Année politique Suisse 1986 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Verbände und übrige Interessenorganisationen
Unternehmer
Die Verbände von Industrie und Handel setzten im Berichtsjahr kaum neue politische Akzente. Da angesichts des nahezu inflationsfreien Wirtschaftswachstums die Rufe der Linken nach neuen staatlichen Interventionen und Aktivitäten weitgehend ausblieben, sahen sie sich weniger als in früheren Jahren zum deutlichen Markieren von Gegenpositionen veranlasst. Zwar messen sie dem Kampf gegen das weitere Anwachsen der Staatsquote oder gar für deren Abbau nach wie vor zentrale Bedeutung zu. In seiner Präsidialansprache an der Delegiertenversammlung des
Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins/Vorort stimmte jedoch Louis von Planta versöhnlichere und undogmatischere Töne an. Er würdigte den starken Staat als Garanten für geordnete politische Verhältnisse und als Bereitsteller von unverzichtbaren Infrastrukturleistungen. Eine neue Bedrohung der Marktwirtschaft sehen die Wirtschaftsverbände in der vor allem im europäischen Ausland feststellbaren Tendenz der staatlichen Förderung der angewandten Forschung. Nachdem im Vorjahr vereinzelte Industrievertreter grundsätzliche Kritik an der schweizerischen Landwirtschaftspolitik geübt hatten, äusserten sich nun vermehrt auch die Spitzenverbände in ähnlichem Sinn. Besonders prononciert tat dies die Vereinigung des Schweizerischen Import- und Grosshandels (VSIG), für welche die ausgeprägt protektionistische Agrarpolitik ein zunehmendes Hemmnis für die Durchsetzung der schweizerischen Interessen an einer Liberalisierung des Welthandels darstellt. Der VSIG unterstrich seine Haltung mit der durch den Vorstand einstimmig beschlossenen Nein-Parole zum Zuckerbeschluss. Trotz der internationalen Verflechtung der schweizerischen Wirtschaft fanden sich weder beim Vorort noch beim VSIG Mehrheiten für die Unterstützung des UNO-Beitritts der Schweiz ; beide Organisationen verzichteten auf die Ausgabe einer Parole
[6].
Im personellen Bereich wurden beim Vorort wichtige Neubesetzungen vorgenommen. Die Delegiertenversammlung vom 19. September wählte den bisherigen Vizepräsidenten Pierre Borgeaud zum Nachfolger des nach zehn Amtsjahren zurücktretenden Verbandspräsidenten Louis von Planta. Anstelle des altershalber zurücktretenden Geschäftsführers Gerhard Winterberger wurde mit Amtsantritt auf den 1. Oktober 1987 Kurt Moser ernannt
[7].
Die Interessenorganisation der Banken konnte insofern einen politischen Erfolg verzeichnen, als der Bundesrat bekanntgab, dass er auf die Teilrevision des Bankengesetzes einstweilen verzichten wolle. Die daraufhin von der Eidgenössischen Rankenkommission angekündigte und zum Teil auch schon praktizierte strengere Auslegung der geltenden Vorschriften entsprach allerdings kaum den Intentionen der
Schweizerischen Bankiervereinigung. Bloss bescheidene Teilerfolge konnten die Banken bei ihrem Bemühen um den Abbau von Bankkundensteuern zwecks Verbesserung der Marktstellung des Finanzplatzes Schweiz erzielen. Trotz Unterstützung ihrer Anliegen durch parlamentarische Mehrheiten war die Landesregierung aus finanzpolitischen Gründen nur zu materiell unbedeutenden Eingeständnissen bereit
[8].
Die Dachorganisation der Gewerbes, der
Schweizerische Gewerbeverband (SGV), blieb auch 1986 seiner Rolle als «Neinsager» treu: bei sechs von sieben Volksabstimmungen empfahl er Ablehnung. Dabei engagierte er sich nicht allein in wirtschaftspolitischen Fragen, sondern vertrat auch sein Nein zum UNO-Beitritt mit grossem Nachdruck. Einzig mit seiner Zustimmung zum Zuckerbeschluss machte der SGV eine Ausnahme und demonstrierte damit, dass bei ihm, im Gegensatz zu den anderen Wirtschaftsverbänden, die protektionistischen und interventionistischen Anliegen der Landwirtschaft noch volle Unterstützung geniessen
[9].
[6] Schweiz. Handels- und Industrie-Verein (Vorort), Jahresbericht, 116/1985-86, S. 9 ff., 31 ff. (Technologieförderung), 83 f. (UNO) und 113 ff. (Agrarpolitik); Zentralverband schweiz. Arbeitgeber-Organisationen (ZSAO), Jahresbericht, 79/1986, S. 9 ff. ; Vereinigung des Schweizerischen Import- und Grosshandels (VSIG), Jahresbericht 1985/86, Basel 1986, S. 13, 16 f. und 25 ff.; L. von Planta, Marktwirtschaft als Leitidee, Zürich 1986; G. Winterberger, Wirtschaft, Staat und Politik, Zürich 1986; SAZ, 26/27, 26.6.87 (H. Letsch). Siehe auch Dokumentation zu den Parolen der Parteien und Verbände (eidg. und kantonale) im FSP, Bern. Vgl. ferner oben, Teil I, 4a (Wirtschaftssystem).
[7] Bund, 20.9.86 ; NZZ, 29.11.86.
[8] Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht, 74/1985-86, v.a. S. 7 ff., 26 f., und 45 ff.; vgl. auch oben, Teil I, 4b (Banken). Claude de Saussure amtet ab 4.10.86 als neuer Präsident (Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht, 74/1985-86, 5.175 f.; BaZ, 3.10.86; 4.10.86; vgl. SPJ, 1985, S. 241).
[9] Dokumentation zu den Parolen der Parteien und Verbände (eidg. und kantonale) im FSP, Bern. Vgl. auch M. Kündig in Gewerbliche Rundschau, 41/1986, Nr. 3, S. 2 ff.; Politik und Wirtschaft, 1/1986, Nr. 6, S. 28 ff. sowie speziell zur UNO-Abstimmung SGZ, 9, 27.2.86.
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