Année politique Suisse 1985 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung
Berufsbildung
Ohne grosses Aufsehen wurden in weiteren Kantonen die Einführungsgesetze zum Bundesgesetz über die Berufsbildung verabschiedet
[16]. Hingegen
zeigten sich bei der Durchsetzung des Berufsbildungsgesetzes grössere Probleme: So verfügen gegen 50% der Lehrberufe noch nicht über die vorgeschriebenen Reglemente für Einführungskurse und erst etwa 40% aller Lehrlinge kommen in den Genuss des obligatorischen Turnunterrichts. Der Bundesrat verzichtete jedoch vorläufig darauf, dem Bundesgesetz mit Subventionskürzungen Nachdruck zu verschaffen. Eine Umfrage der Berner Jugendkonferenz unter den Lehrlingen ergab ferner, dass sich mehr als die Hälfte der Lehrbetriebe zuwenig ans Berufsbildungsgesetz halten; eine zweite Umfrage des Kaufmännischen Vereins in Bern bestätigte diese Ergebnisse weitgehend
[17].
Einen Schritt zur
Anpassung der Berufsbildung an die Erfordernisse des Arbeitsmarktes vollzog das BIGA, indem es im Lehrplan
20 Lektionen Informatik für alle Lehrlinge verankerte; die nötigen Programme wurden bereits ausgearbeitet und 800 Lehrer entsprechend ausgebildet, so dass diese Neuerung spätestens 1986 in der ganzen Schweiz eingeführt werden kann. Das BIGA sah dabei von einer Erweiterung des Lehrangebots ab und plädierte stattdessen für eine «Entschlackung» der Ausbildungsreglemente. SGB und am allgemeinbildenden Unterricht interessierte Kreise begrüssten zwar die Einführung der Informatik, sie wehrten sich jedoch gegen eine Umgewichtung des Lehrplanes zulasten der allgemeinbildenden Fächer
[18].
Bei der Beratung der
Volksinitiative der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) «für eine gesicherte Berufsbildung und Umschulung» folgte der Nationalrat dem Bundesrat und
sprach sich mit 113: 6 gegen das Begehren aus. Ebenfalls abgelehnt wurden zwei sozialdemokratische Motionen, welche auf eine Änderung des Berufsbildungsgesetzes abzielten: Die erste wollte die 1984 beschlossenen Kürzungen der Bundesbeiträge an die Berufsbildung rückgängig machen, und die zweite sah die Einführung von Stützkursen für Lehrlinge und von Weiter- und Umschulungskursen für Erwachsene vor. Überwiesen wurde hingegen — allerdings in der abgeschwächten Form eines Postulats — ein Vorstoss von SGB-Präsident Reimann (BE) für eine breite berufliche und allgemeine Grundausbildung in den gewerblich-industriellen Lehrberufen. Dieser entspricht inhaltlich den vom SGB verabschiedeten «Grundzügen für eine zukunftsoffene Berufsbildung»
[19].
Die Zahl der in der Berufsausbildung stehenden Jugendlichen blieb mit 241 200 auf dem Stand von 1984. Wie schon in den Jahren zuvor erhöhte sich der Anteil der Frauen (39,8%) und Ausländer (11,9%); die Frauen wählten jedoch überwiegend traditionelle Frauenberufe mit kurzen Ausbildungszeiten. 1984/85 schlossen 78% der männlichen und 61% der weiblichen Jugendlichen eine Berufsausbildung ab; ohne Abschluss blieben 8% bei den Männern und 24% bei den Frauen
[20].
[16] Von Volk oder Parlament wurden Einführungsgesetze gutgeheissen in BL (BaZ, 11.6.85 ; 2.12.85), BS (BaZ, 22.2.85), FR (Lib., 13.2.85; 11.5.85; 20.9.85) und SO (SZ, 2.12.85); in TG steht die Volksabstimmung noch aus (SGT, 13.12.85). Erzieherorganisationen protestierten in GE gegen den vorgestellten Entwurf zum Einfiihrungsgesetz und reichten eine Petition ein (JdG, 19.4.85 ; 7.6.85 ; 22.6.85). In BS verwarf der Souverän die Volksinitiative «Berufsbildung für alle», welche 1980 vom Basler Gewerkschaftsbund und der Gewerkschaft Erziehung eingereicht worden war (BaZ, 22.2.85; 29.5.85; 30.5.85; 10.6.85). Vgl. auch SPJ, 1980, S. 190; 1983, S. 164.
[17] BZ, 1 5.1.85 ;NZZ, 4.6.85 ; Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1305 (Anfrage M. Weber, Idu, ZH). Verstösse gegen das Berufsbildungsgesetz: Berner Presse vom 4.3.85; 11.3.85; 18.3.85; 29.11.85; Tell, 7, 28.3.85. Vgl. auch E. Wettstein u.a., Die Berufsbildung in der Schweiz — eine Einführung, Luzern 1985; U. Kraft, « natürlich hat mich meine Lehre verändert !», Zürich 1985. Zum Stand des Nationalen Forschungsprogramms Nr. 10 « Bildung und das Wirken in Gesellschaft und Beruf» (EVA) siehe BaZ, 31.10.85; 1.11.85; NZZ, 2.11.85 Vgl. auch SPJ, 1983, S. 164.
[18] TA, 14.1.85; Presse vom 27.4.85 ; TW, 4.5.85 ; BaZ, 13.5.85. Vgl. auch die vom NR überwiesene Motion der Wirtschaftskommission für ein befristetes Weiterbildungsprogramm für Fachlehrer an Berufsschulen (Amtl. Bull. NR, 1985, S. 411 f.; Amtl. Bull. StR, 1985, S. 724 ff.). Siehe ferner SPJ, 1983, S. 164 f.; 1984, S. 155.
[19] SAP-Initiative und SP-Motionen: Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1601 ff.; Presse vom 27.9.85; PZ, 36, 2.10.85; SGB, 28, 3.10.85; Bresche, 277, 14.10.85; 278, 28.10.85. In TI wurden zwei Volksinitiativen der SAP für eine Verbesserung der beruflichen Ausbildung im Verhältnis 2:3 abgelehnt (CdT, 22.5.85; 3.9.85; 9.9.85). SGBKonzept: SGB-Rundschau, 77/1985, S. 100 ff.; NZZ, 2.7.85; Bresche, 275, 16.9.85; 280, 25.11.85. NR Carobbio (psa, TI) zog seine Motion, die ebenfalls auf eine möglichst vielseitige Berufsausbildung abzielte, zurück (Amtl. Bull. NR, 1985, S. 408 ff.). Vgl auch SPJ, 1983, S. 164 f.; 1984, S. 157.
[20] Bundesamt für Statistik, Schülerstatistik 1984/85, Berufsausbildung (Sekundarstufe II), Bern 1985; Die Volkswirtschaft, 58/1985, S. 685 ff.; wf, Kurzinformationen, 19, 13.5.85. Vgl. auch SPJ, 1984, S. 158. Siehe ferner R. Gurny u.a., Karrieren und Sackgassen. Wege ins Berufsleben junger Schweizer und Italiener in der Stadt Zürich, Diessenhofen 1984; SGT, 19.6.85; NZZ, 10.9.85 (Frauen und Berufsbildung).
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