Année politique Suisse 1987 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Volksrechte
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Nutzung der Volksrechte
Bei der Anzahl zustandegekommener Volksinitiativen ergab sich eine erneute Steigerung von 7 auf 9. Noch nie zuvor waren in einem Jahr mehr Begehren eingereicht worden. Da lediglich zwei Initiativen zur Abstimmung kamen, erhöhte sich die Zahl der hängigen Volksbegehren von 19 auf 26. Zu berücksichtigen ist bei diesen Zahlen allerdings, dass vier Initiativen, die sich je gegen ein bestimmtes Autobahnteilstück richten, eigentlich als Einheit betrachtet werden müssen (sog. Kleeblatt-Initiativen). Ebenso wäre es voreilig, aus der Steigerung eine generelle Tendenz zur vermehrten Nutzung der Volksrechte ableiten zu wollen: am Jahresende wurde nur noch zu den sechs 1987 neu lancierten Initiativen Unterschriften gesammelt (1986: 6 neu lanciert und Unterschriftensammlung zu 9 Begehren), wovon von zweien angenommen werden kann, dass sie scheitern werden. Die Themen der 1987 zustandegekommenen Vorstösse betreffen die Verkehrspolitik (4), die Energiepolitik (2) sowie die Finanz-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik (je 1).
Bemerkenswert war im Berichtsjahr, dass zum ersten Mal die schweizerische FDP eine von ihr lancierte Initiative einreichte ("für ehe- und familiengerechtere Bundessteuern"). Dabei zeigte der Vergleich mit den sog. Kleeblattinitiativen, dass selbst grosse Parteien bedeutend mehr Mühe haben, die nötigen Unterschriften einzubringen, als Interessenverbände. Die Erfolgsbilanz der Volksinitiativen erhielt eine Aufhellung, wurde doch mit der Rothenthurm-Initiative die neunte der hundert seit 1891 dem Souverän vorgelegten Initiativen gutgeheissen.
Schliesslich wurden im Berichtsjahr gegen zwei Beschlüsse das Referendum ergriffen (Mutterschaftsversicherung und Bahn 2000). Da noch zwei Referenden aus dem Vorjahr hängig waren (Revision von Asyl- bzw. Ausländergesetz) kam es 1987 aufgrund des fakultativen Referendums zu vier Volksabstimmungen. Bei der Mutterschaftsversicherung setzten sich die Opponenten durch, bei den übrigen drei Vorlagen obsiegte der Beschluss des Parlaments [29].
Wie an anderer Stelle ausgeführt, präsentierten an den Nationalratswahlen eine Rekordzahl von Parteien und Gruppierungen eigene Listen. Diese intensive Nutzung des passiven Wahlrechts, welche in auffallendem Gegensatz zur erneut gesunkenen Beteiligung stand, führte zu einer Aufwandsteigerung bei der Vorbereitung, Durchführung und Auszählung der Wahl. Bereits wurde von Nationalrat Stucky (fdp, ZG) eine Motion eingereicht, welche mit Kautionszahlungen, die nur bei Erreichen eines bestimmten Wähleranteils zurückbezahlt würden, gegen die Einreichung von sogenannten Jux-Listen vorgehen will [30].
 
[29] Verhandl. B.vers., 1986, V, S. 123 f. und 1987, IV, S. 107 f.; wf, Initiativen + Referenden. Stand 1. Januar 1988, Zürich 1988; A. Gross, "1987 war das Jahr der Volksinitiative", in TA, 4.1.88; SPJ, 1986, S. 25. Zu den einzelnen Initiativen, Referenden und Volksabstimmungen vgl. den jeweiligen Sachzusammenhang.
[30] Gesch.ber., 1987, S. 5; Verhandl. B. vers., 1987, IV, S. 93. Zu den Wahlen siehe unten, Teil I, 1e (Eidg. Wahlen: Kandidaturen).