Année politique Suisse 1986 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Regierung
Die unter dem Titel Finanzaffäre bekanntgewordenen Aufklärungen und Auseinandersetzungen um das
Finanzgebaren der Regierung des Kantons Bern zeitigten weitere Konsequenzen. Die fünf sich zu einer Wiederwahl stellenden Exekutivmitglieder wurden zwar alle in ihrem Amt bestätigt. Die bisherigen Regierungsparteien SVP und SP — die Freisinnigen sind in der neuen Exekutive nicht mehr vertreten — müssen sich jedoch mit der gemässigt grünen Freien Liste in die Regierungsverantwortung teilen. Der neu konstituierte Grosse Rat nahm in seiner ersten Session von einem Bericht der Besonderen Untersuchungskommission (BUK) über die Verwendung der den Regierungsräten zur Verfügung stehenden sogenannten Direktionskassen Kenntnis und beauftragte daraufhin einstimmig seine Präsidentenkonferenz mit der Einreichung einer Strafklage gegen die neun während der vergangenen Legislaturperiode amtierenden Regierungsräte und den ehemaligen Staatsschreiber Josi. Zudem hob das Parlament die Immunität der erwähnten Beschuldigten und — auf Ersuchen der Justizbehörden — ebenfalls von drei weiteren ehemaligen Regierungsräten auf. Kurz vor Jahresende wurde ausserdem bekannt, dass in den 70er Jahren die bernischen Regierungsparteien SVP, SP und FDP beträchtliche anonyme Spenden von Firmen erhalten hatten, die sich mehrheitlich in Staatsbesitz befinden (Kantonalbank, Hypothekarkasse und Bernische Kraftwerke). Federführend beteiligt an diesen Transaktionen war gemäss eigenen Aussagen der ehemalige SVP-Regierungsrat Martignoni
[10].
In
Solothurn konnte mit der Bestätigung des obergerichtlichen Urteils gegen vier Regierungsräte durch das Bundesgericht ein Schlussstrich gezogen werden. Auch in
Obwalden gerieten Regierungsmitglieder ins Schussfeld der Kritik. Den kantonalen Veranlagungsbehörden wurde von der eidgenössischen Finanzdirektion der Abschluss von unzulässigen Mindeststeuerabkommen mit ausländischen Steuerflüchtlingen vorgeworfen. Gegen den als mitverantwortlich bezeichneten Finanzdirektor Hophan (cvp), der seinen Rücktritt auf Ende der Amtsperiode erklärte, reichte ein regierungsrätlicher Disziplinarausschuss Strafanzeige ein. Bundesrat Stich rügte allerdings auch mögliche Interessenkollisionen bei Mitgliedern des Disziplinarausschusses. Gemeint war damit insbesondere Justizdirektor Hess, der neben seinem Regierungsamt in der Funktion als Anwalt auch steuerbegünstigte Personen vertritt
[11].
[10] BZ, 30.5.86; 4.6.86; 5.12.86; SPJ, 1985, S. 19f. Vgl. auch H. Däpp / F. Hänni / N. Ramseier (Hg.), Finanzaffäre im Staate Bern, Basel 1986. Zu den bernischen Wahlen siehe unten, Teil I, 1e (Bern). Parteispenden: Berner Presse vom 18.-30.12.86; WoZ, 51, 19.12.86.
[11] Solothurn : SZ, 25.4.86 ; 4.6.86 ; SPJ, 1985, S. 20. Obwalden : Amtl. Bull. NR, 1986, S. 247 f. ; TA, 27.3.86 ; 3.4.86; LNN, 4.3.86; NZZ, 11.6.86; vgl. unten, Teil I, Id (Ständerat und Obwalden). Zur Praxis der Gewährung von Steuervorteilen zwecks Anlockung ausländischer Steuerflüchtlinge siehe TA, 25.4.86.
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