Année politique Suisse 1986 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Voranschlag und Staatsrechnung des Bundes
Im Voranschlag der Eidgenossenschaft für 1987 sah die Regierung erneut einen kleinen Einnahmenüberschuss vor, wie vorstehende Tabelle zeigt. Gegenüber dem Finanzplan aus dem Jahre 1985, der noch ein Defizit von 670 Mio Fr. prognostiziert hatte, wurde angesichts der Konjunkturlage vor allem mit einer erheblichen Steigerung der Einnahmen (namentlich der Stempelabgaben und der WUST) gerechnet; Minderausgaben wurden in erster Linie beim Nationalstrassenbau (infolge von Verzögerungen) und bei der Landesverteidigung (zur Kompensation der vorgezogenen Belastung für den Panzerkauf), Mehraufwendungen dagegen für die Landwirtschaft (insbesondere für die Verwertung von Milch und Milchprodukten) sowie für Informatik und Ingenieurwissenschaften erwartet. Zugleich beantragte der Bundesrat die Bewilligung von 235 neuen Vollzeitstellen. In den parlamentarischen Beratungen wurde die Regierungsvorlage nur wenig verändert. Fast die Hälfte der über zwanzig Abänderungsanträge im Nationalrat waren auf zusätzliche Ausgaben für Umweltschutzmassnahmen oder auf Einsparungen bei der Förderung der Atomtechnik ausgerichtet, allerdings ohne Erfolg. Das verabschiedete Budget enthält 24 396 Mio Fr. Einnahmen und 24 225 Mio Fr. Ausgaben, somit einen Einnahmenüberschuss von 171 Mio Fr. [20].
Nach 15 defizitären Jahren zeitigte die Staatsrechnung der Eidgenossenschaft für 1986 erstmals wieder einen Einnahmenüberschuss, und zwar nicht nur 102 Mio Fr. wie budgetiert, sondern gleich 1968 Mio Fr. Dies ist in absoluten Zahlen der höchste in der Geschichte der Bundesfinanzen je erzielte, im Verhältnis zu den Ausgaben der grösste seit 1964. Die Gesamtrechnung ergab einen Reinertrag von 935 Mio Fr., den ersten seit 1974. Der Fehlbetrag der Bilanz verminderte sich dadurch von 18 440 Mio Fr. auf 17 505 Mio Fr. Die Schulden am Geld- und Kapitalmarkt konnten um 972 Mio Fr. abgebaut werden. Das überraschende Ergebnis ist hauptsächlich die Folge einer starken Erhöhung der Einnahmen. Diese betraf namentlich die Stempelabgaben (+ 20,4% gegenüber Budget 1986; + 54,0% gegenüber Rechnung 1984) und die Verrechnungssteuer (+ 8,2% bzw. + 25,1 %); sie brachte die günstige Wirtschaftsentwicklung (Börsentätigkeit, Kapitalerhöhungen, Dividendenausschüttungen) zum Ausdruck. Im Vergleich zum Voranschlag ist auch ein leichter Ausgabenrückgang (– 1,8 %) festzustellen — trotz Nachtragskrediten in der Höhe von 411 Mio Fr. —; dabei fiel insbesondere die Verlangsamung des Strassenbaus ins Gewicht. Gegenüber der Rechnung des Vorjahres nahmen ferner die Aufwendungen für die Landesverteidigung wieder etwas ab, was in der Kompensation der durch den Panzerkauf verursachten Zahlungsspitze begründet liegt. Die ausserordentliche Verbesserung des Rechnungsabschlusses beruht somit auf keinen dauerhaften Voraussetzungen [21].
Über die Freigabe von Nachtragskrediten kam es zu einem kleinen Disput zwischen der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte und dem Bundesrat. Jene beanstandete, dass die Regierung im Berichtsjahr 1985/86 verschiedentlich dringliche Vorschüsse gewährt hatte, ohne die im Normalfall gesetzlich erforderliche Zustimmung der Delegation einzuholen, obwohl dies zeitlich möglich gewesen wäre. Der Bundesrat sagte eine strengere Beachtung der Kompetenzordnung zu. Die Finanzdelegation ist ausserdem bestrebt, die Finanzaufsicht über die Regiebetriebe des Bundes, die verschiedenen Organen obliegt, einheitlicher zu gestalten und auch die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft einzubeziehen [22].
Um dem Bundesrat für die Aufnahme von Anleihen ein den Verhältnissen am Geld- und Kapitalmarkt angemessenes flexibles Handeln zu ermöglichen, hat ihm die Bundesversammlung seit 1920 periodisch ihre verfassungsmässige Kompetenz auf diesem Gebiet übertragen, jeweils auf die Dauer einer Legislaturperiode. Um solche Routinegeschäfte zu vermeiden, schlug nun die Regierung vor, die Befristung der juristisch nicht mehr bestrittenen Übertragung aufzuheben und diese in das Finanzhaushaltgesetz einzufügen; bei der nächsten Gelegenheit sollte dann eine entsprechende Verfassungsänderung vorgenommen werden. Der Ständerat stimmte dem Antrag zu, behielt aber dem Parlament aus verfassungsrechtlichen Gründen die Möglichkeit einer Rücknahme der Kompetenzdelegation durch einfachen Bundesbeschluss vor [23].
 
[20] Botschaft des Bundesrates... zum Voranschlag... für das Jahr 1987... ; SPJ, 1985, S. 80 und 84. Parlamentsberatungen : Amtl. Bull. NR, 1986, S. 1729 ff., 1777 ff. und 1915 ff.; Amtl. Bull. StR, 1986, S. 744 ff., 765 ff. und 810. Zum Panzerkauf vgl. SPJ, 1984, S. 56 ff. Budgetbeschluss: BBl, 1987, I, S. 56 f.
[21] Botschaft des Bundesrates... zur Staatsrechnung... für das Jahr 1986. Zum Budget vgl. SPJ, 1985, S. 84, zu früheren Rechnungsabschlüssen Statistisches Jahrbuch der Schweiz. Eine erhebliche Erhöhung erfuhren auch die Zölle (ohne Treibstoffbelastung +13,2% gegenüber Budget 1986; +19,7% gegenüber Rechnung 1984) ; dafür waren die vorübergehende Zusatzbelastung von Heizöl und Gas sowie gesteigerte Personenwagenimporte vor der Inkraftsetzung der neuen Abgasnormen massgebend (vgl. oben, Einnahmenordnung, sowie SPJ, 1981, S. 120; 1985, S. 128). Der Vergleich der Einnahmen mit der Rechnung 1984 (statt 1985) trägt der Tatsache Rechnung, dass die Erträge der DBST und der Verrechnungssteuer infolge der geltenden Verfahren in geraden Jahren höher sind als in ungeraden.
[22] Bericht der Finanzdelegation: BBl, 1986, II, S. 495 ff.; vgl. Amtl. Bull. NR, 1986, S. 577 und 580; Amtl. Bull. StR, 1986, S. 274 f. Zur Finanzkontrolle im Bund vgl. J.-N. Rey, Les mécanismes de contrôle financier du Parlement: le cas particulier de la Suisse, Lausanne, IDHEAP, 1986.
[23] BBl, 1986, II, S. 1369 ff.; Amtl. Bull. StR, 1986, S. 740 ff.