpfung der Gewässerüberdüngung anregte (Amtl. Bull. StR, 1985, S. 546 ff.).
[15] Amtl. Bull. StR., 1985, S. 547 f. Siehe auch Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1269 f. sowie die Postulate von NR Brélaz (écol., VD) und NR Müller (gp, ZH), die beide Vorschläge zur Lösung des Klärschlammproblems sowie der Phosphatbelastung durch die Landwirtschaft machen (Verhandl. B.vers., 1985, IV, S. 42 und 66). Vgl. ferner AT, 30.1.85 ; NZZ, 15.2.85 ; 31.5.85 ; BaZ, 24.4.85. Das Bundesgericht bestätigte einen richterlichen Entscheid, wonach das Ausbringen von Jauche auf schneebedeckte oder gefrorene Böden auch ohne direkt nachweisbare Gewässerverunreinigung strafbar ist (NZZ, 14.12.85; Umweltschutz in der Schweiz, 1986, Nr. 1).
[16] Bund, 12.6.85; SGU-Bulletin, 1985, Nr. 1; siehe auch BUS, Gewässerschutzstatistik, Bern 1985.