Année politique Suisse 1986 : Wirtschaft / Landwirtschaft / Tierische Produktion
Die staatliche Lenkung der einen Hälfte der tierischen Produktion (Milch) durch Kontingentierung führte in den letzten zehn Jahren zu stetig wachsenden Überschüssen auf der anderen Seite (Fleisch), wo keine gleichwertigen Lenkungsmassnahmen bestehen. Seit 1984 beschäftigt der sogenannte «Fleischberg», der trotz des Höchststandes des Pro-Kopf-Verbrauchs von Fleisch (90 kg pro Jahr) nicht ohne subventionierte Billig-Aktionen abgebaut werden kann, die agrarpolitische Diskussion. Bei der Beantwortung einer Interpellation Bühler (svp, GR) bekräftigte der Bundesrat seine Absicht, an der Lenkung des Fleischmarktes über den Preis festzuhalten und keine generelle Kontingentierung der Rindfleischproduktion einzuführen noch ein Verbot antimikrobieller wachstumsfördernder Futtermittelzusätze zu erlassen. Nach Meinung der Landesregierung sollte es mit Hilfe des Landwirtschaftsgesetzes (LWG) und durch Massnahmen wie die Senkung des Schlachtgewichtes möglich sein, die Fleischproduktion zu stabilisieren. Es sei zudem auch Aufgabe der Produzenten, mit Selbsthilfemassnahmen und Produktionsdisziplin den Schlachtviehmarkt zu sanieren
[11].
Die
Teilrevision des Landwirtschaftsgesetzes (LWG) — konzipiert als
indirekter Gegenvorschlag zur 1983 zurückgezogenen «Futtermittel-Initiative» des Zentralverbandes schweizerischer Milchproduzenten (ZVSM) — wurde auch von der Kleinen Kammer genehmigt. Der Bundesrat kann somit zur Lenkung der Fleisch- und Eierproduktion Höchstbestände festsetzen und an kleine und mittelgrosse bäuerliche Betriebe Tierhalterbeiträge von jährlich insgesamt 20 Mio Fr. ausrichten sowie eine Bewilligungspflicht für Stallbauten einführen. Wie schon 1985 im Nationalrat wurde diese Vorlage von linker und kleinbäuerlicher Seite als «Alibi-Übung» bezeichnet
[12].
Aufsehen erregte der Bericht der Gesellschaft schweizerischer Tierärzte über die
illegale Anwendung von Tierarzneimitteln und deren Rückstände in Lebensmitteln tierischer Herkunft. Danach muss angenommen werden, dass mehr als die Hälfte der in der Schweiz zur Anwendung gelangenden Tierarzneimittel unkontrolliert importiert und illegal vermarktet werden, und dass Antibiotika in grossen Mengen als Futtermittelzusätze oder Injektionslösungen nicht nur zur Behandlung, sondern auch zur Vorbeugung von Krankheiten verabreicht werden. Als Gegenmassnahmen regt der Bericht einerseits Vorschriften für die Einfuhrkontrolle von Tierarzneimitteln und andrerseits ein Bundesgesetz über die Tierarzneimittelkontrolle an
[13].
Fünf Jahre nach dem Inkrafttreten von Tierschutzgesetz und -verordnung zogen verschiedene interessierte Kreise Bilanz. Auch Tierschutzorganisationen äusserten sich anerkennend, sie wiesen jedoch ebenfalls auf noch ungelöste Probleme hin, wie den schleppenden Vollzug durch einige Kantone oder ungenügende Kontrollen. Um einige mittlerweile erkannte Gesetzeslücken zu beseitigen, sollen in den kommenden fünf Jahren verschiedene Bestimmungen betreffend die Betäubung der Schlachttiere, die Anpassung der Tierversuchsordnung an die europäischen Konventionen sowie die Nutztierverordnung revidiert werden
[14].
[11] Amtl. Bull. NR, 1986, S. 1517 ff. ; Ww, 10, 6.3.86 ; SHZ, 13, 27.3.86 ; 38, 18.9.86 ; 49, 4.12.86 ; 52,23.12.86 ; LID, Dok., 257, 23.4.86 (Rindviehzucht und Überproduktion); Vr, 27.5.86; NZZ, 3.6.86; 3.9.86; BZ, 12.7.86; 29.8.86. Revision der Schlachtviehverordnung: NZZ, 15.10.86; BaZ, 25.11.86. Protestaktionen der UPS: 24 Heures, 16.4.86; TW, 3.5.86; Union, 1986, Nr. 7 und 8. Siehe auch Die Volkswirtschaft, 59/1986, S. 574 ff. (Viehzählung 1986) und 843 (Schweinezählung 1986) sowie SPJ, 1986, S. 91.
[12] Amtl. BuIl. NR, 1986, S. 1862 ff. und 2080 ; Amtl. Bull. StR, 1986, S. 605 ff. und 841; BBl, 1987, 1, S. 36 ff.; BaZ, 9.10.86 ; NZZ, 9.10.86 ; 16.12.86 ; Vat., 9.10.86 ; Gnueg Heu dune!, 1986, Nr. 4 ; Union, 1986, Nr. 15. Siehe auch SPJ, 1983, S. 97; 1985, S. 91.
[13] Amtl. Bull. NR, 1986, S. 984 f. ; TA, 6.2.86 ; LID, Press., 1430, 7.2.86 ; Wir Brückenbauer, 35, 27.8.86. Siehe auch Amtl. Bull. NR, 1986, S. 1527 f. Vgl. ferner den 1980 teilweise als Motion und teilweise als Postulat überwiesenen Vorstoss Dürr (cvp, SG) betreffend Medikamentenhandel in der Veterinärmedizin (SPJ, 1980, S. 86, Anm. 33).
[14] Amtl. Bull. NR, 1986, S. 2062 ff.; Amtl. Bull. StR, 1986, S. 439; NZZ, 24.6.86; BaZ, 25.6.86; LNN, 25.6.86; TA, 25.6.86; 4.10.86; LID, Press., 1450, 27.6.86. Siehe auch A.F. Goetschel, Kommentar zum Eidgenössischen Tierschutzgesetz, Bern 1986 sowie SPJ, 1978, S. 87; 1979, S. 96; 1980, S. 87; 1981, S. 90; 1982, S. 84.
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