Année politique Suisse 1986 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt
 
Gewässerschutz
Der Bundesrat nahm Kenntnis vom Ergebnis der Vernehmlassung zur Revision des Gewässerschutzgesetzes (GSG) und beauftragte das EDI mit der Ausarbeitung einer bereinigten Vorlage. Gegenüber dem Vorentwurf sind darin einerseits flexiblere Restwasservorschriften, andererseits jedoch strengere Auflagen für den Gewässerschutz in der Landwirtschaft vorgesehen. Da das revidierte GSG frühestens 1989 in Kraft tritt, hielt es die Landesregierung für angezeigt, durch einen vorgezogenen Bundesbeschluss die Sicherung angemessener Restwassermengen zu gewährleisten. Damit trug sie einem Vorstoss von Nationalrat W. Loretan (fdp, AG) Rechnung, der ein Unterlaufen der künftigen Restwasserregelung durch eine forcierte Verwirklichung von Wasserkraftprojekten verhindern wollte. Obwohl der Beschlussentwurf in der Vernehmlassung geteilte Aufnahme fand — die Mehrheit der Kantone sowie die Elektrizitätswirtschaft lehnten die Vorlage ab, während namentlich die Natur- und Umweltschutzorganisationen den Beschluss unterstützten — hielt der Bundesrat an der vorgeschlagenen Übergangslösung fest und beauftragte das EVED, zuhanden der eidgenössischen Räte eine entsprechende Botschaft auszuarbeiten [16].
Auch nach dem Inkraftreten des Phosphatverbots für Textilwaschmittel am 1. Juli enthalten die synthetischen Waschmittel noch Substanzen, welche die Gewässer belasten. Mit einem von der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasser und Gewässerschutz (EAWAG) vorbereiteten Überwachungsprogramm werden die möglichen Schadwirkungen des Phosphatersatzstoffes NTA weiter untersucht. Eine Pilotstudie der EAWAG im Kanton Zürich ergab, dass die bisherigen NTA-Mengen im Abwasser zu mehr als 90% von gut ausgerüsteten Kläranlagen (ARA) und die restlichen knapp 10 % von Mikroorganismen in den Flüssen abgebaut werden. Der Verbrauch von künftig etwa 3000 Tonnen NTA pro Jahr werde nach bisherigem Forschungsstand die bestehende Gewässerbelastung durch diesen Stoff kaum wesentlich erhöhen. Bei ihren Abklärungen zum NTA stiessen die EAWAG-Forscher jedoch auf die Substanz EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure), die in Textilwaschmitteln als Stabilisator für Bleichmittel dient und die in den Kläranlagen und in den Gewässern überhaupt nicht abgebaut wird. EDTA kann — noch wirksamer als NTA — Schwermetalle aus Klärschlamm und Sedimenten herauslösen. Da die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt noch nicht untersucht sind, wurde ein EDTA-Verbot im Rahmen der Stoffverordnung gefordert [17]. Im Hinblick auf die Sanierung der überdüngten Seen stellt das Phosphatverbot zwar einen ersten Schritt dar, wirkt sich aber erst mittel- bis langfristig aus. Untersuchungen bestätigten zudem, dass die nach wie vor erhebliche Phosphatbelastung hauptsächlich aus Abschwemmungen landwirtschaftlicher Böden stammt. Um diese Belastung zu verringern, sieht die Stoffverordnung unter anderem Beschränkungen von Bodenzusätzen vor und reglementiert die Verwendung von Düngern [18]. Anlässlich der Behandlung parlamentarischer Vorstösse erklärte sich der Bundesrat bereit, im Sinne einer forcierten Ursachenbekämpfung den Gewässerschutz in der Landwirtschaft voranzutreiben. Dabei sollen auch die Schwierigkeiten bei der Hofdüngerlagerung sowie das Klärschlammproblem gelöst werden [19].
Die zunehmende Verunreinigung des Grundwassers durch chemische Fremdstoffe (Nitrat, Atrazin usw.) wird in den kommenden Jahren erhöhte Aufmerksamkeit beanspruchen und gezielte Vorbeugemassnahmen erfordern. Gesetzliche Bestimmungen dazu finden sich zwar in der Stoffverordnung, doch sind weitere Vorschriften nötig. So forderten die Kantonschemiker — besorgt über die Gefährdung des Trinkwassers durch flüchtige Organchlorverbindungen — Verbrauchsbeschränkungen sowie eine Konzessionspflicht für chlorierte Kohlenwasserstoffe [20].
 
[16] GSG und Motion Loretan: Presse vom 21.8.86; SPJ, 1985, S. 129; siehe auch Amtl. Bull. StR, 1986, S. 32 f. Bundesbeschluss über den Vorbehalt künftiger Restwassermengen: NZZ, 24.4.86; Presse vom 29.4.86; SZ, 24.7.86; BZ, 7.1.87; siehe auch oben, Teil I, 6a (Centrales hydro-électriques).
[17] TA, 5.3.86 ; NZZ, 29.3.86 ; Presse vom 1.7.86. Überlastete und zu klein dimensionierte ARA sollen saniert oder umgerüstet werden (Vat., 27.5.86). EDTA in Wasch- bzw. Reinigungsmitteln wurde in der Stoffverordnung auf 0,5 bzw. 1 Massenprozent beschränkt (AS, 1986, S. 1301 ff.). Umweltschutzkreise forderten den vermehrten Einsatz von Seife beim Waschen, da damit sämtliches Problemstoffe überflüssig würden. Siehe auch E. Müller, « Entwicklung der NTA-Konzentrationen in den Schweizer Gewässern», in Umweltschutz in der Schweiz, 1986, Nr. 3, S. 4 ff.
[18] Zur Sanierung der überdüngten Seen durch seeinterne Massnahmen siehe insbesondere TA, 7.4.86; 11.11.86; NZZ, 18.4.86; Vat., 9.7.86; SHZ, 40, 2.10.86. Düngungsvorschriften: AS, 1986, S. 1310 ff.
[19] Amtl. Bull. NR, 1986, S. 441 ff., 448 ff., 1009 f., 1471 f. und 2028. Siehe auch Umweltschutz in der Schweiz, 1986, Nr. 2, S. 4 ff. sowie Verhandl. B.vers., 1986, I, S. 57 und V, S. 103 (Subventionen für die Sanierung von Jauchegruben).
[20] Nitrat: Ww, 41, 9.10.86; AT, 4.12.86. Atrazin: BaZ, 10. und 11.12.86. NTA: BZ, 23.12.86. Chlorierte Kohlenwasserstoffe : SGT, 15.3.86 ; Presse vom 24.7.86 ; von einem Verbot sah der BR einstweilen ab (vgl. Amtl. Bull. NR, 1986, S. 1490 f. ; siehe auch die diesbezügliche Motion der LdU/EVP-Fraktion, Verhandl. B. vers., 1986, V, S. 38). Zur Vergiftung des Rheins (Chemie-Katastrophe) siehe oben (Umweltpolitk).