Année politique Suisse 1986 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Regierung
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Wahlen
Auf Ende 1986 sind die beiden Vertreter der CVP aus dem Bundesrat zurückgetreten. Am 3. September gab Alphons Egli bekannt, dass er sich nicht zuletzt aus gesundheitlichen Gründen nach nur vier Jahren Amtszeit zurückziehen werde. Wenig später (am 22. September) folgte ihm Kurt Furgler; bei ihm hatte die Amtszeit 15 Jahre betragen. Bundesrat Furgler wurde in Würdigungen als Politiker von grossem Format gefeiert, der es — bei aller Liebe zur Präzision im Detail — verstanden habe, in grossen Linien zu denken. In zeitgeschichtlicher Perspektive wurde jedoch auch angemerkt, dass die Epoche der grossangelegten Entwürfe und Gesamtkonzeptionen, welche für das Denken Kurt Furglers wegweisend war, der Vergangenheit angehöre. Der vor seiner Wahl als konservativ eingeschätzte Alphons Egli fand grosse Anerkennung für seinen konsequenten Einsatz für den Umweltschutz. Gerade seine ehemaligen politischen Gegner rechneten es ihm hoch an, dass er die drohenden Gefahren nicht nur erkannt hatte, sondern auch bereit war, sich trotz Anfeindungen für die als notwendig erachteten Massnahmen einzusetzen [4].
Zu ihren Nachfolgern wählte die Bundesversammlung am 10. Dezember jeweils im ersten Wahlgang mit sehr hohen Stimmenzahlen die beiden offiziellen Kandidaten der CVP, den 53jährigen Nationalrat Arnold Koller (AI) und den 47jährigen Nationalrat Flavio Cotti (TI). Damit ist der italienischsprachige Landesteil erstmals seit dem Rücktritt von Nello Celio vor 13 Jahren wieder in der Landesregierung vertreten. Die weder von ihrer Kantonalpartei noch von der Fraktion unterstützte Kandidatur der Nationalrätin Judith Stamm (cvp, LU), welche erklärtermassen zum Ziel hatte, eine Korrektur an der Untervertretung der Frauen in der Exekutive anzubringen, brachte es auf 49 (gegen Koller) resp. 33 (gegen Cotti) Stimmen. Für Stamm hatten sich im Parlament lediglich die Fraktionen EVP/LdU und PdA/PSA/POCH sowie die Grünen eingesetzt; die SP-Fraktion hingegen beschloss Stimmfreigabe [5]. Dieses konfliktscheue Verhalten der SP mag dazu beigetragen haben, dass der gerade im Berichtsjahr heftig kritisierte P. Aubert anschliessend von der Bundesversammlung mit einem Glanzresultat (186 Stimmen) zum Bundespräsidenten für 1987 gewählt wurde. Bei der Departementsverteilung ergab sich eine kleine Rochade. Mit Jean-Pascal Delamuraz übernahm nach nur vierjährigem christlichdemokratischem Interregnum wieder ein Freisinniger die Leitung des Volkswirtschaftsdepartements [6].
Die im sogenannten Garantiegesetz festgehaltene Bestimmung, dass für die Kantonszugehörigkeit der Mitglieder des Bundesrates die Heimatberechtigung als Kriterium gilt, hatte bei den Ersatzwahlen für einmal keine Rolle gespielt. Trotzdem stimmten beide Räte einer Anpassung dieser Norm in dem Sinne zu, dass neu primär der Ort der bisherigen politischen Tätigkeit ausschlaggebend ist. Aus föderalistischen Gründen soll jedoch weiterhin kein Stand mit mehr als einer Person in der Landesregierung vertreten sein. Eine parlamentarische Initiative Bircher (sp, AG), welche den Verzicht auf diese Verfassungsbestimmung gefordert hatte, fand im Nationalrat keine Mehrheit [7].
 
[4] BR Egli : Presse vom 4.9.86 ; Amtl. Bull. NR, 1986, S. 2108 f. BR Furgler: Presse vom 23.9.86 ; Amtl. Bull. NR, 1986, S. 2105 ff. Vgl. auch TW, 4.9.86 ; J. Ribeaud, Kurt Furgler à coeur ouvert, Lausanne 1986. Im NR verlangt A. Müller (Idu, AG) mit einer Motion, dass Bundesräten erst nach sechsjähriger Amtszeit das volle Ruhegeld ausbezahlt wird ( Verhandl. B. vers., 1986, V, S. 82).
[5] Wahl : Amtl. Bull. NR, 1986, S. 2109 ff. ; Presse vom 11.12.86. Die Fraktionen der FDP, der SVP und der Liberalen unterstützten die offiziellen CVP-Kandidaten (BaZ, 3.12.86). Zur Kandidatur J. Stamm siehe auch LNN, 10.11.86 ; 11.11.86 (CVP/LU); Vat., 14.11.86 (Unterstützung durch den Vorstand der Frauenorganisation der CVP) ; 22.11.86 (CVP-Fraktion). Von ihren Kantonalsektionen portiert worden waren ferner StR Dobler (SZ) und NR Feigenwinter (BL) (LNN, 5.11.86; BaZ, 29.10.86). Zu den Auswahlkriterien der Parlamentarier vgl. Politik und Wirtschaft, 1/1986, Nr. 11, S. 12 ff.
[6] Zum Vizepräsidenten wurde O. Stich gewählt (Amtl. Bull. NR, 1986, S. 2112). Departementsverteilung: Presse vom 20.12.86.
[7] Amtl. Bull. NR, 1986, S. 678 ff. und 1521; Amtl. Bull. StR, 1986, S. 510 ff. und 626 ; BBl, 1986, III, S. 372 f. Der BR hatte sich zu dieser Revision ebenfalls positiv ausgesprochen (BBl, 1986, II, S. 68 ff.). Vgl. auch SPJ, 1985, S. 19. Die Regierung des Kantons Jura sprach sich negativ zu einer 1984 eingereichten Volksinitiative für die Einreichung einer Standesinitiative zugunsten der Volkswahl des Bundesrates aus (FAN, 22.12.86; vgl. auch SPJ, 1984, S. 25).