Année politique Suisse 1986 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt
Natur- und Heimatschutz
Angesichts der fortschreitenden Landschaftszerstörung forderte eine vom Nationalrat als Postulat überwiesene Motion Ott (sp, BL) verstärkte Anstrengungen im Natur- und Heimatschutz, namentlich beim Vollzug der bereits geschaffenen Gesetze. Der Bundesrat anerkannte, dass der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zu einer vorrangigen Staatsaufgabe geworden sei, und sicherte zusätzliche Massnahmen für einen wirksamen Gesetzesvollzug zu. Einen Schritt dazu stellte die Erhöhung der Mittel für Beiträge zugunsten von Natur- und Heimatschutzaufgaben von 8,4 (1985) auf 11,5 Mio Fr. dar. Die Arbeiten an den verschiedenen Bundesinventaren, welche als Grundlagen für die Erhaltung der einheimischen Tier- und Pflanzenarten von Bedeutung sind, wurden fortgesetzt. Zwei Biotopinventare (Hochmoore und Auengebiete) sind bereits fertiggestellt, ein drittes (Trockenstandorte) weit gediehen, und eine Erhebung über die übrigen Feuchtgebiete ist in Planung
[29].
Die im Zusammenhang mit der
Volksinitiative «Zum Schutz der Moore» (
Rothenthurm-Initiative) eingeleitete
Teilrevision des Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG) wurde sowohl in der Vernehmlassung als auch in den parlamentarischen Beratungen begrüsst. Während die Notwendigkeit eines verstärkten Biotopschutzes im Interesse der Landschafts- und Arterhaltung unbestritten war, stiess die Rothenthurm-Initiative, welche den integralen Schutz der Moorlandschaften und damit auch einen Verzicht auf den geplanten Waffenplatz verlangt, mehrheitlich auf Ablehnung. Mit 31 zu 3 Stimmen sprach sich der Ständerat gegen das Volksbegehren aus und stimmte der NHG-Revision ebenso klar zu. Dabei änderte die kleine Kammer den Schlüssel zur Aufteilung der Beitragsleistungen an die Schutzaufgaben zugunsten der Kantone
[30].
Zur Verhinderung weiterer Hochwasserschäden im unteren Langetental (BE) bewilligte das Parlament einen Bundesbeitrag von rund 20 Mio Fr.; vorgesehen sind dabei auch Massnahmen zum Schutz der von diesem Projekt betroffenen Wässermatten bei Langenthal, welche zu den schützenswerten Landschaften von nationaler Bedeutung zählen. Ferner lehnte auch der Ständerat als Zweitrat den Bau eines Motorfahrzeugtypenprüfzentrums in Bösingen (FR) ab — nicht zuletzt deshalb, weil damit eine der letzten schweizerischen Auenlandschaften gefährdet worden wäre
[31].
Ebenfalls
nicht gebaut wird das umstrittene Wasserkraftwerk in der bündnerischen
Greina-Hochgebirgsebene. Die Elektrizitätswirtschaft verzichtete auf ihr Vorhaben, da angesichts der geltend gemachten landschaftlichen Schutzwürdigkeit und der rechtlichen Unsicherheit mit weiteren Verzögerungen zu rechnen war, die das Projekt zu sehr verteuert hätten. Diesen Verzicht werteten die Natur- und Umweltschutzorganisationen als Erfolg ihres langjährigen Kampfes; sie wollen sich nun dafür einsetzen, dass die betroffenen Berggemeinden angemessen entschädigt werden
[32].
Neben der Erhaltung der wenigen noch frei fliessenden Gewässer forderten die Umweltorganisationen auch den
Schutz der letzten intakten Berggebiete vor der Überbauung durch touristische Grossprojekte. Sie wiesen namentlich auf die schweren und teilweise irreversiblen Landschaftsschäden hin, zu denen die Entwicklung des Wintersportes in den Alpen geführt habe, und verlangten ein Verbot neuer Anlagen. Der Bundesrat kündigte in diesem Zusammenhang eine Verordnung an, mit der die wiederholt kritisierten Planierungen von Skipisten eingeschränkt und mit strengen Auflagen versehen werden sollen
[33].
Mit der Vorbereitung einer 4. Serie wurde das
Inventar schützenswerter Ortsbilder der Schweiz (ISOS) fortgesetzt. Ferner begannen verschiedene Kantone mit der Inventarisierung der historischen Verkehrswege. Der Ständerat überwies eine Motion Zumbühl (cvp, NW), die vom Bund eine Neuregelung der umstrittenen Subventionspraxis im Denkmalschutz sowie den Abbau des Pendenzenberges hängiger Beitragsgesuche verlangt. Der Bundesrat sicherte entsprechende Massnahmen zu und kündigte eine Revision des Denkmalschutzgesetzes an. Dabei soll auch die Rolle des Bundes in der Denkmalpflege neu definiert werden
[34].
[29] Amtl. Bull. NR, 1986, S. 1467 ff.; Gesch.ber., 1986, S. 78 f. ; Presse vom 11.11.86 (Inventar Hochmoore). Da Schutz und Pflege gefährdeter Lebensräume in erster Linie über eine Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft angegangen werden müsse, präsentierte der Schweiz. Bund für Naturschutz ein entsprechendes Grundsatzpapier (Schweizer Naturschutz, 1986, Nr. 4, S. 1 ff.; vgl. auch NZZ und Vat., 6.6.86; SHZ, 38, 18.9.86). Siehe auch R. Munz, «Landschaftsschutz als Gegenstand des Bundesrechts», in Schweiz. Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, 87/1986, S. 1 ff.
[30] Amtl. Bull. StR, 1986, 5.351 ff.; Vat., 24.4.86 (Vernehmlassung); NZZ, 2.5.86; 29.5.86; Presse vom 18.6.86. Ähnlich wie der StR äusserte sich auch die vorberatende NR-Kommission (NZZ, 17.9.86; 21.11.86). Siehe auch SPJ, 1985, S. 56 und 132 sowie oben, Teil I, 3 (Constructions militaires). Der Schwyzer Souverän lehnte den ausformulierten Verfassungsartikel zur 1985 angenommenen Landschaftsschutzinitiative, welche auch Auswirkungen auf das Waffenplatzprojekt in Rothenthurm gehabt hätte, mit 69,6% Nein-Stimmen ab (Vat., 9.12.86; siehe auch Vat., 3.1.86; 16.5.86; 18.9.86; SPJ, 1985, S. 132, Anm. 23 sowie unten, Teil II, Allgemeine Gesichtspunkte und 4 f).
[31] Hochwasserschutz: BBl, 1985, III, S. 440 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1986, S. 2 f. ; Amtl. Bull. NR, 1986, S. 867 ff. Typenprüfzentrum Bösingen: Amtl. Bull. StR, 1986, S. 61 ff.; vgl. SPJ, 1985, S. 132.
[32] BZ, 13.11.86 ; Bund, 4.12.86; vgl. SPJ, 1985, S. 132 f. Die Schweiz. Greina-Stiftung setzte sich ferner zum Ziel, der Abwanderung der Bergbevölkerung entgegenzuwirken, indem sie — als Alternative zur Erteilung von Wasserkonzessionen — Vorschläge zu einer gesunden Entwicklung des Alpenraumes präsentierte (TA, 19.9.86). Zum Modell einer möglichen Lösung der Entschädigungsfrage siehe auch den Schutzvertrag der Schweiz. Stiftung für Landschaftspflege mit Walliser Berggemeinden (BZ, 25.1.86; Schweizer Naturschutz, 1986, Nr. 7, S. 36 ff.; siehe ferner WoZ, 23, 6.6.86). Zu weiteren umstrittenen Wasserkraftprojekten siehe die Artikelserie im Bund, 7.7.86; 11.7.86; 15.7.86; 18.7.86; 23.7.86 sowie oben, Teil I, 6a (Centrales hydro-électriques).
[33] Amtl. Bull. NR, 1986, S. 1539 f.; SGT, 27.1.86; NZZ, 18.2.86; 2.6.86; 14.10.86; Schweizer Naturschutz, 1986, Nr. I, S. 2 ff.; R. Volz, Ökologische Auswirkungen des Skitourismus, Bern 1986; vgl. SPJ, 1979, S. 127 sowie unten, Teil I, 7b (Sport). Zum Problem des überbordenden Tourismus-Wachstums im Berggebiet siehe J. Krippendorf, Alpsegen — Alptraum, Bern 1986.
[34] Inventare: Gesch.ber., 1986, S. 78 f. Die zunehmenden Schäden an Bauten und Kulturgütern infolge der Luftverschmutzung veranlassten die kantonalen Denkmalpfleger zu einem Alarmaufruf (BZ, 19.11.86 ; vgl. auch NZZ, 26.4.86; 21.11.86). Motion Zumbühl: Amtl. Bull. StR, 1986, S. 763 f.; vgl. Gesch.ber., 1986, S. 59 f.
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