Année politique Suisse 1985 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
 
Radio und Fernsehen
Die Entwicklung im Bereich Radio und Fernsehen war 1985 wieder verstärkt durch die Spannung zwischen den vorläufig noch fehlenden gesetzlichen Grundlagen und den bereits eingeführten, anvisierten oder neu geforderten vorgezogenen Regelungen für einzelne Teilbereiche gekennzeichnet. Mit Vorschlägen für ein neues Radio- und Fernsehgesetz befasste sich sowohl die Expertenkommission für eine Medien-Gesamtkonzeption wie auch eine Arbeitsgruppe des EVED. Dessen Vorsteher, Bundersrat Schlumpf, bekräftigte den Willen der Landesregierung, dem Parlament bis 1987 ein entsprechendes Gesetz vorzulegen und bestätigte, dass alle neuen Medienveranstalter ihre Sendeerlaubnis nur unter der Bedingung erhielten, dass damit kein definitiver Anspruch verbunden sei. Ständerat Piller (sp, FR) zog deshalb eine Motion für einen dringlichen Bundesbeschluss wieder zurück. Ein publik gewordener verwaltungsinterner Vorentwurf der Arbeitsgruppe des EVED sorgte für einige Aufregung, weil dieser der Tendenz nach auf eine weitreichende Privatisierung und Liberalisierung der Medienordnung zuungunsten der SRG schliessen liess. Deren Existenz, gebunden an einen umfassenden Programmauftrag, wäre zwar garantiert ; weil aber Werbung unbeschränkt freigegeben und den lokalen Veranstaltern, die ihr Versorgungsgebiet ausweiten könnten, ein Anrecht auf einen Teil der Gebühren zuerkannt würde, sind der SRG auch gleich die in diesem Fall kaum beliebten Subventionskrücken des Bundes in Aussicht gestellt [6].
Unter Dach ist dafür bereits der Bundesbeschluss über das Kurzwellenradio Schweizer Radio International (SRI), der von beiden Räten in der Gesamtabstimmung einstimmig angenommen würde. Während die vorgesehene Neuregelung der Finanzierung, derzufolge sich der Bund künftig je zur Hälfte an den Kosten für das Programm und den technischen Bereich beteiligen wird, nicht bestritten war, stiess der von der Landesregierung vorgeschlagene konkrete Auftrag an die Journalisten auf deutliche Ablehnung. Diese wären damit verpflichtet gewesen, die Interessen der Schweiz im politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bereich in ausgewogener Weise zu fördern. Die ersatzlose Streichung des umstrittenen Abschnitts, die Nationalrat Bremi (fdp, ZH) vorgeschlagen hatte, wurde denn auch als Sieg der Pressefreiheit gefeiert. Die aus technischen Gründen erforderliche Neuerrichtung der Sendeanlagen, deren genauer Standort noch nicht bekannt ist, stiess bei allenfalls betroffenen Gemeinden im Kanton Jura und auch bei dessen Regierung auf wenig Begeisterung [7].
Zu den rechtlich vorgezogenen Teilregelungen zählt die Verordnung über lokale Rundfunk-Versuche (RVO), die 1985 weiterhin umstritten war. Mit dem Hinweis aufeine dramatische Verschlechterung der finanziellen Situation einiger Sender forderten namentlich grössere und mittlere Lokalradios eine Verdoppelung der täglichen Werbezeit. Dem stand gegenüber, dass viele Stationen die ihnen bis jetzt zugestandenen 15 Minuten gar nicht mit Werbung zu füllen vermochten. Gerade kleinere Sender befürchteten deshalb, dass eine längere Werbezeit zu tieferen Preisen pro Zeiteinheit und deshalb zu geringeren Einnahmen führen würde. Der Bundesrat beschloss schliesslich eine erneute Änderung der RVO, mit der die Werbezeit für Lokalradios von 15 auf 20 Minuten pro Tag verlängert wird. Dies in des Überlegung, dass von den 27 Lokalradios nur 6 in den schwarzen Zahlen sind und eine Verdoppelung den finanziell gesunden zugute gekommen wäre. Er lockerte im weiteren einen Teil der Branchenbeschränkungen bei der Werbung und erleichterte die programmliche Zusammenarbeit von Sendern. Die erneute Änderung der Versuchsanordnungen stiess auf eine schon etwas schlaffer gewordene Kritik, die wiederum eine Aushöhlung der RVO beklagte [8].
Im gleichen Zug, und entgegen der Mehrheitsmeinung einer dafür durchgeführten Vernehmlassung, genehmigte die Landesregierung auch die umstrittene neue Beteiligungsstruktur beim Zürcher Lokalsender «Radio Z»; sie stellte fest, dass durch die Partizipation zweier Verleger mit je 10% am Aktienkapital von einer publizistischen Vormachtstellung von «Radio Z» nicht gesprochen werden könne. Schon zuvor hatte die Exekutive in Beantwortung von Interpellationen der Nationalräte Wyss (fdp, BS) und Stappung (sp, ZH) festgestellt, dass im Einzelfall entsprechend den lokalen Verhältnissen entschieden werden müsse und dass sie nur im Fall einer Übernahme grosser Lokalradiostationen durch grosse Verlage zur Verhinderung einer Verlegerbeteiligung wegen Gefährdung der Versuchsziele bereit sei. Bei der Bewilligung neuer Lokalrundfunkgesuche jedenfalls hielt der Bundesrat an seiner restriktiven Praxis fest. Dafür gestattete er eine Zusammenlegung zweier Sender im Kanton Neuenburg und damit auch die Erweiterung des Sendegebiets zu einem eigentlichen Kantonsradio [9].
Die von der RVO geforderte Begleitforschung kommt nur langsam in Gang, nicht zuletzt auch wegen mangelnder Kooperationsbereitschaft der einzelnen Sender. Diese sind vielmehr an Umfragen über Hörerbeteiligung interessiert. Eine im Auftrag der Lokalradios durchgeführte Erhebung der AG für Werbemittelforschung (WEMF) stellte fest, dass in verschiedenen Agglomerationen die Lokalradios mehr Hörer anzuziehen vermochten als die Programme von Radio DRS. Die WEMF musste allerdings später fehlerhafte Manipulationen der Daten zugeben, die zu unvorteilhaften Resultaten für die SRG geführt hatten. Deren eigene Hörerforschung ergab ein differenziertes Ergebnis, indem sie generell einen leichten Rückgang für SRG und ausländische Programme und eine etwas verbesserte Beachtung der Lokalsender eruierte, wobei die Situation in den einzelnen Konzessionsgebieten jedoch sehr unterschiedlich ist. Das Verhältnis zwischen Lokalradios und SRG hat sich im übrigen weiter entspannt; so senkte diese die Unkostenbeiträge für die Übernahme ihrer Programme um durchschnittlich 30%. Aber auch die umgekehrte Zusammenarbeit kam erstmals zustande, indem «Couleur 3», das dritte SRG-Radioprogramm der Westschweiz, täglich vier Stunden Sendezeit vom Lausanner Lokalradio «Radio L» übernahm [10].
Nachdem sich die Lokalradios mehr oder weniger etabliert haben und nach EVEDGeneralsekretär Mühlemann aus der Medienszene nicht mehr wegzudenken sind, weil sie einem Bedürfnis des Publikums entsprechen, dreht sich die neue grosse Auseinandersetzung um das Lokal- oder Regionalfernsehen. Zwar erlaubt die RVO durchaus auch Lokalfernsehversuche, und der Bundesrat verlängerte in diesem Bereich die Versuchsdauer der beiden bekanntesten Sender «Zuger Regionalfernsehen» und «Sierre-Canal 9». Weil aber auf RVO-Grundlage Werbung für Fernsehen nicht zugelassen ist, können die beiden Stationen kein volles Programm anbieten und nur unregelmässig senden. Durchgehende Lokalfernsehprogramme sind ohne Werbeeinnahmen nicht zu realisieren und bedürfen daher einer andern rechtlichen Grundlage. Eine Möglichkeit erarbeitete die Arbeitsgruppe Basler Fernsehen (SRG, Basler Handelskammer, Mustermesse, «Radio Basilisk», «Basler Zeitung»), die ein Modell für die Zusammenarbeit mit der SRG vorstellte. Demzufolge wäre ein eigenständiges regionales Programm in ein sprachregionales viertes Programm der SRG eingebettet. Das Lokalprogramm könnte dadurch mittels national akquirierter Werbung finanziert werden. Dieses regionale Fenstermodell stiess in einer Vernehmlassung auf grundsätzliche Zustimmung; einzig die als Trägerschaft vorgesehene Stiftung wurde als zu abgeschlossen kritisiert und eine breitere Verankerung gewünscht. Der Zentralvorstand der SRG unterstützte das Vorhaben und reichte beim Bundesrat ein Gesuch um Ergänzung seiner Konzession ein, um während einer fünfjährigen Versuchsdauer ein Pilotprojekt im Raum Basel mit einem autonomen regionalen Veranstalter durchführen zu können. Als konzessionsrechtlicher Partner der SRG ist eine in der Rechtsform des Vereins organisierte Trägerschaft vorgesehen. Trotzdem verstummten Befürchtungen wegen eines Ausbaus der publizistischen Vormachtstellung von «Radio Basilisk» und «Basler Zeitung» nicht. Auf dem gleichen Prinzip wie das Basler Projekt beruht ein Modell für ein Berner Regionalfernsehen, das von der Radio- und Fernsehgenossenschaft Bern, der lokalen SRG-Trägerorganisation, in eine Vernehmlassung geschickt wurde [11].
Dem Kooperationsmodell regionale Veranstalter/SRG kommt grundsätzliche Bedeutung zu, weil die der Schweiz aufgrund internationaler Abkommen zur Verfügung stehenden Frequenzen höchstens vier landesweite terrestrische Fernsehkanäle zulassen und drei davon schon von der SRG belegt sind. Deshalb mehrten sich die Stimmen, die sich dagegen wehrten, der SRG auch noch den vierten Kanal für ihre geplante Ereigniskette (Sport, Grossanlässe usw.) zuzugestehen, und die vielmehr die Abtretung der letzten freien Frequenz an private Veranstalter ohne Beteiligung der SRG forderten. Zwei entsprechende Gesuche, namentlich begründet mit der Zunahme ausländischer Satellitenprogramme und der Verteidigung des schweizerischen Werbemarktes, wurden beim EVED eingereicht. Für das Projekt «Zürivision» der beiden Medienfirmen Ringier AG, die schon zuvor die Einrichtung eines eigenen Fernsehstudios bekanntgegeben hatte, und Radio 24 AG fehlt allerdings die nötige Rechtsgrundlage; sie wurde deshalb von den Initianten mit einem dringlichen Bundesbeschluss herbeigewünscht. Nationalrat Bremi (fdp, ZH) sekundierte mit einer Motion, die die vorgezogene Schaffung von Rechtsgrundlagen für die Einführung des Regionalfernsehens fordert. In seiner Stellungnahme lehnte der Bundesrat diesen Vorschlag ab, insbesondere weil er befürchtet, dass bei einer separaten Regelung des Regionalfernsehens in Form eines Bundesbeschlusses der Wille, eine gesamtheitliche Lösung für den Rundfunkbereich zu erarbeiten, erlahmen könnte. Der von der «Zürivision» ins Auge gefasste Senderaum (Kantone Zürich, Schaffhausen und Zug sowie Teile der Kantone Aargau, Schwyz und St. Gallen) und die allfällige Errichtung privater Sender in andern Zentren könnte später zu deren Zusammenschluss zu einem zweiten Schweizer Fernsehen führen, was im jetzigen Zeitpunkt im Gegensatz zur offiziellen Doktrin im Rundfunkwesen stünde [12].
Das zweite Konzessionsgesuch wurde von der «Arbeitsgemeinschaft für ein Zürcher Regionalfernsehen» (ZRF) eingereicht, hinter der die Verlagshäuser Jean Frey, Tages-Anzeiger und Züriwoche sowie zwei Audiovisionsunternehmen stehen. Dieses Projekt besitzt insofern einen technischen Vorteil, als es seine Sendungen nur über Kabelnetze vermitteln will und dafür bereits die Zusage der Firma Rediffusion besitzt. Die Frage der Nutzung der letzten verfügbaren landesweiten Fernsehfrequenz würde dadurch nicht berührt. Die Radio- und Fernsehgenossenschaft Zürich als lokale Zürcher SRG-Trägerschaft überraschte in diesem Zusammenhang mit einer prinzipiellen Stellungnahme zugunsten eines privaten, SRG-unabhängigen Lokalfernsehens in Zürich. Für die Nutzung des vierten Fernsehkanals wurden aber auch andere, nicht private Begehren angemeldet. Der Schweizerische Verband für drahtlose Verbreitung von Radio- und Fernsehprogrammen im Alpengebiet (VRFA) forderte die zuständigen Bundesbehörden mit Nachdruck auf, den vierten Fernsehkanal für die ausgewiesenen Bedürfnisse des Berggebietes, das gegenüber den Agglomerationen ein beträchtliches quantitatives Versorgungsdefizit beklagt, freizugeben [13].
Im Gegensatz zum Verfahren beim Regionalfernsehen hatte sich die Landesregierung schon im Vorjahr für die Regelung des Satellitenfernsehens mittels eines vorgezogenen allgemeinverbindlichen Bundesbeschlusses entschieden. Ein entsprechender Entwurf; der aber nur die Direkt-Rundfunksatelliten, die es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gab, betraf, ging im Frühjahr in die Vernehmlassung. Zwanzig Kantone und fünf Parteien (CVP, FDP, SVP, Landesring und Liberale Partei) befürworteten eine vorgezogene Regelung, die jedoch von zwei Kantonen (ZG, TG) sowie von SP, PdA, SGB und den Verbänden der Journalisten und Medienschaffenden abgelehnt wurde. Eine anders zusammengesetzte Mehrheit votierte für den Einbezug der heute verwendeten Fernmeldesatelliten, der PTT-Kopfstationen und der Kabelnetzeinspeisung in den Regelungsbereich. Der vom Bundesrat am Jahresende zuhanden des Parlamentes verabschiedete Entwurf trug den Einwänden teilweise Rechnung. Der Bundesbeschluss ist offen für die weitere technische Entwicklung, indem er der Landesregierung gestattet, Konzessionen auch für die Nutzung künftiger Satellitengenerationen, insbesondere der mittelstarken Satelliten (Medium Power Satellites) zu erteilen. Desgleichen soll die Übernahme von Satellitenprogrammen durch Kabelnetze geregelt werden. Generell sieht der Entwurf eine gemischte, nicht monopolistische Lösung mit Mitwirkungsmöglichkeit der SRG vor. Konzessionen sollen für die Verbreitung eigener Programme wie auch für die Übernahme von Programmen via Satellitenrundfunk erteilt werden; sie können nur an schweizerisch beherrschte juristische Personen vergeben werden. Die Finanzierung der Sendungen soll durch zeitlich und sachlich eingeschränkte Werbung sowie durch offengelegtes Sponsoring erfolgen und die Programmgestaltung hätte der Förderung der schweizerischen Präsenz im Ausland und der Beziehungen zu den Auslandschweizern sowie der Völkerverständigung und dem internationalen Kulturaustausch zu dienen. Die technische Durchführung schliesslich soll zu kostendeckenden Bedingungen durch die SRG erfolgen [14].
Im Zusammenhang mit dem Satellitenfernsehen meldete sich erstmals die Schweizerische Vereinigung für elektronische Kommunikation (Helvecom) zu Wort, die sich aus prominenten, aber branchenfremden Firmen der Schweizer Privatwirtschaft zusammensetzt. Die Helvecom möchte die Kommunikationsmärkte der Privatindustrie offenhalten und glaubt, die PTT seien den tiefgreifenden Umwälzungen mit den riesigen Innovations- und Investitionsschüben kaum gewachsen. Sie will nicht selbst als Medienunternehmen tätig werden, sich aber um eine Satellitenkonzession zuhanden einer noch zu gründenden Gesellschaft bewerben. Die SRG setzte ihrerseits die Strategie der umfassenden Präsenz konsequent fort. Sie will, wenn auch mit reduziertem Engagement, an dem über den Fernsehsatelliten ECS 1 ausgestrahlten deutschsprachigen Kulturprogramm «Eins plus» mitmachen wie auch in der neugegründeten «Europäischen Produktionsgemeinschaft für Fernsehprogramme». Letztere wird von sechs mit einem öffentlichen Programmauftrag ausgestatteten Fernsehanstalten getragen, die die Bemühungen um europäische Koproduktionen intensivieren wollen, damit den dominierenden amerikanischen Serien ein Gegengewicht mit europäischen Inhalten entgegengesetzt werden kann. Die Mitgliedschaft hat für die SRG im Prinzip ein finanzielles Engagement von 13 Mio Fr. jährlich zur Folge. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen verpflichtenden Beitrag, da es ihr freigestellt ist, ob und in welchem Masse sie sich an den Produktionen beteiligt [15].
Der ohne Verordnung durchgeführte Betriebsversuch der PTT für Videotex kam teilnehmermässig kaum vom Fleck. Dies trotz verschiedener Bemühungen und der Ankündigung einer möglichen massiven Verteuerung bestehender Dienste, die auch als Nötigungsversuch kritisiert wurde. Die Zahl der Anschlüsse, insbesondere der privaten Haushalte, blieb gewaltig unter den hochgeschraubten Erwartungen seiner Promotoren. Kritiker wiesen darauf hin, dass Videotex ein Elite- und Businessmedium sei und dass der normale Telefonkunde ein defizitäres System subventionieren müsse. Wie in andern Medienbereichen gelangten auch hier die Argumente Zeitdruck und Sachzwang zur Anwendung, insbesondere deshalb, weil das weiter fortgeschrittene französische System in der Westschweiz eine aggressive Werbung betreibt und mit seiner andern technischen Norm die unerwünschte Etablierung zweier paralleler Systeme fördert. Das EVED schickte deshalb eine Videotex-Verordnung in die Vernehmlassung, die bis zum Inkrafttreten des neuen Fernmeldegesetzes die vorgezogene rechtliche Grundlage für einen öffentlichen Videotex-Dienst der PTT bieten soll. Der Verordnungsentwurf enthält neben technischen und gestalterischen Aussagen auch Vorschriften betreffend Datenschutz, die allerdings nur bereichspezifischer Art sind [16].
Ähnlich wie der Videotex kommt auch das Abonnementsfernsehen (Pay-TV) nicht recht voran, betrug doch die Deutschschweizer Anschlussquote nur 4%. Die Programminhalte werden dabei in steigendem Masse von englischsprachigen Medienkonzernen bestimmt. Die Landesregierung wollte die Verpflichtung des Pay-TV, auch das schweizerische Filmschaffen angemessen zu berücksichtigen, noch nicht beurteilen. Ende November nahm auch das private Abonnementsfernsehen der Westschweiz, die Télécinéromandie, seinen Betrieb auf, im Gegensatz zur Deutschschweiz nicht über Satellit, sondern über das PTT-Richtstrahlnetz für Gemeinschaftsantennenanlagen. Ebenfalls 1985 startete der französischsprachige Teletext. Einen aufsehenerregenden Entscheid für die Schweiz als Land mit der drittgrössten Verkabelungsdichte Europas fällte der Gemeinderat (Exekutive) der Stadt Bern. Er beschloss aufgrund eines parlamentarischen Vorstosses die Einführung der individuellen Medienkostenabrechnung. Der Kabelfernseh-Empfänger soll über ein Grundangebot von öffentlichrechtlichen Anstalten hinaus nur noch diejenigen kommerziellen Programme empfangen und zahlen müssen, die er auch wünscht. Vor der Aufschaltung zusätzlicher privater Programme ins Berner Kabelnetz soll deshalb zuerst ein individuelles Abrechnungssystem verwirklicht werden, das zusätzlich die Plombierung nicht benützter Anschlüsse und die entsprechende Befreiung von der Abonnementsgebühr vorsieht [17].
Die Zweckmässigkeit der Strukturen der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) wurde 1985 verschiedentlich in Frage gestellt, namentlich aufgrund zweier Vorfälle: die Berichterstattung über Fussballkrawalle in Brüssel und Äusserungen des Schriftstellers Fritz H. Dinkelmann in einer Livesendung zu Politik und Person von Ronald Reagan. In Beantwortung verschiedener parlamentarischer Vorstösse hielt Bundesrat Schlumpf fest, dass die Kritik an der SRG in Einzelfällen durchaus berechtigt sei, die Landesregierung aber nicht die Meinung teile, dass Radio und Fernsehen konstant einseitig und desinformierend wirkten. Die Struktur der SRG beruhe auf den Prinzipien der Demokratie, des Pluralismus sowie des Föderalismus und entspreche damit dem Aufbau der Eidgenossenschaft. Aus unternehmerischer Sicht weise die SRG eine gewisse Schwerfälligkeit auf und sei nicht frei von Widersprüchen. Die SRG selbst ist bereit, ihre Strukturen aufgrund der veränderten Wirklichkeit zu überprüfen; sie schickte dazu ihr Strategiepapier «Die SRG auf dem Weg in die 90er Jahre» in eine Vernehmlassung. Als Sofortmassnahme nach der missglückten Brüssel-Berichterstattung wurde die Einsetzung eines Chefredaktors für den Bereich Information (exklusive Sport) mit abteilungsübergreifendem Weisungsrecht für die Behandlung politischer Fragen beschlossen, dem eine Chefredaktion und Tagesverantwortliche beigestellt sind. Zum Chefredaktor wurde Erich Gysling ernannt. Aus technischen Gründen wurde die Vertretung der nichtbesetzten Stelle eines Regionaldirektors DRS neu organisiert. Diese Funktion nehmen künftig nur noch die beiden Direktoren Kündig (Fernsehen) und Blum (Radio) wahr, während der technische Direktor dieser zusätzlichen Aufgabe enthoben wurde. Im personellen Bereich interessierte im weitern die Wahl von Marco Blaser als Nachfolger von Cherubino Darani zum neuen Regionaldirektor des italienischsprachigen Radios und Fernsehens [18].
Die vom Publizisten Oskar Reck präsidierte unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen veröffentlichte ihren ersten Jahresbericht für das Jahr 1984. Von 39 eingegangenen Beschwerden konnten 31 verfahrensmässig abgeschlossen werden; dabei wurde in keinem Fall auf eine Konzessionsverletzung erkannt. Im Vergleich zu früher ist die Zahl der politischen Tendenzbeschwerden kleiner geworden, dafür haben die Einsprachen gegen Wirtschaftsmagazine zugenommen. Im Laufe des Jahres 1985 stellte die Kommission zwei Konzessionsverletzungen fest, nämlich bei einem Beitrag des Westschweizer Fernsehens über Tierversuche und im schon erwähnten Fall des Schriftstellers Dinkelmann. In dieser Angelegenheit hatte die SRG selbst schon eine Verletzung der Konzession festgestellt und sich entschuldigt, weil sie auch für Aussagen Dritter in ihren Programmen verantwortlich ist. Beim Tierversuchsfilm machte sie den bei der Zusammenstellung des Materials anwesenden Umweltschützer Franz Weber verantwortlich, was dieser jedoch in Abrede stellte. Nach umstrittenen Äusserungen verschiedener Theologen in der Sendung «Wort zum Sonntag», die gelegentlich auch Konzessionsbeschwerden zur Folge hatten, beschloss die SRG die Einführung einer vorgängigen Kontrolle der Texte in bezug auf ihre Formulierungen. Diese Massnahme wurde verschiedentlich als Vorzensur verurteilt [19].
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C.M.
 
[6] Radio und Fernsehgesetz, Arbeiten: NZZ, 5.3.85; 16.4.85; Bund, 9.3.85; TW, 16.4.85; vgl. SPJ, 1984, S. 169. Vorentwurf: TA, 19.4.85; BaZ, 20.4.85; SGT, 20.4.85; NZZ, 22.4.85. Motion Piller: Amtl. Bull. StR, 1985, S. 478 ff.; BaZ, 18.9.85; 24 Heures 18.9.85. Eine noch nicht behandelte Motion der SP fordert den Erlass eines dringlichen Bundesbeschlusses als Übergangsordnung bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes, wobei namentlich Bestand und Entwicklung der nationalen Sendeanstalt gesichert werden soll, vgl. Verhandl. B. vers., 1985, V, S. 35. Publikationen allgemeiner Art zu Radio und Fernsehen: C. Poncet, La surveillance de l'Etat sur l'information radio-télévisée en régime de monopole public, Basel 1985; U. Alter, Zielkonflikte im Unternehmen Rundfunk, Hamburg 1985.
[7] Amtl. Bull. NR, 1985, S. 696 ff., 1298; Amtl. Bull. StR, 1985, S. 413 ff., 462; BBl, 1985, II, S. 301 f.; AS, 1985, S. 1687f.; NZZ, 24.1.85; 22.3.85; 20.4.85; 24.5.85; 20.6.85; 31.10.85; LM, 7.2.85; 20.6.85; 24 Heures, 22.3.85; Presse vom 23.3.85; BaZ, 18.4.85; vgl. SPJ, 1984, S. 172.
[8] AS, 1985, 5.1609 f. ; Bund, 24.5.85; 1.6.85; SRG Information, 26.6.85; BaZ, 10.8.85; 24 Heures, 10.8.85; Presse vom 23.10.85; vgl. SPJ, 1984, S. 170, im weiteren auch das angenommene Postulat Cincera (fdp, ZH) betreffend Gleichstellung von Lokalradios und SRG in bezug auf Branchenverbote bei der Werbung: Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1833 ; SZ, 3.9.85 ;NZZ, 10.10.85. Der BR bewilligte gleichzeitig eine Erhöhung der Werbezeit für das Fernsehen von 20 auf 23 Minuten täglich, vgl. BBl, 1985, II, S. 1419 und Presse vom 23.10.85.
[9] «Radio Z»: BaZ, 8.2.85; TA, 13.3.85; NZZ, 15.8.85; Presse vom 23.10.85. Verlegerbeteiligung: Interpellationen Wyss und Stappung: Amtl. Bull. NR, 1985, S. 740 f. und 758 ff.; BaZ, 16.3.85; 23.3.85. Bund,19.3.85; Bewilligungspraxis: NZZ, 4.7.85; Bund, 6.7.85. Neuenburg: Suisse, 9.5.85; FAN, 10.5.85; 17.5.85; Bund, 1.6.85.
[10] Begleitforschung: TA, 1.4.85. WEMF: NZZ, 25.6.85; 28.12.85. SRG-Hörerforschung: SRG Information, 17.6.85; vgl. SPJ, 1984, S. 171. Programmübernahmen: SRG Information, 17.1.85. «Couleur3»: 24 Heures, 1.4.85.
[11] Lokalfernsehen auf Basis RVO: Vat., 19.8.85; 18.9.85; Bund, 21.8.85; NZZ, 1.10.85. Basler Fernsehen: Ww, 6, 7.2.85; BaZ, 15.2.85; 3.5.85; 8.5.85; 14.8.85; 22.8.85; 30.8.85; 23.9.85; 17.10.85; 21.11.85; TA, 15.2.85; 30.8.85; NZZ, 6.4.85; 10.8.85; SRG Information, 29.8.85; vgl. SPJ, 1984, 5.171; dazu auch M. Kutter, Medienstadt Basel?, Basel 1985. Projekt in Bern: Bund, 24.6.85; 20.9.85.
[12] «Zürivision» : NZZ, 29.8.85 ; TA, 29.8.85 ; 30.8.85. Ringier: TA, 18.1.85. Motion Bremi : Verhandl. B. vers., 1985, V, S. 41; NZZ, 21.9.85; 12.12.85; BaZ, 18.12.85.
[13] ZRF: NZZ, 10.12.85; 13.12.85; TA, 10.12.85. RFZ: NZZ, 20.12.85. VRFA: NZZ, 5.7.85.
[14] Vernehmlassungsentwurf: Presse vom 11.4.85; TA, 12.4.85; NZZ, 27.4.85; vgl. SPJ, 1984, S. 171 f. Stellungnahmen: 24 Heures, 31.7.85; SZ, 1.8.85; BaZ, 5.8.85; JdG, 6.8.85; Presse vom 29.8.85. Botschaft: BBl, 1986, I, S. 421 ff. ; Presse vom 21.12.85; juristische Personen gelten als schweizerisch beherrscht, wenn die Kapitalbeteiligung zu mehr als 50% und der Stimmenanteil zu mehr als zwei Dritteln in schweizerischen Händen liegt.
[15] Helvecom: NZZ, 19.7.85; BZ, 22.7.85; Bund, 23.7.85; ihr gehören u.a. an: Nestlé, BBC, Ciba-Geigy, Hoffmann-La Roche, Schweizerische Kreditanstalt, Migros, Kuoni, Autophon, Contraves, SMH, Schweizerische Mobiliar. «Eins plus»: NZZ, 4.4.85; 11.10.85. Produktionsgemeinschaft: NZZ, 28.5.85; 25.7.85; SRG Information, 24.7.85 ; 29.8.85 ; 24 Heures, 25.7.85. Im weitern stimmte der Bundesrat einer Fortsetzung des Versuchs mit TV5 und dem Einbezug von Kanada zu, vgl. NZZ, 28.3.985; Suisse, 28.3.85; SPJ, 1984, S. 171.
[16] Betriebsversuch: Vat., 14.2.85; Bund, 11.4.85; 24.5.85; NZZ, 24.5.85; 28.5.85; 18.9.85; vgl. SPJ, 1984, S. 172. Kritik: BaZ, 19.9.85; J. Frischknecht (Hg.), Kalte Kommunikation. Der Millionen-Poker um Videotex und andere neue Medien, Basel 1985; « Videotex — Neun Thesen und Forderungen des SGB», in Gewerkschaftliche Rundschau, 77/1985, S. 127 f. Verordnung: Presse vom 30.11.85; NZZ, 18.12.85. Datenschutz: Interpellation Renschler (sp, ZH): Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1275 f.; NZZ, 14.5.85.
[17] Pay-TV : TA, 30.1.85; Ww, 21.3.85; vgl. SPJ, 1984, S.171. Interpellation Stappung (sp, ZH): Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1855 f. ; NZZ, 24.9.85. Télécinéromandie : NZZ, 5.9.85; JdG, 27.11.85 ; BaZ, 28.11.85 ; Beteiligungsstruktur: Kinounternehmen 48,5%, Presse 22%, SRG 15%, Private 14,5%. Teletext: JdG, 3.1.85; vgl. SPJ, 1983, S. 182. Zur Begriffsverwirrung trägt die neue Dienstleistung Teletex der PTT bei; dabei handelt es sich um die Möglichkeit, Texte direkt von einem Personal Computer oder Textverarbeitungssystem auf den Bildschirm (oder Drucker) des Empfängers zu senden; vgl. 24 Heures, 11.9.85; Vat., 15.11.85; NZZ, 22.11.85. Kabelnetz Bern: Berner Presse vom 21.12.85.
[18] Fall Brüssel : NZZ, 3.6.85 ; 4.6.85 ; TA, 4.6.85 ; Presse vom 8.6.85. Fall Dinkelmann : NZZ, 27.7.85 ; 31.7.85 ; SGT, 3.8.85; TA, 12.8.85. Parlamentarische Vorstösse: Interpellation CVP-Fraktion: Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1845; Interpellation Müller (fdp, ZH): Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1856 f.; Interpellation Hefti (fdp, GL): Amtl. Bull. StR, 1985, S. 695 ff. Antwort des BR: NZZ, 14.6.85; 12.9.85; 24.9.85; BaZ, 18.12.85. Strategiepapier SRG: NZZ, 9.11.85; 24 Heures, 13.11.85; Bund, 22.11.85. Chefredaktor Information: TA, 2.7.85; Presse vom 6.7.85; NZZ, 24.8.85; 7.9.85. Regionaldirektion DRS: NZZ, 6.7.85; TA, 6.7.85; vgl. SPJ, 1982, S. 162 f. Regionaldirektion italienischsprachige Schweiz: TA, 29.6.85; BaZ, 31.8.85; CdT, 2.9.85; NZZ, 2.9.85; AT, 3.9.85.
[19] Jahresbericht: 24 Heures, 31.1.85; Presse vom 1.2.85; vgl. SPJ, 1984, S. 169 f. Konzessionsverletzungen 1985: LM, 3.7.85; NZZ, 3.7.85; 30.7.85; 22.8.85; 12.11.85; BZ, 31.7.85. «Wort zum Sonntag»: BaZ, 20.9.85; 5.10.85 ; NZZ, 20.9.85.