Année politique Suisse 1986 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen / Einnahmenordnung
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WUST
Im Bereich der Einnahmenordnung erntèten die Bemühungen des Bundesrates, den Bundeshaushalt durch zusätzliche Fiskalmassnahmen dauerhaft ins Gleichgewicht zu bringen, keinen nennenswerten Erfolg. Im Frühjahr kam die bereits vom Nationalrat abgelehnte Ausdehnung der WUST auf alle Energieträger noch vor die Ständekammer. Deren Nichteintretensbeschluss war vorauszusehen; der Chef des EFD wie auch seine sozialdemokratischen Parteigenossen im Rat setzten sich nicht mehr ernstlich dagegen zur Wehr [7]. Inzwischen war bereits eine andere Form der Energiebesteuerung in den Brennpunkt der Auseinandersetzung getreten : Ende Februar hatte der Bundesrat völlig überraschend eine massive Erhöhung der Zölle auf Heizöl und Gas in Kraft gesetzt sowie die Belastung des Treibstoffzollzuschlags mit der WUST verfügt, was in einem Teil der Öffentlichkeit heftige Proteste auslöste; es kam sogar zu anonymen Morddrohungen gegen den Finanzminister. Die Massnahmen wurden sowohl umwelt- wie finanzpolitisch begründet. Bundesrat Stich sprach von einem Signal, das angesichts des starken Preisrückgangs bei den fossilen Brenn- und Treibstoffen auf die unveränderte Notwendigkeit des Energiesparens wie auch angesichts der Widerstände gegen zusätzliche Einnahmen auf die Dringlichkeit des Haushaltausgleichs hinweisen solle. Die umweltpolitische Bedeutung der neuen Abgaben wurde noch dadurch unterstrichen, dass die Regierung gleichzeitig kräftige Tarifermässigungen bei den Bahnen vorschlug. Gegnerische Stimmen brandmarkten jedoch das Vorgehen des Bundesrates als «Nacht- und Nebelaktion » ; den von jeder direkten Zweckbindung freien Zusatzlasten wurde die umweltpolitische Legitimation, ja sogar die Rechtmässigkeit abgesprochen, und man machte auch geltend, dass sie vor allem die Mieter und die in ungünstigen klimatischen Verhältnissen lebende Bergbevölkerung träfen. Es waren in erster Linie Sprecher der FDP und der SVP, des Gewerbes, der Mineralölwirtschaft und der Automobilisten, die gegen die unerwarteten Beschlüsse Stellung nahmen; die SP, mehrheitlich auch die CVP sowie ein Teil der bürgerlichen Presse anerkannten sie dagegen unter Vorbehalten als konsequent. Aus Kreisen der Umwelt- und der Konsumentenschützer wurde gleichfalls Kritik geäussert, namentlich wegen der Einbeziehung des Erdgases und wegen der fehlenden Zweckbindung [8]. In seiner Botschaft zu den Zollerhöhungen berief sich der Bundesrat auf eine Ankündigung im Vorjahr, eine Ablehnung der Unterstellung der Energieträger unter die WUST würde er nicht einfach hinnehmen [9].
Nachdem die Fraktionen der FDP und der LP vergeblich versucht hatten, eine parlamentarische Behandlung — und Ausserkraftsetzung — der zusätzlichen Heizöl- und Gasbelastung schon im März zu erwirken, ereilte diese das Schicksal in der Junisession. Die Vorlage wurde durch die Linke, den Landesring und andere betont umweltpolitische Gruppen fast geschlossen unterstützt, dazu durch eine Minderheit der CVP und einzelne weitere bürgerliche Abgeordnete, doch das reichte nicht aus. Die Erhebung der WUST auf den Treibstoffzollzuschlägen blieb dagegen in Kraft, da sie in der Verordnungskompetenz des Bundesrates lag. Sie soll dem Bund Mehreinnahmen von 90 Mio Fr. im Jahr bringen [10].
 
[7] Amtl. Bull. StR, 1986, S. 41 ff. Der Entscheid fiel mit 26:1 Stimmen. Vgl. SPJ, 1985, S.82.
[8] Inkraftsetzung Presse vom 27.2.86 ; vgl. Interview BR Stichs in Vr, 28.2.86. Morddrohungen : Bund, 6.3.86. Zum Preisrückgang der Brenn- und Treibstoffe vgl. unten, Teil I, 6a (Produits pétroliers); zu den Bahntarifermässigungen unten, Teil I, 6b (Generelle Verkehrspolitik). Stellungnahmen: Presse vom 27. und 28.2.86; TA, 1.3.86; 3.3.86; anerkennend reagierten u.a. SGT, 27.2.86; SZ, 28.2.86; Bund, 6.3.86; vgl. auch die Interpellationen Oehler (cvp, SG), Weber (Idu, ZH), Dirren (cvp, VS), der SP-Fraktion sowie der Fraktion PdA/PSA/POCH (Amtl. Bull. NR, 1986, S. 518 ff.). Der Heizölzoll wurde von 30 Rp. auf 4 Fr. pro q erhöht, der Gaszoll von 10 Rp. auf 1 Fr. pro q. Diese Massnahme konnte aufgrund des Zolltarifgesetzes unverzüglich eingeführt werden, da dessen Art. 5 den BR ermächtigt, einzelne Ansätze von sich aus zu erhöhen, wenn er gleichzeitig einen entsprechenden Antrag an das Parlament stellt ; Zweck dieser Kompetenz ist die Verhinderung vorsorglicher Einfuhren, die den Zollertrag schmälern würden. Der BR hatte dieses Vorgehen schon 1974 bei einer mässigeren Heizölzollerhöhung gewählt, die nachträglich wohl vom Parlament, nicht aber vom Volk genehmigt wurde (vgl. SPJ, 1974, S. 77 f. ; 1975, S. 88). Zur Belastung des Treibstoffzollzuschlags mit der WUST siehe unten. Vgl. im übrigen oben (Finanzpolitik).
[9] BBl, 1986, I, S. 737 ff., insbes. S.739; vgl. Botschaft des Bundesrates... zum Voranschlag... für das Jahr 1986..., S.63. Der BR erwartete von den Zollerhöhungen 290 Mio Fr. pro Jahr.
[10] FDP und LP: NZZ, 4.3.86; 6.3.86. Junisession: Amtl. Bull. NR, 1986, S. 514 ff.; Amtl. Bull. SIR, 1986, S. 289 ff. Der NR beschloss Nichteintreten mit 101:81, der StR mit 23:17 Stimmen. Die Zollerhöhung erbrachte dem Bund bis zu ihrer Wiederaufhebung 86,2 Mio Fr. Mehreinnahmen (Information der Eidg. Zollverwaltung). WUST auf Treibstoffzollzuschlägen: AS, 1986, S. 350; NZZ, 27.2.86. Der Ertrag belief sich bis Jahresende auf knapp 50 Mio Fr. (Botschaft des Bundesrates... zur Staatsrechnung... für das Jahr 1986, S. 45). Wenn etwa die NZZ (28.2.86) diese «Steuer auf der Steuer» als Abnormität kritisierte, so ignorierte sie die Tatsache, dass die Warenzölle als Teil des Warenpreises grundsätzlich der WUST unterliegen.