Année politique Suisse 1987 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen / Eidgenössische Wahlen
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Rücktritte
Schon im Laufe des Wahljahres zeichnete sich eine grössere personelle Erneuerung des eidgenössischen Parlaments ab: 49 National- und 16 Ständeräte demissionierten auf Ende der Legislatur, wobei die einzelnen Parteien unterschiedlich betroffen waren [3]. Bei den Liberalen trat gleich die Hälfte der achtköpfigen Nationalratsfraktion sowie ein Ständerat zurück, bei der SVP verzichteten 4 von 5 Standesherren und 8 von 23 Volksvertretern auf eine Wiederwahl. Die übrigen Bundesratsparteien hatten den Rücktritt von je rund einem Viertel ihrer Parlamentsvertretung zu verzeichnen (FDP und CVP je 12 NR und 4 StR, SP 11 NR und 3 StR). Weiter demissionierten der einzige PdA-Nationalrat, Armand Magnin (GE), sowie der Zürcher Grüne Arnold Müller, der sich im Herbst 1986 der LdU/EVP-Fraktion angeschlossen hatte [4].
Nach Kantonen betrachtet hatten 10 Stände (ZH, BE, LU, FR, SO, BL, SH, SG, TG und VD) einen, Uri, Aargau und Neuenburg gleich beide Vertreter in der kleinen Kammer zu ersetzen. Für den Nationalrat fiel prozentual der Rückzug des einzigen Obwaldner Abgeordneten am stärksten ins Gewicht. Überdurchschnittliche Rückzugsraten verzeichneten auch Schwyz (2 von 3), Solothurn (4 von 7) sowie Freiburg und Jura (je 50%). Nur in 8 Kantonen (UR, NW, GL, ZG, SH, AR, AI und TI) kandidierten alle bisherigen Volksvertreter erneut. Zahlenmässig am meisten Nationalräte traten in Bern zurück (11 Demissionen). Im Zusammenhang mit den Folgen der Berner Finanzaffäre nahmen die ehemaligen bzw. amtierenden Regierungsräte Werner Martignoni, Bernhard Müller (beide svp) und Kurt Meyer (sp) zum Teil unfreiwillig Abschied vom eidgenössischen Parlament, in welchem aufgrund des kurz vor den Wahlen vom Berner Souverän erlassenen Doppelmandatsverbots künftig kein Regierungsmitglied mehr Einsitz nehmen darf. Gleich 6 ihrer 9 Nationalräte hatte die Berner SVP zu ersetzen, bei der sich auch die parteiinterne Amtszeitbeschränkung sowie ein Parteiaustritt auswirkten [5]. Ebenfalls wegen Differenzen mit der Partei zog sich der aus der Baselbieter FDP ausgetretene Karl Flubacher aus dem Nationalrat zurück und kandidierte gegen den offiziellen Freisinnigen René Rhinow – allerdings erfolglos – für den Ständerat [6].
Von den bisherigen Frauen verzichteten vier (3 SP und 1 CVP) auf ihr Nationalratsmandat, wobei die beiden Sozialdemokratinnen Amélia Christinat (GE) und Heidi Deneys (NE) ihre Karriere im Ständerat fortsetzen wollten und dabei scheiterten. Insgesamt versuchten 14 Nationalräte – die Hälfte erfolgreich – einen Wechsel ins Stöckli, 5 davon kandidierten sicherheitshalber für beide Räte.
Neben den genannten Gründen spielten vorgerücktes Alter und Amtsmüdigkeit die Hauptrolle, um jüngeren Kräften Platz zu machen – hatte doch fast die Hälfte der Zurücktretenden dem Parlament während 16 und mehr Jahren, zwei Nationalräte gar während 24 Jahren angehört. Andererseits verzichteten nicht weniger als 9 Abgeordnete aus verschiedenen Gründen schon nach einer Amtsdauer auf eine erneute Kandidatur, darunter der Freisinnige Willy Pfund (SO) und die Sozialdemokraten Jean Clivaz (BE) und Valentine Friedli (JU).
Zu den Demissionierenden gehörten zahlreiche prominente Parlamentsangehörige, etwa die ehemaligen Nationalratspräsidenten Laurent Butty (cvp, FR), Franz Eng (fdp, SO), André Gautier (lp, GE; Wechsel in den StR) und die erste Frau in diesem Amt, die Schwyzer CVP-Vertreterin Elisabeth Blunschy. Als weitere bekannte Nationalräte sind unter anderen die Freisinnigen Bruno Hunziker (AG; Wechsel in den StR), Hans Künzi (ZH), Hans-Georg Lüchinger (ZH) und Georg Nef (SG) sowie der ehemalige SVP-Präsident Fritz Hofmann (BE) zu nennen. Auch der Ständerat verlor einige profilierte und markante Persönlichkeiten, so die Freisinnigen Paul Bürgi (SG) und Hans Letsch (AG), die Christlichdemokraten Julius Binder (AG) und Franz Muheim (UR), den Basler Sozialdemokraten Eduard Belser, die SVP-Politiker Jakob Stucki (ZH) und Peter Gerber (BE) sowie den Neuenburger Liberalen Jean-François Aubert.
 
[3] Vergleichszahlen (NR/StR): 1975: 33/8; 1979: 45/14; 1983: 43/8.
[4] LNN, 14.8.87; Vat., 29.8.87. A. Müller: Presse vom 18.8.86 (Fraktionswechsel); TA, 11.3.87.
[5] Bund, 7., 21. und 22.1.87 (Martignoni); BaZ, 10.1.87; SGT, 16.1.87; BZ, 11. und 20.5.87 (Meyer), 10. und 15.6.87 (Doppelmandatsverbot).
[6] BaZ, 29.11. und 3.12.86 (Parteiaustritt), 27.8. und 2.10.87.