Année politique Suisse 1985 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt
 
Natur- und Heimatschutz
Um dem Natur- und Heimatschutz mehr politisches Gewicht zu geben, wie dies parlamentarische Vorstösse zur Verstärkung der Staatstätigkeit in diesem Bereich immer wieder forderten, wurde die Stellung der Abteilung Natur- und Heimatschutz im Bundesamt für Forstwesen aufgewertet und eine neue Hauptabteilung Landschaftsschutz geschaffen. Mit einem Zuschuss von 2 Mio Fr. aus dem Treibstoffzollzuschlag erhielten die finanziellen Mittel zur Gewährung von Subventionen gemäss Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG) eine dringend nötige Aufbesserung [22].
Als indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «zum Schutz der Moore» (Rothenthurm-Initiative) unterbreitete der Bundesrat dem Parlament eine Änderung des NHG, welche einen Ausbau der Bestimmungen über den Biotopschutz beinhaltet. Indem nicht nur Moore, sondern ganz allgemein die Lebensräume bedrohter Tier- und Pflanzenarten wirksamer geschützt werden sollen, geht die NHG-Revision zwar weiter als die Initiative. Jedoch hielt die Regierung mit dem Hinweis auf das unabdingbare militärische Bedürfnis in ihrer Botschaft am Projekt des Waffenplatzes in Rothenthurm (SZ) fest, obwohl dieses bedeutsamste Hochmoorgebiet der Schweiz ins Bundesinventar schützenswerter Landschaften von nationaler Bedeutung (BLN-Inventar) aufgenommen worden war [23].
Die Natur- und Heimatschutzorganisationen konnten im Berichtsjahr mehrere Erfolge verbuchen: Angesichts der starken Opposition, welche dem vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickten Bundesgesetz über die Freihaltung der Wasserstrassen vor allem aus natur- und landschaftsschützerischen Gründen erwuchs, scheint es, als müsse die Verwirklichung der jahrhundertealten Idee eines transhelvetischen Kanals von Basel via Rhein und Aare bis zum Genfersee endgültig begraben werden. Im Falle des geplanten Motorfahrzeug-Typenprüfzentrums in Bösingen (FR) lehnte es die Volkskammer als Erstrat ab, auf die bundesrätliche Vorlage einzutreten, obwohl keine Alternative zu diesem Standort gefunden werden konnte. Das umstrittene Projetk hätte eine der letzten Auenlandschaften der Schweiz gefährdet. Ob die Gebirgslandschaft Greina-Piz Medel (GR) und andere von Wasserkraftwerk-Projekten bedrohte Gegenden gerettet werden können, bleibt abzuwarten [24].
Bei der Behandlung des Fuss- und Wanderweggesetzes (FWG) revidierte der Nationalrat den ständerätlichen Entscheid vom Vorjahr. So nahm er den vom Bundesrat vorgeschlagenen, von den Ständevertretern aber gestrichenen Artikel wieder auf, gemäss dem die Betroffenen sowie die interessierten Organisationen und Bundestellen an der Planung der Kantone zu beteiligen sind. Bezüglich der Forderung nach ungeteerten Wanderwegen entschied sich der Nationalrat für eine flexible Variante, die auch schwach befahrene Strassen als Verbindungsstücke von Wanderwegnetzen einschliesst. Verbindlicher als der Ständerat legte er ferner die Rücksichtnahme auf die Anliegen der Land- und Forstwirtschaft sowie des Natur- und Heimatschutzes fest. Nach der Zustimmung der Ständekammer zu diesen Abweichungen wurden das FWG von beiden Räten verabschiedet [25].
Das Inventar schützenswerter Ortsbilder (ISOS) konnte um eine dritte Serie erweitert werden. Damit steht dieses Planungsinstrument zur Förderung der Ortsbildpflege nun für die Hälfte der Kantone zur Verfügung [26].
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K.H.
 
[22] Gesch. ber., 1985, S. 66; TA, 15.4.85; vgl. Verhandl. B.vers., 1985, IV, S. 69; V, S. 83. Von zusätzlichen 15 Mio Fr. aus Treibstoffzollerträgen profitierte auch die Denkmalpflege; die umstrittene Praxis, Denkmalschutzsubventionen für finanzstarke Kantone aus Spargründen nicht mehr zu gewähren, soll nun überprüft werden (vgl. Gesch. ber., 1985, S. 49 f. sowie die als Postulat überwiesene Motion von StR Miville, sp, BS: Amtl. Bull. StR, 1985, S. 668 ff.; BaZ, 11.12.85). Siehe allgemein auch O. Ueberdiek, Naturschutz und Landschaftspflege: Analyse und Programmierung eines Politikfeldes, Frankfurt/M. 1985; T. Hunziker, Landschaftsschutz konkret, Bern 1985; SBN, 75 Jahre Naturschutz in der Schweiz, Basel 1985.
[23] BBl, 1985, II, S. 1445 ff. und 1471 ff.; NZZ, 25.1.85; 12.3.85; Presse vom 12.9.85; Friedenszeitung, 56, April 1986; vgl. oben, Teil I, 3 (Infrastrukturanlagen). Mit 53% Ja-Stimmen nahm der Schwyzer Souverän überraschend die von grünen Kreisen eingereichte Landschaftsschutz-Initiative an, welche u. a. gegen den geplanten Waffenplatz in Rothenthurm gewendet werden kann (Vat., 23.9.85; vgl. SPJ, 1982, S. 117); zur Kontroverse um die Auslegung dieses Volksentscheides siehe Vat., 3.10.85; 21.11.85; 20.12.85.
[24] Transhelvetischer Kanal : siehe oben, Teil I, 6b (Schiffahrt). Typenprüfzentrum Bösingen : Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1405 ff.; BBl, 1984, II, S. 859; AT, 23.1.85; Bund, 26.1.85; 11.9.85; vgl. SPJ, 1984, S. 124. Wasserkraftwerkprojekte: TA, 14.8.85; 18.10.85; Presse vom 20.8.85; 21.10.85; Bilanz, 1985, Nr. 10; SGU-Bulletin, 1986, Nr. 1 ; Schweizer Naturschutz, 1986, Nr. 1; M.F. Broggi / W.J. Reith, Beurteilung von Wasserkrafprojekten aus der Sicht des Natur- und Heimatschutzes, Bern 1984; vgl. oben (Gewässerschutz) sowie Teil I, 6a (Centrales hydro-électriques).
[25] Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1372 ff., 1676 und 1859; Amtl. Bull. StR, 1985, S. 550 f. und 607; BBl, 1985, II, S. 1291 ff.; NZZ, 11.7.85; 2.10.85; 5.10.85; SZ, 16.9.85; Presse vom 18. und 19.8.85; SGT, 21.9.85; vgl. SPJ, 1984, S. 125.
[26] AS, 1986, S. 77 ff.; NZZ, 18.12.85; vgl. SPJ, 1981, S. 120.