Année politique Suisse 1987 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Parlament
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Instrumente und Infrastruktur
Als Erstrat befasste sich die Ständekammer mit dem Bericht des Bundesrats über die Möglichkeiten einer besseren Integration des Parlaments in die politische Planung. Binder (cvp, AG), der den Bericht mit einem Postulat angeregt hatte, setzte sich erfolglos für die Variante "politische Planungserklärung" ein, welche den Räten ermöglichen würde, zur mittelfristigen Planung der Regierung (z.B. Finanzplan, Regierungsrichtlinien) politisch – aber nicht rechtlich – verbindlich Position zu beziehen. Dieses Instrument wäre gemäss Binder nötig, um die Machtlosigkeit eines Parlaments, das lediglich noch die Vorschläge von Exekutive und Verwaltung sanktioniere, zu überwinden. Die Ratsmehrheit vermochte diesen Pessimismus in bezug auf die eigene Funktion nicht zu teilen. Der Einbezug des Parlaments in die Zielsetzungsphase der politischen Planung wurde zudem als negativ für die Ratsarbeit beurteilt. Damit würde der Spielraum für Entscheidungen eingeengt und die Suche nach pragmatischen Kompromissen erschwert [22].
Ebenfalls um die Erneuerung des parlamentarischen Instrumentariums ging es im Nationalrat bei der Behandlung der vom Ständerat im Vorjahr beschlossenen Revision des Geschäftsverkehrsgesetzes. Die Innovation, dass beide Räte im Sinne einer Resolution zu wichtigen politischen Ereignissen eine "Erklärung" abgeben können, fand, wenn auch ohne Begeisterung, Zustimmung. Die Beschränkung der Motionen auf Bereiche, die in die Zuständigkeit des Parlaments fallen, und die Schaffung des Instruments der "Empfehlung" anstelle der sogenannt unechten Motionen wurde hingegen nur von den Freisinnigen unterstützt. Als Kompromissformel setzte sich eine Variante durch, welche Motionen nur dort nicht zulässt, wo sie auf das gesetzlich geregelte Verwaltungsverfahren Einfluss nehmen wollen [23].
Die Bedeutung des Parlaments gegenüber der Regierung und der Verwaltung ist nur zum Teil eine Frage der zur Verfügung stehenden Instrumente. Wichtiger erscheint ein Ausbau der Infrastrukturen, die dem Parlament zur Erarbeitung des nötigen Sachwissens zur Verfügung stehen. Der Nationalrat unterstützte ohne Gegenstimme eine parlamentarische Initiative Ott (sp, BL) welche diesbezügliche Verbesserungen fordert. Die Büros beider Kammern haben überdies Experten beauftragt, die Aufgaben und das Funktionieren des Generalsekretariats der Bundesversammlung und der Parlamentsdienste zu analysieren [24].
In diesem Zusammenhang wurde auch die Höhe der Entschädigung der Abgeordneten wieder aktuell. Die Vorstellung, dass die Kammern auf dem Milizsystem basieren, wird angesichts der steigenden Arbeitsanforderungen immer mehr zur Fiktion. Zwar scheint die Zeit für ein Berufsparlament noch nicht gekommen, der Vorschlag der Ratsbüros, den Abgeordneten Beiträge für ihre Vorsorgeeinrichtung auszubezahlen, weist jedoch auf die Anerkennung des politischen Mandats als Teilzeitarbeit im Umfang von rund 40% hin. Ein formeller diesbezüglicher Antrag wurde aus Opportunitätsgründen allerdings im Wahljahr noch nicht formuliert [25].
 
[22] Amtl. Bull. StR, 1987, S. 86 ff. Zum Bericht des BR siehe SPJ, 1986, S. 22 f. Vgl. auch SZ, 12.3.87; Ww, 4.6.87.
[23] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1603 ff. und 1838 f.; SPJ, 1986, S. 23. Im StR, dessen Reglement die "Empfehlung" vorsieht, ist im Berichtsjahr erstmals eine unechte Motion in dieser neuen Form eingereicht und behandelt worden (Amtl. Bull. StR, 1987, S. 515 f.).
[24] Parl. Initiative: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1600 ff. Analyse der Stabsdienste: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1602; BaZ, 4.12.87.
[25] BaZ, 13.3. und 11.6.87; SZ, 13.3.87; NZZ, 4.4.87; 24 Heures, 12.9.87.