Année politique Suisse 1986 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
 
Wohnungsbau
Mit 42 570 neu erstellten Wohnungen lag die Produktion im Wohnungsbau um 3,7% unter derjenigen von 1985; am stärksten sank die Bautätigkeit — mit durchschnittlich 17,4% — in den fünf Grossstädten (Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich). Der Rückgang beim Wohnungsbau dürfte — wenn auch gedämpft — weiter anhalten, da im Berichtsjahr 1,2% weniger Baubewilligungen erteilt wurden als im Vorjahr. Der Leerwohnungsbestand verringerte sich 1986 auf 20 899 Wohnungen, das sind 0,71% des approximativen Gesamtwohnungsbestandes (1985: 0,79 %). Wie schon seit Jahren weist der Kanton Genf mit 0,23% die niedrigste Leerwohnungsziffer auf, gefolgt von Zürich (0,4%) [9].
Der Bundesrat revidierte die Verordnung zum Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz : Neu aufgenommen wurden Rahmenbestimmungen über die Höhe und Fälligkeit von Erschliessungsbeiträgen, während die Zahl der Anspruchsberechtigten für nicht rückzahlbare Beiträge und verschiedene Zusatzverbilligungen eingeschränkt wurde. Mit ergänzenden Anforderungen an die Bauvorhaben soll auch raumplanerischen Zielen vermehrt Rechnung getragen werden. Weiter setzte der Bundesrat die Verordnung über die Wohneigentumsförderung mit den Mitteln der beruflichen Altersvorsorge in Kraft. Danach steht Interessierten ab 60 Jahren die unmittelbare Kapitalverwendung und Jüngeren die Verpfändung künftiger Altersleistungen offen. Auf eine breitere Streuung des Wohneigentums zielte auch die Motion Müller (ldu, AG) ab, welche das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterbliebenen- und Invalidenvorsorge dergestalt revidieren möchte, dass die Pensionskassen ihre Mittel vermehrt zur Förderung des privaten Wohneigentums einsetzen, um ihren eigenen Besitz an Boden und Liegenschaften zu verringern. Als zweiten Punkt verlangt die Motion eine gesetzliche Verankerung der demokratischen Mitbestimmung im Bereich der Anlagepolitik der Institutionen der beruflichen Vorsorge. Eine vermehrte Förderung des privaten Wohneigentums auf Kosten der institutionellen Anleger kündete auch Bundesrätin Kopp an. Mit einer Liberalisierung der Anlagevorschriften für Lebensversicherer— namentlich hinsichtlich einer verstärkten Zulassung von Anlagen im Ausland — soll die Nachfrage nach Boden etwas gelockert werden ; überprüft werden sollen auch die Anlagevorschriften für Versicherungen und Einrichtungen der beruflichen Vorsorge. Um das Wohneigentum besser zu streuen und dem Bau von Renditeobjekten entgegenzuwirken, will Bundesrätin Kopp ferner die Pensionskassen dazu bringen, ihren Mitgliedern vermehrt günstigere Hypothekardarlehen zu gewähren [10].
Die Frage nach dem Stellenwert des Wohneigentums in einem Land mit einem Mieteranteil von 70% war Gegenstand einer Studie der Schweizerischen Gesellschaft für praktische Sozialforschung (GfS). Ausgehend von der staatspolitischen Wünschbarkeit einer möglichst breiten Streuung des Wohneigentums sieht der Autor ökonomische und «subjektive» Sachverhalte, welche dieser Zielsetzung entgegenstehen. Aufgrund der hohen Land- und Bodenpreise wird der Kreis von potentiellen Wohnungs- beziehungsweise Hausbesitzern zumindest in städtischen Agglomerationen stark eingeschränkt. Auf der «subjektiven» Seite weist die Umfrage aus, dass die Mieter in der Schweiz mit ihren Wohnverhältnissen in relativ hohem Masse zufrieden sind und dass der Wunsch nach Wohneigentum recht gering ist. In der Prioritätenliste von Massnahmen zur Verbesserung des Lebens in der Schweiz rangiert der Wunsch nach erschwinglichen Mieten auf Platz 3, während der Traum vom Eigenheim erst an 11. Stelle genannt wird. Der Autor bezeichnet daher das Problem des Wohneigentums für den Durchschnittsbürger als «Minoritätenfrage» [11].
 
[9] Bautätigkeit: Schweiz. Baumeisterverband (Hg.), Schweizerische Bauwirtschaft in Zahlen, Ausgabe 1986, Zürich 1986; Die Volkswirtschaft, 60/1987, S. 228 ff.; Schweiz. Städteverband, Statistik der Schweizer Städte 1986, Zürich 1986; siehe auch wf, AD, 15, 14.4.86; 50, 15.12.86; wf, KI, 23, 9.6.86; 52, 22.12.86. Leerwohnungen: Die Volkswirtschaft, 59/1986, S. 620 ff. Vgl. ferner Schweiz. Hauseigentümerverband, Wohnwirtschaft 1986, Zürich (1987); R. Schilling, Der Hang und Zwang zum Einfachen, Ausblick auf eine andere Wohnarchitektur, Basel 1985; BA für Wohnungswesen, Wohnungs-Bewertung. Wohnungs-Bewertungs-System (WBS). Ausgabe 1986, Bern 1986 ; D. Hornung, Prognose der Wohnungsnachfrage für das Jahr 1990 in den Regionen Aargau, Bern, Genf, Winterthur, Zug und Zürich, Grüsch 1985 ; BaZ, 28.2.86 ; SHZ, 14, 3.4.86 ; 20, 15.5.86 ; 51,18.12.86 ; Suisse, 30.4.86; 4.6.86. Zu den Giftstoffen in Wohnräumen siehe unten, Teil I, 6d (Luftverunreinigung). Vgl. auch SPJ, 1985, S. 122.
[10] Verordnungen: AS, 1986, S. 864 ff.; 1987, S. 88 ff.; Bund, 9.5.86; BaZ, 30.5.86; TA, 27.11.86; LID, Pressedienst, 1472, 28.1 1.86 ; BaZ, 23.12.86 ; NZZ, 23.12.86. Kritisch dazu R. Rohr in NZZ, 9.4.86 und SHZ, 30, 24.7.86. Motion Müller: BaZ, 22.10.86; Verhandl. B.vers., 1986, III/IV, S. 76; siehe auch die weiteren eingereichten Motionen Früh (fdp, AR), Neukomm (sp, BE) und Nussbaumer (cvp; SO) für Wohneigentumsförderung (Verhandl. B.vers., 1986, I, S. 53 und 70; III/IV, S. 80; BZ, 29.3.86; SGT, 22.8.86). Vgl. ferner Amtl. Bull. NR, 1986, S. 505; Gesch.ber., 1986, S. 340 (geförderte Wohnungen); NZZ, 18.3.86 sowie die Serie über die sog. Immobilienkönige (Ww, 9, 27.2.86; 12, 20.3.86; 14, 3.4.86; 16, 17.4.86; 18, 1.5.86; 21, 22.5.86; 26, 26.6.86). Vgl. ferner SPJ, 1985, S. 122 f. und unten Teil I, 7c (Prévoyance professionnelle).
[11] W. Ebersold, Wohneigentum — wohin?, Zürich 1986; TA, 1.9.86; BaZ, 2.9.86; NZZ, 23.9.86. Zum Modell des Mieteigentums siehe Bund für schweiz. Frauenorganisationen / Schweiz. Vereinigung für Landesplanung (Hg.), Locacasa, Wohnen als Mieteigentümer, Egg 1986; Presse vom 24.5.86 ; NZZ, 27.5.86. Vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1986, S. 446 f., 460 und 1487 f.; TAM, 44, 1.11.86. Siehe ferner SPJ, 1984, S. 119.