Année politique Suisse 1986 : Wirtschaft / Landwirtschaft / Tierische Produktion
Die Sicherung des bäuerlichen Einkommens über vom Bund festgesetzte und garantierte Preise führt namentlich im Bereich der tierischen Produktion zu kostspieligen strukturellen Überschüssen, welche die Bundeskasse und die Konsumenten immer mehr belasten. 1985/86 stieg die Milchrechnung des Bundes — bei stabiler Einlieferungsmenge von 3,07 Mio t oder 30,7 Mio Dezitonnen — infolge der Erhöhung des Grundpreises und verschiedener Verwertungsmassnahmen auf 906 Mio Fr. (+ 2,8% gegenüber 1984/85); davon wurden der Bundeskasse 582,7 Mio Fr. angelastet (+ 18,2 Mio Fr.)
[8].
Um die steigenden Kosten der Milchrechnung besser in den Griff zu bekommen, beschloss der Bundesrat — wie oben erwähnt—, die Erhöhung des Milchgrundpreises um 5 Rp. mit Kontingentskürzungen zu koppeln; dies sollte, in zwei Stufen vollzogen, eine Reduktion der Milchmenge um 750 000 Dezitonnen bringen. Im Berichtsjahr wurden in einem ersten Schritt alle Einzelkontingente über 30 000 kg stufenweise um 1–3% reduziert, wodurch die Gesamtmenge um 430 000 Dezitonnen gesenkt werden konnte. Die zweite Kürzung ist für 1987 vorgesehen. Der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten (ZVSM) und andere betroffene Organisationen kritisierten diese Massnahme und verlangten eine Stillegung von Kontingenten durch eine Entschädigung; diese sollte mit einer Erhöhung des sogenannten Rückbehalts um 1 Rp. — womit gegen 21 Mio Fr. zusammenkämen — finanziert werden
[9].
Die milchpolitischen Entscheide des Bundesrates waren geprägt von Vorstellungen, welche auch dem Entwurf zum
Milchwirtschaftsbeschluss (MWB) 1987 zugrunde lagen. In ihrer Botschaft zum MWB 1987 bekräftigte die Landesregierung ihre Absicht, keine grundlegende Kurskorrektur — etwa in Richtung Preisdifferenzierung — einzuleiten und namentlich an der Milchkontingentierung als Instrument zur Mengenbegrenzung festzuhalten. Das System sollte ihrer Meinung nach aber flexibler gestaltet werden. Für Lieferungen, welche das festgesetzte Kontingent überschreiten, soll ein Abzug von maximal 85% des Milchgrundpreises erhoben werden. Diese Regelung ist bereits seit 1985 in Kraft. Zentrale Neuerung des MWB bildet eine Verstärkung der Erlösdifferenzierung zugunsten der Klein- und Bergbauern, während sich die Grossproduzenten stärker als bisher an den Verwertungskosten der Milch beteiligen sollen. Zu diesem Zweck ist eine nach Zonen differenzierte Heraufsetzung der Freimenge einzuführen, für welche keine generelle Abgabe zur Deckung der Verwertungskosten für Milchprodukte (Rückbehalt) entrichtet werden muss. Dagegen wird der Rückbehalt von 2 auf 4 Rp. erhöht und für Verkehrsmengen, welche 80 000 kg pro Jahr überschreiten, eine zusätzliche Abgabe von 5–10 Rp. erhoben. Dieses Erlösdifferenzierungssystem ergänzt die bereits laufenden Massnahmen zugunsten von Bauern in schwierigen Produktionsgebieten. Die schon im Vernehmlassungsverfahren eingebrachten Kritikpunkte und Änderungswünsche wurden in der vorberatenden Kommission des Nationalrates erneut aufgenommen. Ein Rückweisungsantrag des Sozialdemokraten Bäumlin (BE), der die Interessen der VKMB vertritt, wurde abgelehnt; die Behandlung verzögerte sich jedoch wegen fast 60 Einzelanträgen derart, dass die Vorlage im Berichtsjahr nicht mehr dem Parlament vorgelegt werden konnte
[10].
[8] Die Milchrechnung 1984/85 schloss erstmals mit einer um 2,5 % geringeren Einlieferungsmenge (30,7 Mio Dezitonnen) als im Vorjahr. Die Aufwendungen stiegen jedoch weiter um 7,7 % auf 881,3 Mio Fr.; der Anteil des Bundes betrug 564,5 Mio Fr. (Presse vom 17.4.86; LID, Press., 1440, 18.4.86; wf, KK, 16, 21.4.86; wf, AD, 20, 19.5.86; wf, Dok., 30, 28.7.86). Milchrechnung 1985/86: LID, Press., 1490, 16.4.87; Presse vom 16.4.87. Der Milchüberschuss liegt namentlich in der enormen Steigerung des mittleren Ertrags pro Kuh begründet ; 1985 lag er mit 4710 kg rund 50% über jenem von 1955 (wf, K!, 48, 1.12.86). Siehe auch LID, Dok., 267, 10.12.86 (Die Milchwirtschaft in der Schweiz); Schweiz. milchwirtschaftlicher Verein, 99. Jahresbericht 1985 (1986); LID, Dok., 258-260, 10.7.86; SHZ, 41, 9.10.86. Vgl. auch SPJ, 1985, S. 90.
[9] NZZ, 25.4.86; 28.10.86; TA, 24.6.86; BZ, 28.10.86; 13.12.86; Union, 1986, Nr. 17. Der BR erhöhte den Rückbehalt aufgrund der Teilrevision des MWB 1977 von 60 auf 75 Rp. (Presse vom 30.1.86). Siehe auch Amtl. Bull. NR, 1986, S. 1861 sowie AS, 1986, S. 1825 und SPJ, 1985, S. 90.
[10] MWB: BBl, 1986, II, S. 974 ff.; Gnueg Heu dune !, 1986, Nr. 1, 3 und 7; Union, 1986, Nr. 4 und 11 ; LID, Press., 1440, 18.4.86 ; 1450, 27.6.86 ; 1461, 12.9.86 ; SHZ, 18, 2.5.86 ; 45, 6.1 1.86 ; NZZ, 17. und 18.6.86 ; 24.6.86 ; Presse vom 21.6.86 ; BZ, 24.6.86 ; Vat., 24.6.86 ; wf, Dok., 45,10.11.86 ; wf, AD, 49, 8.12.86. Siehe auch Amtl. Bull. NR, 1986, S. 1500 f. ; PZ, 1, 8.1.86 und SPJ, 1985, S. 90 f. Verschiebung: NZZ, 28.8.86 ; 21.1.1.86; SZ, 7.11.86 ; Bund, 20.11.86; BZ, 20.11.86; LID, Press., 1471, 21.11.86. Siehe auch SPJ, 1985, S. 90 f.
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