Année politique Suisse 1987 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Verbände und übrige Interessenorganisationen
Landwirtschaft
Die kontroverser und härter gewordene Diskussion über die Landwirtschaftspolitik liess den
Schweizerischen Bauernverband (SBV) nicht unberührt. Dies drückte sich einerseits bei den agrarpolitischen Forderungen aus, als er in seiner traditionellen Eingabe zur Einkommenssicherung im Frühjahr auf grössere Preisbegehren verzichtete. Stattdessen verlangte er Unterstützung bei den Selbsthilfemassnahmen zur Sanierung der unter Überkapazität leidenden Märkte sowie vermehrte Direktzahlungen an kleinere und mittlere Bauernbetriebe. Diese teilweise Neuorientierung — gänzlich von Preisforderungen absehen will der SBV auch in Zukunft nicht — fand ihren Ausdruck auch im Tätigkeitsprogramm und in den Richtlinien zur Agrarpolitik, welche am 17. November von der Delegiertenversammlung gutgeheissen wurden. Die Richtlinien lehnen zwar den generellen Einsatz von Direktzahlungen ab, sie sehen in deren gezieltem Einsatz jedoch ein sinnvolles Mittel, um Auflagen ökologischer, struktur- und versorgungspolitischer Natur zu entgelten. Die Erneuerung im SBV drückte sich andererseits auch in Stilfragen aus. So wurden vermehrt Anstrengungen unternommen, um die Anliegen der Landwirtschaft einem breiteren Publikum nahezubringen; zu diesem Zweck diente u.a. ein engerer Kontakt der Verbandsleitung mit den Medien. Günstig wirkte sich in diesem Zusammenhang der auf den 1. Juli erfolgte Amtsantritt des 39jährigen
Melchior Ehrler als neuer Direktor des SBV aus. Dem weltoffen und jugendlich wirkenden Ehrler gelang es, den Wandel in der Politik des Bauernverbandes glaubhaft darzustellen
[16].
Die Vereinigung kleiner und mittlerer Bauern (
VKMB), welche sich noch ein Jahr zuvor ernsthaft den Austritt aus dem SBV überlegt hatte, reagierte positiv auf die Anderungen, auch wenn in Einzelfragen — wie etwa der Preisdifferenzierung oder der Allgemeinverbindlichkeit von Verbandsbeschlüssen — nach wie vor grosse Differenzen vorhanden sind. Weniger Freude an dieser Entwicklung zeigten hingegen die im Verband Schweizerischer Geflügelhalter zusammengeschlossenen Grossmäster. Da der SBV ihrer Meinung nach zu sehr Strukturerhaltungspolitik zugunsten der Landwirte betreibt, traten sie dem Schweizerischen Gewerbeverband bei, allerdings ohne ihre Mitgliedschaft beim SBV aufzugeben
[17].
Die Empfehlungen des SBV zu den Fragen, die dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wurden, fielen wie gewohnt sehr regierungs- und parlamentskonform aus. Nur gerade bei der Neuregelung des Abstimmungsmodus' bei Initiativen mit Gegenvorschlag scherte er aus, indem er auf die Ausgabe einer Parole verzichtete. Der Bauernverband befürwortete die Revisionen von Asyl- und Ausländergesetz, die "Bahn 2000" sowie die Mutterschaftsversicherung und lehnte die beiden Volksinitiativen betreffend Rüstungsreferendum und Rothenthurm ab
[18].
[16] NZZ, 8.4.87; TA, 18.11.87; Schweizerischer Bauernverband, Jahresbericht, 90/1987, v.a. S. 31 ff. (Richtlinien) und S. 69 f. (Öffentlichkeitsarbeit). Zu Ehrler vgl. SPJ, 1986, S. 262. Siehe auch Bilanz, 1987, Nr. 6, S. 71 und oben, Teil I, 4c (Agrarpolitik).
[17] VKMB: Gnue Heu dune!, 1987, Nr. 6, S. 5 und Nr. 12, S. 4 f. Geflügelhalter: BZ, 3.4. und 4.4.87.
[18] Vgl. die entsprechenden Sachzusammenhänge oben sowie die Dokumentation zu den Parolen der Parteien und Verbände im FSP, Bern.
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