Année politique Suisse 1987 : Allgemeine Chronik
Überblick
Das politische Jahr 1987 stand im Zeichen der eidgenössischen Wahlen vom Herbst. Die fortschreitende Zerstörung der Umwelt einerseits und das Fehlen von akuten wirtschaftlichen und sozialen Problemen anderseits führten dazu, dass in der Wahlkampagne die Umweltschutzpolitik das dominierende Thema darstellte. Diese besondere Ausgangslage und die aufsehenerregenden Wahlgewinne der Grünen bei verschiedenen kantonalen und kommunalen Wahlen im Frühjahr gaben Spekulationen über eine mögliche rote-grüne Mehrheit im Nationalrat für die neue Legislaturperiode Auftrieb. Die – je nach politischem Standort – erhoffte resp. befürchtete Wende blieb jedoch aus. Zwar konnten die Grünen ihre Vertretung mehr als verdoppeln, die Zeche bezahlten jedoch nicht die Bürgerlichen, sondern die Sozialdemokraten. Die thematische Konzentration auf den Umweltschutz – zu dem sich alle bekennen konnten – hatte zur Folge, dass grundlegende Kontroversen zwischen den grossen Parteien ausblieben und ihre programmatischen Positionen sich aneinander anglichen. Dies wiederum könnte erklären, weshalb der Wahlkampf als flau eingeschätzt wurde und die Wahlbeteiligung auf den tiefsten Stand seit der Einführung der Proporzwahl sank. Das im Wahlkampf entstandene Bild der Ubereinstimmung fand allerdings in den Volksabstimmungen und in den Beschlüssen des Parlaments zu einzelnen Sachfragen keine Entsprechung. Sie machten vielmehr deutlich, dass bezüglich der konkreten Massnahmen in der Umweltpolitik ebensowenig Konsens herrscht wie in den andern Politikbereichen.
Die Integration Europas und dabei insbesondere die von der EG beschlossene Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes im Jahr 1992 stellt für die Schweiz eine Herausforderung dar, die sich auf die Gesellschaft, die Wirtschaft und auch auf die meisten Politikbereiche auswirkt. Während in der Forschungspolitik die Angst vor einem technologischen Rückstand der Schweiz, mit entsprechend negativen Folgen für die Wirtschaft, zu vermehrten Anstrengungen und Ausgaben führte, herrschten in der Sozialpolitik bei der Ablehnung der Ratifikation der europäischen Sozialcharta durch das Parlament die Abwehrreaktionen vor. Wieder anders sieht es im Bereich des Umweltschutzes und der damit eng zusammenhängenden Verkehrspolitik aus. Hier tritt die Schweiz nicht als Bremserin auf, sondern wird von der EG wegen ihrer fortschrittlichen Politik unter Druck gesetzt.
Dem Parlament gelang es, noch vor Ende der Legislaturperiode eine Reihe von Geschäften unter Dach zu bringen. Der Verlauf der Luftreinhaltedebatte zeigte jedoch, dass die Bundesversammlung dort, wo heftig umstrittene Entscheide zu fällen wären, die Führungsrolle gerne der Regierung überlässt. Der Bundesrat seinerseits versuchte, den ihm gewährten Spielraum wahrzunehmen. Er musste aber – zum Beispiel in der Energiepolitik und bei der Reform der Finanzordnung – auch zur Kenntnis nehmen, dass seine Vorschläge nicht immer willkommen waren. Kam bei einer umstrittenen Frage einmal ein Kompromiss des Parlaments zustande, war immer noch mit dem Veto des Souveräns zu rechnen. So brachte dieser – nach einer heftigen Abstimmungskampagne – die vom Gewerbeverband mit dem Referendum bekämpfte Mutterschaftsversicherung zu Fall. Ferner zeigte sich auch 1987, dass das Verhalten des Souveräns schwer vorauszusagen ist: Er lehnte zwar wie erwartet ein Mitbestimmungsrecht bei den Rüstungsausgaben der Armee ab, legte aber überraschenderweise sein Veto gegen die Pläne der Armee zur Errichtung eines Waffenplatzes im Hochmoor von Rothenthurm ein.
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H.H.