Année politique Suisse 1986 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Konjunkturpolitik
Die anhaltend gute Wirtschaftslage bot den verantwortlichen Behörden keinen Anlass, von ihrer bisherigen Linie in der Konjunkturpolitik abzuweichen. Nachfrageorientierte Massnahmen wurden angesichts der guten Beschäftigungslage weder gefordert noch in Aussicht gestellt. Da sich das Wachstum gegenüber dem Vorjahr wieder abschwächte, drängten sich auch keine Konjunkturdämpfungsmassnahmen auf. Die Ausgaben der öffentlichen Hand verhielten sich weitgehend konjunkturneutral. Das erklärte konjunkturpolitische Hauptziel, eine relative Preisstabilität zu gewährleisten, konnte bei einer Teuerungsrate von 0,8 % im Jahresdurchschnitt erreicht werden. Neben den Preissenkungen für importierte Rohstoffe und dem Wertverlust des US-Dollars trug dazu auch die Geldmengenpolitik der Nationalbank Wesentliches bei. Die bereinigte Notenbankgeldmenge wuchs entsprechend der Zielsetzung um 2,0% [13].
Angebotsseitige Massnahmen werden gegenwärtig von vielen Politikern und Wissenschaftern einer nachfrageorientierten Steuerung des Wirtschaftswachstums vorgezogen. Der ehemalige Direktor des BIGA, Nationalrat Bonny (fdp, BE), regte eine entsprechende Neudefinition des Aufgabenbereichs des Bundesamtes für Konjunkturfragen (BFK) an. Gemäss seinem vom Rat überwiesenen Postulat soll sich dieses Amt in Zukunft schwergewichtig und kontinuierlich der Technologieförderung annehmen. Die 1986 erfolgte Übernahme von Aufgaben im Zusammenhang mit einer schweizerischen Beteiligung an Projekten des europäischen Technologieförderungsprogramms EUREKA durch die Kommission zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung stellt einen Schritt in der gewünschten Richtung dar. Hans Sieber, der zum neuen Direktor des BFK gewählt wurde, äusserte sich positiv zu einer Ausweitung des Aufgabenbereichs seines Amtes im Sinne des Postulats Bonny. Er wies ferner darauf hin, dass sein Vorgänger W. Jucker diese Entwicklung mit der Aufwertung der Innovationsförderung bereits eingeleitet hatte [14].
Ungeachtet der wirtschaftspolitischen Strategie bildet die genaue Beobachtung des wirtschaftlichen Geschehens eine wichtige Grundlage für die Lageanalyse und die Massnahmenbeurteilung. Mit einer Verordnungsänderung zentralisierte der Bundesrat alle periodisch wiederholten grösseren Erhebungen zur Wirtschaftsstatistik beim Bundesamt für Statistik (BFS). Damit verbesserte er einerseits die Koordination dieser Erhebungen und beendete andererseits einen Kompetenzstreit zwischen dem BFS und dem BIGA, welches bisher einen Teil dieser Statistiken betreut hatte [15].
 
[13] SNB, Quartalsheft, 1986, Nr. 4, S. 207 ff.; siehe auch unten, Teil I, 4b (Geldmenge).
[14] Postulat: Amtl. Bull. NR, 1986, S. 459. Kommission: Mitteilungsblatt für Konjunkturfragen, 40/1986, S. 41. H. Sieber: SGT, 17.2.86 ; BaZ, 5.3.86. Vgl. zur Technologieförderung auch oben (Wirtschaftssystem) und oben, Teil I, 2 (Intégration européenne). Zur nachfrageorientierten Konjunkturpolitik der 70er Jahre vgl. J. J. Schwartz / H. P. Graf, L'administration face au défi de la politique conjoncturelle, Berne 1986.
[15] AS, 1986, S. 1446 f. und 1462 ff. Die revidierte Verordnung über Konjunkturbeobachtung und -erhebungen tritt am 1.7.1987 in Kraft. Die bisherigen Doppelspurigkeiten und unterschiedlichen Erhebungskonzepte waren auch von der Geschäftsprüfungskommission des NR beanstandet worden (BBl, 1986, II, S. 418 ff.). Siehe auch Bund, 28.5.86; 21.8.86; Bilanz, 1986, Nr. 1, S. 15 f.