Année politique Suisse 1986 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
Bodenrecht
Der Bundesrat eröffnete das
Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf für ein Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht, welches verhindern soll, dass Landwirtschaftsbetriebe weiterhin zweckentfremdet, zerstückelt und zu übersetzten Preisen von Spekulanten und Kapitalanlegern erworben werden. Kernpunkt des Entwurfs ist die Bestimmung, dass grundsätzlich nur noch Selbstbewirtschafter ein landwirtschaftliches Gewerbe oder Grundstück erwerben können — und zwar zu einem tragbaren Preis; dazu werden Höchstpreisvorschriften sowie bundesrechtliche Bewilligungsverfahren für den Erwerb vorgeschlagen. Positiv überrascht über diesen Vorschlag zeigten sich die Initianten der «Stadt-Land-Initiative gegen die Bodenspekulation»; sie waren jedoch nicht bereit, ihr Begehren zurückzuziehen, da einerseits im Entwurf wichtige Bereiche wie das Mietwesen fehlen und andrerseits damit gerechnet werden muss, dass die Vorlage im Vernehmlassungsverfahren und in den parlamentarischen Verhandlungen noch abgeändert wird
[6].
Obwohl der Bundesrat die «Stadt-Land-Initiative gegen die Bodenspekulation» 1985 dem Parlament zur Ablehnung empfohlen hatte, stösst dieses Begehren über die Kreise der Linken und Grünen hinaus auch bei vielen Bauern auf Wohlwollen. Der Freiburger Volkswirtschaftsprofessor H. Kleinewefers kam zudem nach einer kritischen Prüfung der vorgeschlagenen Massnahmen zum Schluss, dass die Volksinitiative durchführbar, im Hinblick auf ihre Ziele tauglich und nicht mit untragbaren volkswirtschaftlichen Effizienzverlusten oder Beeinträchtigungen anderer Ziele verbunden sei. Das «Kontaktforum Boden», ein loser Zusammenschluss von Landwirten, Raumplanern und Landschaftsschüttern, forderte daher das Parlament zu einem entsprechenden Gegenvorschlag auf.
Bei den Beratungen der «Stadt-Land-Initiative» prallten im
Nationalrat somit drei Positionen aufeinander: Befürworter und Gegner der Initiative sowie Verfechter eines Gegenvorschlages. Die Grünen und die kleinen Linksparteien plädierten für ein Ja zum Volksbegehren, sie wurden dabei unterstützt von SP und LdU, wobei diese sich bereit erklärten, auch den von Martin Bundi (sp, GR) eingereichten Gegenvorschlag zu unterstützen. Dieser sah — neben Förderungsmassnahmen für eine breit gestreute Eigentumsbildung — Missbrauchsbestimmungen gegen Konzentration von Grundeigentum und die Abschöpfung von Spekulations- und Planungsmehrwertgewinnen vor. Der Gegenvorschlag Bundi unterlag in einer Eventualabstimmung des Nationalrates jenem von H. Ruckstuhl (cvp, SG), der nur die Förderung eines breiter gestreuten Grundeigentums verlangte. In der Gesamtabstimmung aber sprach sich die bürgerliche Mehrheit der grossen Kammer deutlich für die Linie des Bundesrates aus und
empfahl die «Stadt-Land-Initiative» mit 132:47 Stimmen ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung; dieses Ergebnis kam auch deshalb zustande, weil die bäuerlichen Vertreter den Argumenten von Bundesrätin Kopp folgten und sich für den Vorentwurf des revidierten bäuerlichen Bodenrechts entschieden, den sie allerdings mit einem dringlichen Bundesbeschluss in Kraft gesetzt haben möchten
[7].
Die Zahl der abgeschlossenen
Grundstückverkäufe an Personen im Ausland ging 1985 gegenüber dem Vorjahr um 50% auf 1044 Handänderungen zurück, und die verkaufte Fläche sank um 68,9 % auf 72,9 ha. Die Kontingente für die Jahre 1987/88 wurden vom Bundesrat um 10% auf je 1800 reduziert; dabei blieb der Verteilungsschlüssel auf die Kantone praktisch unverändert. Das Bundesgericht schützte den Entscheid des Obwaldner Obergerichts, wonach zwei Gesellschaften aufgelöst und zwangsenteignet werden müssen, da sie lediglich gegründet worden seien, um das Gesetz über den Grundstückerwerb durch Personen im Ausland zu umgehen. Dieses wegweisende Urteil dürfte auch für ähnliche Fälle in den Kantonen Graubünden und Tessin Folgen haben. Für eine strikte Einhaltung der Lex Furgler — namentlich gegenüber vermögenden Ausländern — setzte sich der 1985 neu gewählte Genfer Staatsrat J. Ph. Maître (cvp) ein mit dem Slogan «Genf ist nicht zu kaufen» will er allerdings auch dem überraschenden Wahlsieger, den Vigilants, entgegentreten
[8].
[6] M. Kaufmann, «Das neue bäuerliche Bodenrecht aus der Sicht der Stadt-Land-Initiative», in Blätter für ein neues Bodenrecht, 1986, Nr. 29, S. 19 ff.; Ch. Wyss, «Das neue bäuerliche Bodenrecht: zum Vorentwurf», ebenda, Nr. 30, S. 2 ff.; NZZ, 10.4.86; BZ, 20.5.86; Presse vom 22.5.86; LID, Pressedienst, 1445, 23.5.86; vgl. auch die von 86 Nationalräten mitunterzeichnete Motion Ruffy (sp, VD) für die Schaffung einer Bodenstatistik (Verhandl. B.vers., 1986, III/IV, S. 92 f.). Siehe ferner BA für Statistik, Eidgenössische Betriebszählung 1985. Band 5: Kulturland nach Gemeinden, Bern 1986 ; Redressement national (Hg.), Bodenrecht in Bewegung, Zürich 1985 ; H. Tschäni, Wem gehört die Schweiz? Unser Eigentums- und Bodenrecht auf dem Weg zum Feudalsystem, Zürich 1986; M. Lendi, «Entwicklungstendenzen im schweizerischen Bodenrecht», in Wirtschaft und Recht, 38/1986, S. 301 ff.; Plädoyer, 4/1986, Nr. 4; SGT, 24.7.86; 16.8.86; wf, KK, 40, 6.10.86; wf, Dok., 49, 8.12.86.
[7] Amtl. Bull. NR, 1986, S. 1197 ff.; BBl, 1986, S. 153 ff.; Presse vom 18.1.86; 13.5.86; 22.5.86; 28.8.86; 27.9.86; 30.9.86; 1.10.86; Vat., 17.5.86; TW, 9.6.86; BZ, 14.6.86; 26.8.86; TA, 14.6.86; 27.9.86; NZZ, 9.8.86; 14.8.86; 19.9.86; Ww, 28, 10.7.86; 36, 4.9.86; 37, 11.9.86; Infrarot, 1986, Nr. 62. Siehe auch die vom NR überwiesene Motion Müller (fdp, ZH) für eine breitere Streuung des Grundeigentums und gegen Baulandhortung (Amtl. Bull. NR, 1986, S. 2031 f.); Gutachten Kleinewefers: Blätter für ein neues Bodenrecht, 1986, Nr. 28; TA, 5.3.86. Kontaktforum Boden: Presse vom 13.5.86; BA für Raumplanung, Raumplanung. Informationshefte, 1986, Nr. 2, S. 3 f. Vgl. auch SPJ, 1985, S. 121 f.
[8] Grundstückverkauf: AS, 1986, S. 1566 f.; Die Volkswirtschaft, 59/1986, S. 829 ff.; Presse vom 17.5.86; 18.9.86; 31.12.86. Bundesgerichtsentscheid: Presse vom 7.3.86; NZZ, 4.7.86; siehe auch U. Mühlebach / H. Geissmann, Lex F., Kommentar zum Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, Brugg 1986; TA, 24.3.86; 17.6.86; 10.7.86; Bund, 8.4.86; 2.8.86; LNN, 5.7.86. Genf: JdG, 13.3.86; 24.3.86; 25.6.86; Suisse, 23.3.86; 24 Heures, 29.5.86; vgl. auch SPJ, 1985, S. 35. Siehe ferner SPJ, 1984, S. 116; 1985, S. 122.
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