Année politique Suisse 1986 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik / Wettbewerbspolitik
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Konsumentenschutz
Mit der 1981 erfolgten Annahme der Volksinitiative für einen Verfassungsartikel über den Konsumentenschutz wurde der Bund zu Massnahmen in diesem Bereich verpflichtet. Als Ergänzung zu bereits bestehenden Bestimmungen legte die Landesregierung dem Parlament die Botschaft für ein Bundesgesetz zur Förderung der Konsumenteninformation und für ein weiteres zur Teilrevision des Obligationenrechts vor. Gegenüber den 1984 in die Vernehmlassung gegebenen Entwürfen ergaben sich einige Anderungen. Die Deklarationspflicht für Dienstleistungen soll nicht allgemein gelten, sondern nur für diejenigen, welche in einer entsprechenden Verordnung aufgeführt sind. Wenn eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen Branchen- und Konsumentenverbänden über die Deklaration nicht zustandekommt, ist das Eingreifen des Bundes nicht — wie im Vorentwurf vorgesehen — zwingend, sondern bloss fakultativ. Keine Berücksichtigung fanden hingegen die Einwände des Gewerbeverbandes gegen die zweckgebundene finanzielle Unterstützung der Aufklärungstätigkeit der Konsumentenorganisationen. Der Kritik der Unternehmerorganisationen am siebentägigen Widerrufsrecht für ausserhalb von Geschäftslokalen abgeschlossene Kaufverträge wurde teilweise Rechnung getragen : Nicht der Ort des Vertragsabschlusses, sondern der Ort der Kundenansprache gilt als massgebend, und zudem sind Versicherungsvei~träge, die nach einem Jahr gekündigt werden können, davon nicht betroffen [26].
Dem Parlament gelang es — allerdings auf überraschende Art — sich der ältesten Bundesratsvorlage auf seiner Traktandenliste zu entledigen. Der 1978 von der Regierung vorgelegte Entwurf für ein neues Gesetz über das Konsum- und Kleinkreditwesen wurde im Laufe des Berichtsjahres von beiden Kammern zu Ende beraten. In der Schlussabstimmung in der Wintersession versagte ihm jedoch der Ständerat die Zustimmung. Bevor es zu diesem Eklat kam, hatte der Nationalrat weitere Entschärfungen vorgenommen, denen sich im Differenzbereinigungsverfahren auch der Ständerat anschloss. So verlängerte er gegen den Widerstand der Regierung die maximale Laufzeit auf 48 Monate. Die Bedenken von Bundesrätin Kopp, dass mit dieser Streckung der Rückzahlungsfrist die Attraktivität von Kleinkrediten gesteigert werde, fanden kein Gehör. Die Volkskammer strich zudem das Verbot, mehr als zwei Kredite zur selben Zeit aufzunehmen. Anstelle dieser Vorschrift, die den Zweck hatte, sozial Schwache vor untragbarer Verschuldung zu schützen, setzte das Parlament eine vermehrte Sorgfaltspflicht für die Krediterteiler bei der Auswahl ihrer Kunden. Da mit diesen Abänderungen den wichtigsten Einwänden der Banken Rechnung getragen wurde, kam die negative abschliessende Stellungnahme des Ständerats überraschend. Eine Diskussion im Plenum fand vor dem Entscheid nicht statt; allerdings hatte zu Sessionsbeginn der Urner Ständerat F. Muheim (cvp), der auch im Verwaltungsrat einer Grossbank sitzt, das Gesetz in einem Aufsatz massiv kritisiert. Grosses Bedauern löste der mit 25:11 Stimmen gefällte Entscheid nicht aus. Nach der weitgehenden Opferung des ursprünglichen Leitgedankens des Sozialschutzes zugunsten der Vertragsfreiheit mochte die Linke ohnehin nicht mehr richtig zu dem neuen Gesetz stehen. Das praktisch einzige wertvolle Element, das in der Vorlage verblieben wäre, hätte ihrer Ansicht nach das Verbot der Lohnzession gebildet. Nationalrat Eggli (sp, ZH) reichte denn auch sofort eine parlamentarische Initiative für eine diesbezügliche Revision des Obligationenrechts ein [27].
 
[26] BBl, 1986, II, S. 345 ff. Zum Inhalt des Vorentwurfs siehe SPJ, 1984, S. 69 f. NR Neukomm (sp, BE) reichte eine Motion für die Totalrevision des Haftpflichtrechts ein, wobei insbesondere die verschuldensunabhängige Produktehaftpflicht (Kausalhaftung) eingeführt werden soll (Verhandl. B.vers., 1986, V, S.85; NZZ, 30.8.86).
[27] Amtl. Bull. NR, 1986, S. 158 ff., 1289 f. und 1772 f. ; Amtl. Bull. StR, 1986, S. 502 ff., 583 f. und 700; siehe auch SPJ, 1985, S. 66. Linke: BZ, 5.12.86; Vr, 5.12.86. Banken und Wirtschaft: Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht, 74/1985-86, S. 68 ff. ; wf, KK, 11, 17.3.86; 39, 29.9.86; F. Muheim, «Das Konsumkreditgesetz — eine parlamentarische Gewissensfrage», in NZZ, 2.12.86. Parl. Initiative: Verhandl B.vers., 1986, V, S. 20. Vgl. auch U. Trepp, Der Begriff des Kleinkreditvertrags, Zürich 1986.