Année politique Suisse 1986 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen / Einnahmenordnung
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Direkte Steuern
Erfolgreich waren demgegenüber Versuche von bürgerlicher Seite, die Einnahmen des Bundes zu reduzieren, sei es, um diesen ganz allgemein kurz zu halten oder um gewisse Kategorien von Steuerzahlern zu entlasten. Gelegenheit bot dazu im März die Behandlung des Gesetzes über die direkte Bundessteuer im Ständerat. Dieser Erlass steht in engem Zusammenhang mit demjenigen über eine formale Harmonisierung der direkten Kantons- und Gemeindesteuern, dessen Grundsätze er auf die Bundessteuergesetzgebung anwenden soll ; er hat aber zugleich die Funktion, die seit bald sieben Jahrzehnten fast ununterbrochen erhobene Einkommens- und Kapitalsteuer des Bundes endlich in die ordentliche Gesetzgebung überzuführen. Mit seinen detaillierten Bestimmungen über Tarife und Abzüge bildet das neue Gesetz ein zentrales Instrument zur Gestaltung der Bundeseinnahmen [11].
Die Vorlage des Bundesrates aus dem Jahre 1983 enthielt in bezug auf die Steuerbelastung vor allem drei Neuerungen: Erleichterungen für Ehepaare und Familien, namentlich durch die Wiedereinführung unterschiedlicher Tarife für Verheiratete und Alleinstehende, Einführung einer Beteiligungsgewinnsteuer für natürliche Personen — mit dieser sollten die Gewinne aus der Veräusserung wesentlicher Kapitalanteile an Gesellschaften und Genossenschaften einfacher und lückenloser erfasst werden — sowie Ubergang von einem auf die Rendite bezogen progressiven zu einem durchgehend proportionalen Tarif für die Gewinnsteuer der juristischen Personen, wodurch arbeitsintensive, vor allem jüngere und kleinere Unternehmen gegenüber kapitalintensiven entlastet worden wären. Das erste Revisionsanliegen ging zu Lasten des Fiskus, das zweite zu seinen Gunsten, und das dritte sollte kostenneutral gestaltet werden. Wie es die Kommissionsberatungen des Vorjahrs erwarten liessen, nahm die kleine Kammer wohl das erste Anliegen auf und verstärkte noch seine einnahmenmindernde Wirkung; die beiden andern lehnte sie jedoch ab. Die Verhandlungen über die Einkommenssteuer standen einerseits im Zeichen des Bundesgerichtsentscheids von 1984, der die Kantone dazu anhält, Ehepaare nicht stärker zu belasten als Konkubinatspaare, anderseits unter dem Druck der von der FDP lancierten Initiative «für ehe- und familiengerechtere Bundessteuern». So verringerte der Rat die Differenz in der steuerlichen Behandlung der beiden Gemeinschaftsformen noch weiter, indem er den Tarif für Alleinstehende leicht erhöhte, denjenigen für Verheiratete dagegen auf den unteren und mittleren Stufen zusätzlich ermässigte und ausserdem den Kinderabzug verdoppelte. Einen freisinnigen Antrag, der sich im Sinne der FDP-Initiative gegen die Mehrbelastung der Alleinstehenden wandte, lehnte er ab, ebenso einen sozialdemokratischen, der einen Abzug für einen Teil der Wohnungsmietekosten enthielt. Dagegen gewährte er auf Vorschlag einer Kommissionsminderheit einen Abschlag auf der Besteuerung der Eigenmiete und hiess auch die Abzugsberechtigung von Aufwendungen für Denkmalschutz, Umwelt- und Energiesparmassnahmen gut. Entschärft wurden schliesslich die Verfahrens- und Strafvorschriften. Ausserdem fiel — entsprechend dem vorausgegangenen Entscheid zum Harmonisierungsgesetz — der Übergang von der zweijährigen zur einjährigen Veranlagung dahin [12].
Als finanzielle Auswirkungen seiner Vorlage hatte der Bundesrat 1983 einen Einnahmenausfall von rund 150 Mio Fr. für die Bundeskasse veranschlagt. Durch die von der Ständekammer beschlossenen Änderungen würde sich dieser um etwa eine halbe Milliarde erhöhen. Um für die Behandlung des arg zerzausten Gesetzesentwurfs im Nationalrat bessere Voraussetzungen zu schaffen, lancierte Bundesrat Stich am Kongress des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes eine neue Idee: das komplizierte und undurchsichtige System der Abzüge solle durch einen Pauschalabzug ersetzt werden, der einzig von der Familiengrösse abhängig wäre. Zugleich müsse aber die einjährige Steuerveranlagung eingeführt werden. Der Vorschlag erntete jedoch nur bescheidenes Echo [13].
 
[11] Zum Gesetz über die direkte Bundessteuer vgl. SPJ, 1983, S. 93. Zum Gesetz über die Harmonisierung der Kantons- und Gemeindesteuern siehe unten (Steuerharmonisierung).
[12] Kommissionsberatungen: vgl. SPJ, 1985, S.86. Ratsverhandlungen: Amtl. Bull. StR, 1986, S. 105 f., 169 ff. und 182 ff. Bundesgerichtsentscheid: Entscheidungen des Schweiz. Bundesgerichts, Bd. 110/1984, I, S. 7 ff.; vgl. SPJ, 1984, S. 153. FDP-Initiative: vgl. SPJ, 1985, S. 86. Im Juni überwies der StR eine christlichdemokratische Motion, die auf die vorzeitige Inkraftsetzung der Familienerleichterungen drängte, offensichtlich um der FDP-Initiative entgegenzukommen (Motion Meier, GL: Amtl. Bull. StR, 1986, S.229 f.). Verfahrens- und Strafvorschriften: Entgegen dem Antrag des BR sollen die AHV-Organe weiterhin nicht verpflichtet sein, den Steuerbehörden unaufgefordert Auskünfte zu erteilen. Auch der BR-Antrag, den Begriff des Steuerbetrugs auf Fälle «arglistiger» Täuschung ohne Urkundenfälschung auszudehnen, drang nicht durch. — Zuhanden der Beratung im NR nahm der BR Vorstösse beider Räte entgegen, die eine Korrektur der 1985 verabschiedeten Bestimmungen über die Besteuerung von Leistungen der zweiten Säule verlangten, um eine Privilegierung der Empfänger von Kapitalleistungen gegenüber den Rentenempfängern rückgängig zu machen (Amtl. Bull. StR, 1986, S. 742 ff.; Amtl. Bull. NR, 1986, S. 2033 f.; vgl. SPJ, 1985, S. 87). Vgl. auch V. Spoerry-Toneatti, «Aspects politiques et économiques de l'imposition de l'entreprise», in Bulletin de documentation économique (SDES), 41/1986, no 1/2, S.59 ff.
[13] Ausfall nach BR-Entwurf: BBl, 1983, III, S. 241 f. Darin sind die schwer zu schätzenden Einbussen infolge der durch ein Sondergesetz vorzeitig in Kraft gesetzten Neuregelung für die Beiträge an die Berufliche Vorsorge bereits inbegriffen (vgl. SPJ, 1985, S.87). Ständekammer: vgl. BaZ, 21.3.86. Pauschalabzug: Presse vom 15.11.86; NZZ, 10.12.86.